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Apel, Johann August – Die Bilder der Ahnen (Gruselkabinett 23)

_Spannend & romantisch: Detektive in der Ahnengalerie_

Süddeutschland 1811. Graf Ferdinand von Panner weilt zu Besuch auf dem Schloss der Familie seines Schulfreundes. Eine düstere Legende verdunkelt zeitweise das Gemüt der dort Wohnenden. Was hat es auf sich mit der gefürchteten Geistererscheinung eines unheimlichen Ritters, die nachts an das Lager der männlichen Nachkommen tritt? Ferdinands Neugier ist geweckt, denn ein tragisches Geheimnis harrt seiner Enthüllung …

_Der Autor_

Johann August Apel (1771-1816) ist ein Autor aus der Zeit der schwarzen Romantik. Unter anderem schrieb er die Vorlage zu Carl Maria von Webers berühmter Fantasy-Oper [„Der Freischütz“. 3038

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Ferdinand von Panner: Dennis Schmidt-Foß (u. a. dt. Stimme von Freddie Prinze jr. und Scott Speedman)
Emilie von Wartburg: Melanie Hinze (Jennifer Love Hewitt, Holly Marie Combs)
Baron von Hainthal: Lutz Riedel (Timothy Dalton, Richard Gere)
Ritter Dietmar von Wartburg: Bert Stevens (Moderator & Sprecher)
Pfarrer: Wilfried Herbst (Rowan Atkinson, ‚Morty Seinfeld‘)
Frau Pfarrer: Dagmar Biener (Goldie Hawn, Miou-Miou)
Graf Wartburg: Klaus-Dieter Klebsch (Alec Baldwin, Gabriel Byrne)
Gräfin Panner: Marianne Gross (Anjelica Huston, Cher)
Baronin von Hainthal: Viola Sauer (Michelle Forbes, Charlotte Rampling)
Allwill von Wartburg: Daniel Werner
Klotilde von Hainthal: Cathlen Gawlich (Jaime King)
Philipp von Wartburg: Aljoscha Fritzsche (Malcolm David Kelley in „Lost“)
Felix von Wartburg: Albert Werner
Postillion: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander in „Hart aber herzlich“)
Bertha von Hainthal: Monica Bielenstein (Emma Thompson, Cybill Shepherd)
Juliane von Panner: Anja Stadlober (Paris Hilton)
Mönch Tutilo von St. Gallen: Kammerschauspieler Heinz Ostermann

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand bei Rotor Musikproduktion und bei Kazuya statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Im Jahr 1811 ist Ferdinand von Panner nach Studienjahren im Ausland in sein Elternhaus zurückgekehrt. Da Vater und Schwester gestorben sind, ist er nun das Oberhaupt der Familie. Seine Mutter hat ihm klargemacht, dass es seine Pflicht sei, für einen Stammhalter zu sorgen und eine Frau zu heiraten, aber nicht irgendeine, sondern es müsse Klotilde von Hainthal sein. An diesem Abend fährt er nun zur Residenz, wo sich Klotilde beim Karneval aufhalten soll.

Als Ferdinand in einem Gasthaus einkehren will, vernimmt er Musik aus einem hübschen Haus. Neugierig geht er darauf zu und wird sogleich hereingebeten. Der Pfarrer gibt hier a) eine musikalische Gesellschaft und b) einen Gespenstertee. Einen Gespenstertee? Der Pfarrer erklärt ihm, dass es sich um eine kleine Runde handle, in der Gespenstergeschichten erzählt würden. In dem düsteren Zimmer fällt Ferdinand sofort eine schöne junge Blondine auf. Sie ist die Erste, die eine Geschichte zum Besten geben muss …

|Die Geschichte der Blondine|

Ihre Freundin Juliane lebte auf ihrem Schloss auf dem Lande. Jeden Abend musste das junge Mädchen in einem Saal speisen, in dem die Bilder der Ahnen hingen, und diese Momente empfand sie stets als unheimlich und furchteinflößend. Ein Bild erregte ihr besonderes Grauen, denn so lebendig erschien ihr das Bild der abgebildeten Frau, dass sie sie mit Blicken zu durchbohren schien. Nach zwei Jahren Aufenthalt auf dem Schloss wird Juliane endlich Braut. Am Tag vor der Trauung führt sie ihren Verlobten durch die Zimmer. Als sie im Speisesaal das bewusste Bild erblickt, schreit Juliane auf und will fliehen. Doch in diesem Moment fällt das riesige Porträt von der Wand und begräbt sie unter sich.

