Barker, Clive – Spiel des Verderbens

Subtiles Grauen und makabrer Horror

Leibwächter Marty Strauss muss seinen Arbeitgeber, einen der reichsten Männer der Welt, vor dessen schlimmstem Feind beschützen – doch dieser ist kein Mensch. Eine grauenhafte Macht des Bösen ist hinter den beiden her und ihr Schicksal scheint unausweichlich … (Verlagsinfo)

Der Autor

Der 1952 in Liverpool geborene Clive Barker hat eine Anzahl von sogenannten Grand-Guignol-Theaterstücken geschrieben, darunter „The History of the Devil“ und „Frankenstein in Love“. Für seine Erzählungen in den sechs [„Books of Blood“ 549 heimste er den |British| und den |World Fantasy Award| ein. Zu seinen Bestsellern gehören neben „The Damnation Game“/“Spiel des Verderbens“ auch „Cabal“, „Imagica“, „Coldheart Canyon“ und „Abarat“ (alle deutsch bei |Heyne|).

Er schuf die Reihe der inzwischen klassischen „Hellraiser“-Filme, außerdem die Filme „Nightbreed“ und „Lord of Illusions“. Seine Story „Das Geyatter und Jack“ ist unter dem Titel „Der höllische Gast“ als Comicbook im |Thomas Tilsner|-Verlag erschienen.

Handlung

Nach einem schief gelaufenen Raubüberfall sitzt Marty Strauss nun schon seit zehn Jahren im Bau. Seine Frau Charmaine hat er schon eine Weile nicht mehr gesehen. Darum kann er sein Glück kaum fassen, als ihm eines Tages die Chance geboten wird, vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden und in Freiheit zu arbeiten.

Ein gewisser Mister Toy fragt ihn, ob er bereit sei, als Leibwächter bei einem der reichsten und mächtigsten Männer der Welt zu arbeiten. Strauss bejaht ohne Zögern. Doch bereits nach wenigen Wochen auf dem weitläufigen Anwesen dieses Joseph Whitehead fallen Marty ein paar merkwürdige Dinge auf. Whiteheads Besucher sind von der schleimigsten Sorte und recht zwielichtig. Whiteheads Tochter Carys ist drogensüchtig und wird wie eine Gefangene im Haus gehalten. Schon nach kurzer Zeit, nachdem Charmaine nichts mehr von ihrem Ex-Mann wissen will, sind Carys und Marty ein Paar.

Und da ist da noch ein Unbekannter, den Marty einfach den „Magier“ nennt, scheint er doch von einem Licht umgeben zu sein, und Elektrozäune können ihm offenbar nichts anhaben. Dies ist Mister Mamoulian, der große Widersacher Whiteheads und dessen Nemesis. Das Buch erzählt von ihrer langen Auseinandersetzung, die für beide zum Tod führt.

Dies wäre kein Buch von Clive Barker, wenn es darin nicht Horror und Magie gäbe. Mamoulian sorgt für beides in überreichem Maße. Er könnte Satan persönlich sein, so wie er sich seine Sklaven schafft, Mister Breer beispielsweise. Breer ist ein Pädophiler, doch just als er sich erhängen will, holt ihn Mamoulian doch wieder zurück in ein Halbleben, in dem gewöhnliche Lebensgefahr für Breer keine Bedrohung darstellt. Und Mamoulian steuert nicht nur Breer mit telepathischem Zwang, sondern auch Carys Whitehead. Wenn er sich in Carys‘ Kopf „befindet“, kann er sich mit ihren Augen in Whiteheads Anwesen gründlich umsehen. Deshalb ist für ihn auch der Angriff auf Whitehead ein Kinderspiel.

Denn Whitehead ist mit Mamoulian offenbar einen faustischen Pakt eingegangen. Im Warschau der Nachkriegszeit spielte er gegen den „letzten Europäer“ Karten und gewann. Im Gegenzug wurden ihm Reichtum und Macht zuteil. (Dies ist das „Spiel des Verderbens“.) Doch nun ist Mamoulians Lebenszeit abgelaufen, und er fordert seine Preis ein. Aber Whitehead ist dazu nicht bereit. Als Mamoulian mit Breer ein zweites Mal in Whiteheads Anwesen einbricht, bereitet er allem Leben dort ein Ende.

