Paturi, Felix R. – letzten Rätsel der Wissenschaft, Die

„Was ist überhaupt Wissenschaft?“ – dieser Frage versucht Felix R. Paturi im Vorwort seines aktuellen Buches auf den Grund zu gehen, denn wenn er schreibt, dass „tief in seinem Herzen so mancher Naturwissenschaftler bestreitet, dass die Geisteswissenschaften und die seit einiger Zeit dazugekommenen Sozialwissenschaften überhaupt einen Anspruch darauf erheben können, Wissenschaften genannt zu werden“, dann führt der Autor bereits einen aktuellen und schon lange brodelnden Konflikt an. Wissenschaft ist ein so weit gefasster Begriff, dass wir heutzutage nicht ohne Spezialisierung auskommen. Dies führt zwar zur Herausbildung zahlreicher Experten, aber auch dazu, dass die einzelnen Fachrichtungen sich immer weiter auseinander entwickeln. Doch Felix R. Paturi versucht in seinem aktuellen Wissenschaftsbuch den Brückenschlag zwischen den verschiedenen Disziplinen. Obwohl der Autor von Haus aus laut Verlagsinformation Physiker ist, öffnet er sich anderen Themen, zeigt sein weit gefächertes Interesse und wagt hier den mutigen Schritt, all diese Ideen und Rätsel in nur einem Buch aufzugreifen.

Schon der Wissenschaftsbegriff wirft unzählige Fragen auf, doch auch der Begriff des „Rätsels“ ist diskussionswürdig. Felix R. Paturi versteht darunter die ungeklärten Fragen der einzelnen Wissenschaftszweige, nicht aber die Rätsel aus Rätselzeitschriften, da diese bereits beantwortet sind und für die Wissenschaft kein Rätsel (mehr) darstellen. Den wirklichen Rätseln, für die noch kein Mensch eine Lösung gefunden hat, widmet sich der Autor im vorliegenden Buch.

Das Vorwort gibt einen guten Einstieg in die Thematik und macht bereits deutlich, welche Fragen sich in diesem Zusammenhang stellen. Paturi beantwortet sie jedoch nicht wirklich, sondern fordert seine Leser dazu auf, sich ihre eigene Meinung über den Wissenschaftsbegriff zu bilden. Ein Blick in das [Inhaltsverzeichnis]http://www.eichborn-verlag.de/s2/default.asp?SeID=&id=472&tid=1604&x=1&y=1 zeigt die Breite der vorgestellten Themen, wo so ziemlich jeder halbwegs interessierte und weltoffene Leser genug Aspekte finden dürfte, die ihn ansprechen.

Zunächst geht Paturi physikalischen Fragen auf den Grund. Obwohl in der Physik viele Rätsel gelöst werden konnten und mit der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik zwei umfassende Theorien zur Verfügung stehen, die beide für sich stimmig sind, widersprechen sie sich doch gegenseitig. Ein aktueller Lösungsansatz ist die mysteriös anmutende Stringtheorie, die sich jeder Vorstellungskraft entzieht. Dennoch schafft Paturi es ohne Formeln und auf nur wenig Raum, diese Theorie in Grundzügen vorzustellen und verschafft sich dadurch bereits meine Hochachtung. Auch die Frage nach der Dunklen Materie und woraus sie bestehen kann, wird thematisiert. Sogar die Quantenteleportation (also das „Beamen“ auf kleinster Ebene) und die merkwürdigen Folgen der Überlichtgeschwindigkeit werden uns verständlich gemacht; wobei ich mir in diesem Fall eine erläuternde Skizze gewünscht hätte, die sicherlich ohne Worte deutlicher gemacht hätte, was Paturi in einigen Sätzen zu erklären versucht.

Im Anschluss daran bringt der Autor uns Naturphänomene näher, von denen jeder schon einmal etwas gehört hat, aber über die wir oft noch nicht viel wissen. Hier erfahren wir, warum im sagenumwobenen Bermudadreieck zahlreiche Schiffe verschwunden sind, wir wundern uns über riesige Felsbrocken, die sich von ganz alleine zu bewegen scheinen, und wir grübeln darüber nach, wie die Maya einen Schädel aus Kristallstein schleifen konnten, der auch mit modernster Technik unmöglich herstellbar ist. Spätestens an dieser Stelle dürfte Paturi auch den letzten Leser fasziniert haben. Denn er schildert hier Phänomene, die leicht verständlich sind, aber doch unglaublich wirken. Niemand kennt eine plausible Lösung für den wundersamen Maya-Schädel, den es eigentlich gar nicht geben dürfte.