Ein weibliches Mitglied der Teegesellschaft bestätigt die Geschichte. Sie habe tatsächlich stattgefunden. Und wenn Ferdinand reden würde, dann könnte er ihr verraten, dass es sich bei Juliane um seine eigene Schwester handelt. Er erwähnt auch nicht, dass er seine eigene Geschichte selbst erlebt hat, sondern tut so – mit einem Versprecher hie und da -, als hätte sie ein Freund namens Ferdinand erlebt.

|Ferdinands Geschichte|

Der junge Student Ferdinand kehrt mit seinem Freund Allwill von der Uni zurück in dessen Elternhaus, ein Schloss auf dem Lande. Dort wird Ferdinand als Allwills Freund herzlichst empfangen. Besonders Emilie hat ihn in ihr Herz geschlossen, und bis zum Ende des Sommers haben sie einander versprochen. Im Schloss befindet sich ein Saal mit Familienporträts, unter denen Ferdinand eines besonders auffällt. Nicht nur, weil es einen furchteinflößenden Ritter zeigt, sondern weil es direkt in die Wand eingelassen ist. Emilie sagt, dies sei Dietmar, der Stammvater des Geschlechts. Ihr Bruder Allwill vermutet ein tragisches Familiengeheimnis hinter der Entstehung des Bildes. Da hat er nur zu sehr Recht.

In der Nacht hört der ruhelos wandelnde Ferdinand klagende Rufe aus dem Bildersaal. „Weh euch! Sie sollen verschont werden! Erlösung! Ruhe!“ Aus dem Ritterbild blicken ihn glühende Augen an, bis die Gestalt vor seinen Augen verschwindet. Die Turmuhr schlägt Mitternacht. Als Ferdinand aus dem Fenster schaut, sieht er im Mondschein die Gestalt des Ritters, der vom alten Turm am Ende der Lindenallee auf das neue Schloss zuschreitet. Ferdinand ignorierend, geht der Geist durch den Bildersaal weiter zu den Schlafgemächern, und Ferdinand bekommt es nun mit der Angst zu tun. Er beobachtet, wie der Geist die beiden jüngeren Söhne des Grafen, Felix und Philipp, küsst und sodann verschwindet. Da keine Gefahr mehr besteht, geht nun auch Ferdinand schlafen.

Am nächsten Morgen darf Ferdinand nur unter vier Augen mit dem Grafen von seinem Erlebnis berichten. Offenbar ist es nicht das erste Mal, dass sich der Geist so gezeigt hat. Aber was bedeutet es? Der Graf lässt Ferdinand schwören, niemandem etwas davon zu erzählen, außerdem sei das Unglück sowieso unabwendbar. Kaum ist Ferdinand abgereist, hört er wenig später, dass Felix, Philipp und sogar der Graf selbst gestorben seien. Doch Ferdinand sieht Emilie nicht wieder.

|Erkenntnisse|

Kaum hat Ferdinand seine Geschichte beendet, geht die Blondine aufgewühlt aus dem Zimmer. Offenbar ist sie recht betroffen von den Neuigkeiten. Ein Teilnehmer der Gesellschaft entlarvt Ferdinands Identität, die dieser sogleich entschuldigend gesteht. Da sagt ihm dieser Teilnehmer, dass Emilie von Wartburg ihn immer noch suche, weil sie nun, nachdem auch ihr Bruder Allwill starb, die Alleinerbin ist. Und noch mehr: Das furchtbare Familiengeheimnis der Wartburgs betreffe auch ihn selbst und die Panners!

Damit ihn nicht das gleiche Schicksal ereilt wie die Wartburgs, muss Ferdinand schnellstens herausbekommen, was es mit dem Porträt des Ritters und dem damit verbundenen Geheimnis auf sich hat.

_Mein Eindruck_

Dies ist noch nicht einmal der ganze 1. Akt der ungewöhnlich langen Handlung. Es folgen noch zwei weitere Akte und natürlich ein Epilog. Ob die Geschichte für Ferdinand und seine Herzensdame Emilie gut ausgeht, soll hier nicht verraten werden, um die Spannung nicht zu verderben.