Nur Whitehead bleibt übrig, Marty hat sich versteckt, doch seine Geliebte Carys wird entführt – das Buch scheint (nach zwei Dritteln) an einem toten Punkt angekommen zu sein. Doch nun geht’s natürlich erst richtig los. Und Marty muss in die Rolle des sagenhaften Orpheus schlüpfen, um Carys wiederzugewinnen. Nicht zufällig heißt der Ort des Showdowns „Hotel Orpheus“.

Mein Eindruck

Nach den sechs „Büchern des Blutes“, mit denen Barker für Aufsehen gesorgt hatte, bot er mit „Spiel des Verderbens“ klassische Horrorkost, aber natürlich mit dem besonderen Barker-Touch. Hier leben Körper nur eine Art Scheinleben, ganz im Gegensatz zu den Seelen und Geistern als ihre Bewohner. Daher können Seelen auch von Körper zu Körper wandern, so wie Mamoulian es mit Carys tut und sie mit ihm. Solche mächtigen Seelen können ganze Räume und Häuser beherrschen und zufällige unglückselige Besucher in ihren Bann ziehen, so wie es Marty in dem Haus in der Caliban (!) Street widerfährt. Daher ist der Tod eines Körpers auch keineswegs das Ende einer Seele, sondern nur eine besondere Art von Übergang.

Alle diese Elemente erlauben das Entstehen bestimmter Situationen, die nicht nur sublimes Grauen, sondern auch derbste, makabre Komik produzieren. Fürs Grauen ist Mamoulian zuständig, für das Makabre sein Untergebener Breer. Marty und Carys bekommen beides auf ihre Weise zu spüren. Die Szenen des langwierigen Finales im Hotel Orpheus sind eine sonderbare Kombination aus beidem.

Unterm Strich

Subtiler Horror reicht sich in Clive Barkers Geschichten stets die Hand mit dem grotesken Grauen der Geisterbahn. Das ist auch in „Spiel des Verderbens“ nicht anders. Nach den sechs [„Büchern des Blutes“, 538 mit denen Barker für Aufsehen gesorgt hatte, bietet er mit „Spiel des Verderbens“ klassische Horrorkost, aber natürlich mit dem besonderen Barker-Touch.

Nicht jeder Leser dürfte das Buch spannend finden. Es gibt Passagen, in denen anscheinend nichts passiert, sondern nur ein Eindruck eingefangen wird, so etwa dann, wenn Marty Whiteheads Haus und Grundstück erkundet. Ungeduldige Leser seien darum erstens gewarnt und zweitens getröstet: Im letzten Drittel des Romans mit dem Titel „Sintflut“ überschlagen sich die Ereignisse, bis sie im Finale gipfeln. Natürlich ist dieser Teil wenig zu verstehen, wenn man die Vorgeschichte und die Akteure nicht kennt.

Zur Übersetzung

Barkers Horror ist stark von der Sprache abhängig und wird von seinen genau gezeichneten Figuren in deren jeweiliger Sprechweise vorgetragen. Die deutsche Übersetzung von Körber und Bauer schafft es nur ansatzweise, die jeweiligen Anspielungen und Bedeutungsnuancen angemessen ins Deutsche zu übertragen. Daher sollte man das Buch möglichst im Original lesen. Dennoch lässt sich die deutsche Fassung ohne Schwierigkeiten lesen. Sie bringt aber beispielsweise nicht jedes Motto, das den Buchteilen vorangestellt ist.

Warum es der |Heyne|-Verlag für nötig befand, Joachim Körbers Übersetzung von Werner Bauer überarbeiten zu lassen, ist unklar. Aber das ist, wie ich erfuhr, nicht das erste Mal, dass so verfahren wird. „Das Sakrament“ wurde von Körber übersetzt, an Heyne verkauft und dort noch einmal neu übersetzt. Wenn ich Joachim Körber glauben darf – und ich habe keinen Grund, das nicht zu tun -, dann ist die Neuübersetzung nicht so gut gelungen. Ich kann dazu nichts sagen, weil ich jenen Roman nicht gelesen habe.

Originaltitel: The Damnation Game, 1985
Aus dem Englischen übertragen von Joachim Körber und Werner Bauer

www.heyne.de