Etwas weniger spektakulär muten Schleifspuren in der Wüste an, deren Ursprung ebenfalls ungeklärt ist. Sensationslüsterne Möchtegernwissenschaftler sehen selbstverständlich außerirdische Besucher als Verursacher der mysteriösen Spuren, doch kritisiert Paturi derlei Spinnereien ganz offen, seiner Meinung nach sind es genau solche Populisten, die die Wissenschaft und ihre seriösen Erkenntnisse in Verruf bringen. Allerdings gibt es viele Phänomene, die völlig unglaublich sind, aber dennoch wissenschaftlich erklärt werden wollen. Wie kann beispielsweise die Homöopathie heilen, obwohl kein Wirkstoff in einem homöopathischen Mittel mehr nachweisbar ist? Oder wieso wachsen und gedeihen Pflanzen besser, wenn man mit ihnen spricht und sie liebevoll behandelt? Und was ist es, das einen Geistheiler auszeichnet? In diesen Punkten berührt Felix R. Paturi Grenzwissenschaften, denen vor allem viele Naturwissenschaftler sehr kritisch gegebenüber stehen. Die Klärung und Vorstellung dieser esoterisch anmutenden Aspekte fand ich nicht immer überzeugend, zumal sich die Frage stellt, ob Geistheilung wirklich zu den Wissenschaften gezählt werden kann.

Natürlich darf in einer populärwissenschaftlichen Abhandlung nicht die Frage nach der Schöpfung und ihrem Ursprung fehlen. Von vielen Seiten beleuchtet Paturi dieses Problem und regt erneut seine Leser dazu an, sich ebenfalls ihre Gedanken über diese Fragestellungen zu machen. Zu diesen Rätseln gibt es keine Lösungen, folglich werden uns in „Die letzten Rätsel der Wissenschaft“ auch keine angeboten, sondern lediglich Lösungsansätze, zu denen wir unsere eigenen Überlegungen anstellen können und sollen.

Im Kapitel über Religionswissenschaft widmet der Autor sich den verschiedenen Gottesbeweisen oder auch der Theodizee, also der Frage nach Gottes Allmacht und der Existenz des Bösen auf dieser Welt. Dies erscheint mir der schwächste Abschnitt des Buches zu sein, da hier nicht nur ungelöste Rätsel auftauchen, sondern Gott an sich bereits ein Rätsel darstellt, das wohl nur jeder für sich selbst lösen kann. Auch scheint das Zahlenwunder des Koran nicht viel mehr als bloße Rechnerei zu sein; wenn sich ein Mathematiker mit einem beliebigen Buch lange genug beschäftigt, wird er in diesem sicherlich eine Menge Auffälligkeiten entdecken, die dem reinen Zufall entspringen. Diesem Kapitel merkt man deutlich an, dass es schwer ist, über ein Thema wie „Gott“ wissenschaftlich zu diskutieren, wenn dessen bloße Existenz bereits ein ungelöstes Rätsel darstellt.

Am Ende macht Paturi sich an die Präsentation aktueller mathematischer Rätsel, wie den Milleniumsproblemen. Mit Hilfe weniger Formeln versucht der Autor, uns zu erklären, was es mit der jeweiligen Fragestellung auf sich hat. Doch sind diese Probleme größtenteils nur für Leser interessant und halbwegs verständlich, die sich auch über die Schule hinaus mit der Mathematik beschäftigt haben. Als Schlusskapitel erscheint mir die Mathematik mit ihren abstrakten Rätseln daher ein gewagtes Unterfangen zu sein.

Rückblickend erstaunen die Fülle an Themen, die uns Paturi präsentiert, und die große Anzahl auftauchender Fragen. Paturi versucht den Brückenschlag zwischen den verschiedenen Disziplinen, außerdem möchte er seine Leser zum eigenen Nachdenken anregen, doch kann dies nicht bei jedem Thema gelingen. Hätte der Autor sich nur auf ein einziges Gebiet konzentriert, hätte er wahrscheinlich eine kleinere Leserschaft angesprochen, doch hätte diese womöglich das ganze Buch mit gleichbleibend großem Interesse gelesen. Bei dieser Fülle von Themen tauchen zwangsläufig Rätsel auf, die nicht jeden Leser ansprechen oder die auch nicht jedem erklärbar gemacht werden können. Für dieses Buch muss man als Leser schon viel eigenes Interesse an verschiedenen Disziplinen mitbringen, sonst werden auch Paturis engagierte Versuche, uns die Wissenschaft näher zu bringen, scheitern. Der Buchtitel verspricht etwas zu viel; natürlich kann es sich hierbei nicht um die „letzten Rätsel“ handeln, denn es gibt selbstverständlich noch mehr, zumal immer wieder neue Rätsel auftauchen werden, die nach einer Lösung suchen.

Für wissenschaftlich vielfältig interessierte Leser bietet Felix R. Paturi mit diesem Buch einen breiten Überblick über die verschiedenen Disziplinen, der erfolgreich zum Nachdenken anregt, da es dem Autor gelingt, auch komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen, sodass selbst Leser ohne spezielle Vorkenntnisse begeistert werden können. Das umfassende Literaturverzeichnis am Ende des Buches bietet die Gelegenheit, sich noch weiter in spezielle Themen zu vertiefen. „Die letzten Rätsel der Wissenschaft“ wirft Fragen auf und kann natürlich wenige klären, dennoch schafft das Buch Verständnis in vielen Bereichen und erweitert den Horizont seiner Leser. Dies kann man wohl nicht von vielen Büchern behaupten.