Wie schon aus dem Inhaltsabriss deutlich geworden sein dürfte, spielt die ganze Story zwischen drei Adelsgeschlechtern, die sich nun nicht nur in einer existenzbedrohenden Krise befinden, sondern auch noch erkennen und bewältigen müssen, dass ein Fluch sie seit nicht weniger als neun Jahrhunderten heimsucht. Damals fing die ganze Geschichte mit – wie zu erwarten – einer Missetat des Ritters Dietmar von Wartburg an. Er diente seinerzeit unter Kaiser Otto dem Großen (936-973), insbesondere bei der Eroberung Oberitaliens (Lombardei).

Die ganze Geschichte entfaltet daher mit ihrem Fortschreiten eine zunehmende geschichtliche Tiefe. Für den nicht mit der deutschen Geschichte vertrauten Hörer könnte es ein wenig verwirrend sein, von irgendwelchen Grafen zu erfahren, die um die Gunst des Kaisers ringen, weil es um die Hand einer wertvollen Frau (wie könnte es anders sein?) geht. Jeder will sein eigenes Adelsgeschlecht mit der Lady gründen – und geht dabei sogar über Leichen. Bei der Lady handelt es sich übrigens um jene Dame, deren gewichtiges Porträt die arme Juliane von Panner erschlug.

In mehreren Rückblenden führt uns das Hörspiel in jene durchaus interessante und dramatische Epoche vor fast elfhundert Jahren. Und ich zumindest fühlte mich aufgrund des Auftretens des Mönches Tutilo von St. Gallen (diese Klosterkirche hat eine wunderbare und prächtige Bibliothek) stark an Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ erinnert. Aber der Umstand, dass ein einfacher Mönch einen Ritter mit einem Sühnefluch belegen kann, der alle männlichen Nachgeborenen – bis auf jeweils einen – das Leben kostet, kam mir als Strafe Gottes ziemlich überzogen vor.

|Die neue Zeit|

Wie auch immer: „Der Fluch der bösen Tat“ wirkt durch die Jahrhunderte fort. Weil immer nur der letzte männliche Nachkomme auf dem Sterbebett seines Vorfahren unter dem Siegel der Verschwiegenheit davon erfährt, kann der Fluch auch ungebrochen fortwirken. Nun aber, so suggeriert der Autor, bricht eine neue Zeit an. Kein Wunder, denn um 1811, als die Handlung spielt, hat das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das einst Otto zu Größe führte, aufgehört zu existieren. Napoleons Truppen haben ihm den Garaus gemacht, ihr Befehlshaber, der Kaiser, mit dem Code Napoleon ein neues bürgerliches Gesetzbuch in allen eroberten Ländern zum Standard gemacht. Höchste Zeit also, alte Zöpfe abzuschneiden.

|Detektivarbeit|

Doch bevor Ferdinand seine Emilie vor den Altar führen kann, sind noch etliche Hindernisse zu bewältigen. In der Manier von [„Sakrileg“ 1897 sind alte Dokumente zu lesen, die Aufschluss über die Vergangenheit geben und Aufschluss erteilen über den Fluch und wie man ihn beenden kann. Wie kann man dem alten Rittergespenst die letzte Ruhe verschaffen und jene Erlösung, nach der es ihn verzweifelt verlangt? Das ist schon fast Detektivarbeit und macht den langen dritten Akt doch noch relativ spannend. Wäre Ferdinand Sherlock Holmes, so müsste jeden Moment der Hund der Baskervilles auftauchen. Wie so viele Stücke der deutschen (und anderssprachigen) Romantik lässt sich auch „Die Bilder der Ahnen“ als ein Aufruf zur Erneuerung lesen.

_Die Inszenierung_

|Sprecher|

Unter den Sprechern wie unter den Rollen sind diesmal alle Genrationen vertreten, von den Kindern bis zu den Senioren. Zwar sollte die Figur der Ferdinand von Panner, der ja auch der Ich-Erzähler ist, stets im Mittelpunkt stehen, doch das ist im dritten Akt eher die Ausnahme. Die Ermittlungsarbeit der drei Familien Wartburg, Panner und Hainthal ist vielmehr echtes Teamwork und erfordert die Mitarbeit auch der Senioren.

