Lisa Jewell – Weil niemand sie sah

Inhalt

Ellie Mack war fünfzehn. Klug, gewitzt, der Liebling ihrer Mutter. Sie hatte ihr ganzes Leben noch vor sich. Bis sie von einem Tag auf den anderen spurlos verschwand. Zehn Jahre sind seitdem vergangen, doch insgeheim hat Laurel nie die Hoffnung aufgegeben, ihre Tochter irgendwann wiederzufinden. Ihr eigenes Glück ist nebensächlich geworden. Dann lernt sie einen Mann kennen, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Was ihr jedoch wirklich den Atem raubt, ist die Begegnung mit seiner neunjährigen Tochter – denn diese ist Ellie wie aus dem Gesicht geschnitten. All die unbeantworteten Fragen sind mit einem Mal wieder da: Was geschah damals mit Ellie? Und gibt es jemanden, der endlich Licht ins Dunkel bringen kann? (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

„Weil niemand sie sah“ ist von der ersten Seite an packend, denn Lisa Jewell schreibt in einem beeindruckend leichtgängigen Stil, zudem geistreich und ausdrucksstark. Die Autorin schafft eine emotional mitreißende Atmosphäre: authentisch, beklemmend sowie abgründig.

Die Charaktere sind durchweg eigensinnig – vor allem Lauren, die Protagonistin, ist tragisch interessant: nach dem Verschwinden ihrer Tochter wird sie zu einer verschlossenen, feindseligen Frau – nach Außen hin hält sie jedoch eine stoisch vernünftige, fürsorgliche Fassade aufrecht. Lauren entfremdet sich von ihrer Familie, ja vom Leben. Sie ist auch sich selbst gegenüber brutal ehrlich, was zu völliger Leere führt: in ihr sowie um sie herum. Sie existiert jahrelang vor sich hin, anstatt annähernd zu leben.

Als es nach zehn Jahren schließlich Neuigkeiten über ihre verschwundene Tochter Ellie gibt, überschlagen sich die Ereignisse. Es gibt offizielle Erkenntnisse, aber auch vage, rätselhafte Hinweise, die Laurel lange nicht einordnen kann. Sie lernt einen Mann kennen, der zu gut ist, um wahr zu sein und seine kleine Tochter sieht aus wie Ellie. Bei Lauren läuten daraufhin alle Alarmglocken, gleichzeitig fühlt sie sich lebendig wie nie zuvor, weshalb sie sich ihren Glücksgefühlen zunächst hingibt…

Die Handlung ist äußerst raffiniert aufgebaut: es gibt verschiedene, unerwartete Perspektiven und zwei Zeitebenen. Leser/innen erfahren Stuck für Stück was, wie, warum mit Ellie passiert ist. Die Hintergründe sind unfassbar infam sowie vielschichtig. Das ist allerdings noch nicht alles, denn selbst, nachdem klar wird, was aus Ellie wurde, wüten diverse Kollateralschäden weiter…

Die Autorin

Lisa Jewell wurde 1968 in London geboren und arbeitete viele Jahre in der Modebranche, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. »Der Flügelschlag des Glücks« ist ihr erster Roman bei Limes. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in London. (Verlagsinfo)

Fazit:

Lisa Jewell hat mit „Weil niemand sie sah“ ein Meisterwerk geschaffen: Spannung in höchstem Maße, zusammen mit einer außergewöhnlichen Handlung – ein Mix aus Drama, Thriller und Familienschicksal. Die Geschehnisse werden bewegend geschildert, zudem ist die Handlung ungemein komplex. Es gibt regelmäßig überraschende Einblicke sowie Wendungen, außerdem ist das Innenleben der Charaktere absolut faszinierend. Klassisches Gut-Böse gibt es hier nicht, vielmehr geht um die Folgen von traumatischen Kindheiten, gestörter Wahrnehmung und mangelnder Selbsterkenntnis, die in hilflose Verzweiflung münden. Es gibt jedoch auch warmherzige Gegebenheiten und heilende Offenbarungen, die Vergebung erlauben. Ein herrlich abgründiger, meisterhaft inszenierter Roman, der für großes erzählerisches Können spricht.

Klappenbroschur: 384 Seiten
Originaltitel: Then She Was Gone
Aus dem Englischen von Carola Fischer
ISBN-13: 978-3-8090-2714-0

www.randomhouse.de

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