Gierdahl, Knut – Goldene Equinox, Der

In Anlehnung an die zwischen 1909 und 1913 von der „Großen Weißen Bruderschaft“ zu den Tag- und Nachtgleichen im Frühling und Herbst (Äquinoxe) herausgegebenen Bände des Äquinox (insgesamt 11 Bände), nennt der Autor Knut Gierdahl, Redakteur des legendären Okkultmagazins AHA, seinen Band „Der Goldene Equinox“. Ebenso setzt er sich mit der Wahl des Titels von den in der Schweiz, vom Verlag Psychosophische Gesellschaft (in limitierter und nummerierter Auflage, ohne Jahr) herausgegebenen Äquinoxen ab, bei denen es sich jedoch nicht um Übersetzungen der englischen Ausgaben handelt, sondern um die Herausgabe einzelner Werke von Aleister Crowley (z.B. „Das Herz des Meisters“, „Kleine Aufsätze die zur Wahrheit führen“, etc.).

Sieht Gierdahl die Schwerpunkte der damaligen Äquinoxe in der Klärung der Eckpunkte und Wurzeln von Thelema in der Sprache der Magie, so soll sein Goldener Equinox dem Leser Anregung und Hilfe sein, „Magick als Set von Methoden [zu] verstehen, um ihren Wahren Willen zu erschaffen und zu leben“ (Vorwort, S. 6). Dazu wählt er, gemäß dem damaligen Motto des Äquinox: „Die Methode der Wissenschaft – Das Ziel der Religion“, die wissenschaftliche Sprache, „um Thelema als sinnstiftende Lebensform weiter zu entwickeln“ (ebd. S.7).
In 13 Abhandlungen, eine in Zusammenarbeit mit Michael D. Eschner, geht der Autor auf vielseitige Themen wie Gnostizismus, Logik, Liber Al, Schuld und Verantwortung, Kult der Sonne etc. ein und bringt sie in Zusammenhang mit Thelema. Neben den Artikeln befindet sich in diesem Band auch eine Kurzgeschichte, „Der Grasgrünfärber“, die an einen Zen-Koan erinnert, sowie eine praktische Anleitung zur Ausübung der yogischen Sonnengrüße mit photographischen Abbildungen der einzelnen Stellungen im Anhang, nebst Einführung in das System des Yoga mit Bedeutung von Atem, Tipps zur Vorbereitung und dergleichen mehr. Allgemein wird immer wieder Theorie mit Praxis verbunden und auf die Umsetzung in den Alltag hingewiesen. So gibt auch das Kapitel über „Willenstraining“ eindeutige Handlungsanweisungen.

Die einzelnen Artikel lassen einen roten Faden erkennen, beginnend mit den Wurzeln Thelemas im Gnostizismus – Gnosis als Erkenntnis, die nicht vermittelt, sondern erlebt wird – und der Bedeutung vom Kult der Sonne bei Ägyptern, Indianern und Hindus, bis hin zu Thelema als „Designer-Religion“ des Neuen Äons mit verschiedenen, individuellen Entwicklungswegen und -modi. Dabei werden zentrale Themen wie Ideologie, Weltanschauung und Logik angesprochen (wie z.B. in „Open-Source-Kultur und die schenkende Tugend“ oder „Fuzzylogik und die Tattwas“).
Knut Gierdahl wählt einen lockeren, den Leser ansprechenden Stil mit humorvollen Ansätzen. Stets erläutert er seine Aussagen mit konkreten Beispielen aus Alltag, Geschichte oder Technik, fügt Zitate ein oder nennt Literaturstellen zur Weiterführung.
Negativ fallen der Drucksatz und oberflächliches Lektorat ins Auge. So werden mal einzelne Worte oder Absätze wiederholt oder der Drucksatz wechselt von Block- in Flattersatz. Ebenso hätten bei den zitierten Quellen nähere Angaben (z.B. Erscheinungsjahr, Band- /Seriennummer) erwähnt werden können.
Insgesamt wird Knut Gierdahl seinem Anspruch mehr als gerecht und der Goldene Equinox ist für jeden an Magie, Thelema und/oder Entwicklung Interessierten mit Gewinn zu lesen.
Eine Fortsetzung, wie als „Open-Source-Projekt“ geplant, wäre ebenso wünschenswert wie eine thematische Ausweitung über Thelema relevante Themen hinaus.

_Martin Dembowsky_
für die [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de

Ergänzung des Lektors: Zum Bereich Thelema hat K. Gierdahl bzw. die Zeitschrift „AHA“ ein umfangreiches Sonderheft für 9 € herausgebracht, das man auf der Homepage bestellen kann. Dies könnte man als Fortsetzung des hier beschriebenen Bandes betrachten, wenngleich die Artikel hier von verschiedenen Autoren stammen – umso interessanter.