Besonders bezaubernd fand ich die Stimme der „Emilie“, die Melanie Hinze gehört, der deutschen Stimmbandvertretung von Jennifer Love Hewitt (die Hauptdarstellerin in „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“). Besonders beeindruckt war ich hingegen von Bert Stevens, der den verfluchten Ritter Dietmar spricht. Stevens legt in seine Darstellung so viel emotionale Bewegung, dass man nicht anders kann, als sich in seine Lage zu versetzen und mit ihm zu fühlen. Ein würdiger Beichtvater ist ihm Mönch Tutilo, den Heinz Ostermann spricht.

Als enttäuschenden Totalausfall empfand ich jedoch die Stimme der Juliane, die Anja Stadlober zuzuordnen ist, welche normalerweise Paris Hilton synchronisiert. Mag sein, dass Frau Stadlober die Schwester von Schauspielerass Robert Stadlober ist, aber deswegen muss sie noch lange wie ein Roboter vom Blatt ablesen. Stimmliche Darstellungskunst ist etwas anderes. (Ich hoffe, ich verwechsle sie nicht mit einer anderen Sprecherin; wäre dem so, würde ich mich entschuldigen.)

|Musik und Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem Spielfilm aus dem schauerlichen Genre erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Die zwitschernden Vöglein des Tages werden daher stets mit Nachtgeräuschen wie etwa der Mitternacht schlagenden Turmuhr, dem kühlen Wind und manchmal sogar Donner kontrastiert. Die Story bietet Gelegenheit für den Einsatz von Halleffekten, so etwa in der Ahnengalerie und im Gewölbe unter dem alten Turm. Die Sprengung dieses alten Turms konnte sich der Tonmeister natürlich nicht entgehen lassen: Eine mordsmäßige Explosion erschüttert die Lautsprecherboxen des Zuhörers! Zum Glück nur in akustischer Hinsicht …

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischen Instrumentarium produziert – keine Synthesizer für klassische Stoffe! Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein. Zwischen drei Akten lässt sich das Hörspiel Zeit, das Intermezzo etwas auszudehnen. Beginnt der nächste Akt, so ist das unschwer an einer anderen Tonart und einem anderen Tempo zu erkennen. Der erste Akt beginnt wie der zweite mit einer frisch-fröhlichen, dynamischen Weise, die schon fast volksmusikhafte Züge trägt.

Mehrmals konnte ich feststellen, dass die Hintergrundmusik auf dezente Weise erst Mozarts „Kleine Nachtmusik“ und dann, eine Weile später, das Wiegenlied „Guten Abend, gute Nacht“ zitiert. Solche Zitate hört man nicht allzu häufig in Originalhörspielen, aber weil sie sich im Hintergrund halten (und womöglich nur wenigen Hörern auffallen), seien sie hier ausdrücklich willkommen geheißen.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin fand ich wieder einmal recht passend. Ich bin aber nicht sicher, ob die Ritter des 10. Jahrhunderts schon Rüstungen trugen, die man im 13. und 14. Jahrhundert zu fertigen pflegte. Aber da ich diesbezüglich keine Experte wie John Howe bin, ist mir dies einerlei. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 24 und 25 wird von H. P. Lovecrafts „Der Fall des Charles Dexter Ward“ bestritten (2 CDs).
Nr. 26: Theophile Gaultier: „Die Liebe der Toten“
Nr. 27: Robert Louis Stevenson: „Der Leichendieb“ (nach historischen Tatsachen)

_Unterm Strich_

Der Aufbau der Geschichte ist zwar ein wenig komplex, aber das ist auch von einer Geschichte, in der ein Familienfluch die Hauptrolle spielt, zu erwarten. Man denke nur an die Holmes-Geschichte [„Der Hund der Baskervilles“ 1896 und erkennt sofort, dass irgendwie mehrere Rückblenden folgen müssen. Der vorliegende Autor bedient sich des Kniffs der beim Tee erzählten „Gespenstergeschichte“, die damals wohl noch recht en vogue gewesen sein dürfte, was aber heute nur noch belächelt werden kann. (Geschichten erzählt uns heute nur noch das Fernsehen oder die Oma – schade, nicht?)

Bemerkenswert ist an dieser Familiengeschichte, dass sie praktisch das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation umspannt, das immerhin mehr als 1000 Jahre existierte (bis 1806). Das bietet Gelegenheit, diesem untergegangenen Reich einen Nachruf hinterherzuschicken und zugleich auszudrücken, dass es höchste Zeit ist, mit diesen alten Zöpfen – in Gestalt des Familienfluches – aufzuräumen. Nur dann habe die neue Zeit – in Gestalt der vom Fluch erlösten Emilie und Ferdinand, aber auch des alten Ritters – eine Chance, Neues und Besseres aufzubauen, auch in Form einer neuen Idealen verschriebenen Familie. Romantik muss also nicht immer rückwärtsgewandt sein.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Besonders im dritten Akt hatte ich Mühe, die Fülle der gelieferten neuen Informationen zu erfassen.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|75 Minuten auf 1 CD|

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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Apel, Johann August / Gruppe, Marc – Freischütz, Der (Gruselkabinett 15)

_Die Jägerbraut, die Oper und die Wiedererweckung von den Toten._

Johan August Apel selbst durfte nicht mehr miterleben, wie seine Erzählung „Die Jägerbraut“ 1821 uraufgeführt wurde, von Carl Maria von Weber zur Oper adaptiert. Zusammen mit Friedrich August Schulze hat Apel „Das Gespensterbuch“ verfasst und konnte damit einiges an Aufmerksamkeit erlangen; am 9. August 1916 starb der Autor.

Die Oper variiert Apels Erzählung (neben vielen Namen und Nebensächlichkeiten) vor allem am Ende, das um einiges gefälliger ausfällt. Aber |Titania| haben gottlob die Ur-Version aus ihrer Gruft gehoben und sorgen für wohlig romantischen Schauder:

_Waidmannspech um 1800._

Amtsschreiber Wilhelm will unbedingt des Försters Tochter Käthchen heiraten, aber den beiden wird die Hochzeit verwehrt, weil Wilhelm kein Jäger ist. Käthchen soll stattdessen den Jäger Rudolf heiraten! Aber Wilhelm ging bei seinem Onkel in die Jägerslehre, dem Oberförster Finsterbusch, und deswegen willigt Vater Bertram doch in die Heirat ein.

Es entsteht eine gute Familienbande, schon vor der Hochzeit. Wilhelm ist ein sehr guter Schütze, so gut, dass ihn Pappa Bertram sogar mit Urahn Kuno vergleicht. Kuno schoss dereinst einen Hirsch, an den ein Mensch gebunden war, und der Herzog vermachte dem kundigen Schützen daraufhin die Försterei, die Wilhelm später erben soll. Weil man Kuno aber die Försterei neidete, unterstellte man ihm einen „Freischuss“, einen Schuss also, der durch Zauberei in sein Ziel ging. Deswegen verlangte man noch einen Probeschuss von Kuno und er bestand. Da das zur Tradition wurde, verlangt man nun von jedem angehenden Erben der Försterei einen Probeschuss, damit der sich der Försterei auch würdig erweist.

Wilhelm allerdings verliert seit dieser Offenbarung immer mehr von seiner Treffsicherheit. Jägerbursche Rudolf freut sich hämisch über Wilhelms Jagdpech, redet ihm ein, dass sein Gewehr verhext worden sei und raunt ihm zu, dass er seinen Probeschuss nur dann bestehen kann, wenn er sich mit Samiel einlässt, um die unsäglichen Freikugeln zu gießen … Wilhelm will nicht, verschießt weiterhin, verzweifelt allmählich und trifft den unheimlichen Stelzfuß. Der verlockt Wilhelm zu einem Freikugelschuss, steckt ihm weitere zu und versichert ihm, dass ein kundiger Jäger keine Angst bei der Herstellung dieser Kugeln zu haben braucht …

Wilhelms Jagdglück kehrt zurück, mit ihm düstere Vorzeichen: Das Bild des Urahnen Kuno stürzte von der Wand, in jener Nacht, da Wilhelm den Stelzfuß traf. Wilhelm hat Tagträume, Vater Betram hat Alpträume und warnt seinen zukünftigen Schwiegersohn mit Geschichten von Dämonen, die versagende Freikugelgießer verstümmelten. Wilhelms Zweifel werden immer größer. 63 Patronen würde er haben, wenn er sich auf das Ritual einlasse, 60 davon würden das gewünschte Ziel treffen, die drei übrigen jedoch fänden das Ziel, das der Teufel für sie ausersehen hat. Nur eine Kugel, um sich des zukünftigen Glückes mit Käthchen sicher zu sein. Wilhelm muss sich nur dazu durchringen …

_Atmosphärische Talfahrt ins Verhängnis._

Die Erzählstruktur der Geschichte ist sehr dicht, die Schlinge um Wilhelm zieht sich immer enger, er muss Freikugeln gießen, um Käthchen heiraten zu können, aber gleichzeitig häufen sich die Anzeichen, dass etwas Unsägliches passieren wird, falls er sich tatsächlich auf diese Teufelspatronen verlassen sollte. Wilhelm wird immer seltsamer, und immer wieder werfen ihm seltsame Mächte Steine in den Weg. Mächte mit guter oder böser Absicht? Das wird sich herausstellen.

Schon der Anfang des Hörspieles jedenfalls nimmt vorweg, dass Wilhelm ein unheilvolles Ende beschert sein wird, aber das zerstört die Spannung keineswegs. Wilhelm ist uns von Beginn an sympathisch, ebenso Käthchen und Mutter und Vater Förster ebenfalls. Alles würde glattgehen, sich ideal entwickeln, wären da nicht dieser vermaledeite Probeschuss und Wilhelms versiegendes Jagdglück. Man empfindet das Dilemma, das Wilhelm zu zerreißen droht, man möchte, dass er Stelzfuß mit seinen Freikugeln in die Wüste schickt, gleichzeitig ertappt man sich selbst bei dem Gedanken, dass es doch nur um den einen Schuss geht … Was soll denn da schief gehen, bei 60 Kugeln? Nun, wie gesagt, der Anfang des Freischütz macht deutlich, dass etwas schiefgehen wird, und zwar gründlich. Bleibt nur noch die bange Frage, wie schlimm es werden wird …

_Premium-Gänsehaut für die Ohren._

Es ist ja schon fast überflüssig anzumerken, dass die Stimmen von |Titania| vortrefflich ausgewählt wurden, denn diese Disziplin beherrschen die Burschen wahrlich: Marius Clarén (u. a. Tobey Maguire) spricht den Wilhelm und das Käthchen bekommt von Luise Helm (u. a. Scarlett Johannson) die sympathisch niedliche Stimme geliehen. Jochen Schröder (James Cromwell; Gregory Peck) knarzt den urigen Jägersvater, Jürgen Thormann (Michael Caine; Max von Sydow) gibt den verlockend schrägen Stelzfuß und Tobias Kluckert (Joaquin Phoenix in „Walk the Line“) darf als Jägersbursche Rudolf durch die Gegend stänkern – herrlich!

Die Soundatmosphäre ist von |Titania|-Produktion zu |Titania|-Produktion unterschiedlich: mal minimalistisch, mal bombastisch, mal musikorientiert, mal stark auf Soundeffekte ausgerichtet. „Der Freischütz“ ist dezent und überaus stimmig vertont, das Klangbild vermittelt wunderbar die düsterromantische Einsamkeit eines Lebens in der Försterhütte: knarrende Bodendielen, quietschende Türen, knisternde Kaminfeuer, tickende Standuhren und ständig der Wind, der um die Dächer streicht, mal leise und behaglich, mal laut und bedrohlich. Aufgelockert wird das Ganze von gelegentlicher Kammermusik oder von dunklen Streichern, die Unheilvolles ankündigen. Der Wald ist, natürlich, erfüllt vom Geschrei der Waldkäuzchen, von raschelndem Laub und krähenden Raben. Sauber dosierter Hall auf den Stimmen unterstreicht die unheimliche Leere des Waldes, aber auch die behagliche Nähe in der Försterhütte – wunderbar!

Unter dem Strich ist „Der Freischütz“ für mich bisher der absolute Gewinner unter den |Titania|-Produktionen, zumindest unter den mir bekannten: „Spuk in Hill House“, „Frankenstein“ und „Die Blutbaronin“. Die Stimmung ist perfekt, die Story atmet Zeitgeist und Waldmannsnostalgie ins abendliche Wohnzimmer, Aberglaube und Geisterfurcht werden wieder lebendig, der Wald vor der Haustüre wieder unheimlich. Alt bedeutet keinesfalls veraltet, Apels quicklebendige Erzählung beweist das, und |Titania| dürfen weiterhin verdiente Lobeslorbeeren einfahren. Unbedingt empfehlenswert!

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[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)