Villatoro, Marcos M. – Furia

Der |Knaur|-Verlag veröffentlichte im Frühjahr 2006 den Thriller [„Minos“ 2626 des amerikanischen Autors Marcos M. Villatoro und begeisterte damit die deutschen Leser. Diesen Sommer legt der Verlag nach. Allerdings ist das Buch, das in Deutschland unter dem Titel „Furia“ erscheint, nicht wie erwartet ein Folgeroman, sondern der direkte Vorgänger zu „Minos“. Als Originalausgabe erschien „Furia“ bereits vor „Minos“, was sicherlich auch in Deutschland strategisch geschickter gewesen wäre, da viele Handlungsstränge, die in „Minos“ vorkommen, hier ihren Anfang nehmen.

Romilia Chacón, die achtundzwanzigjährige Latina und alleinerziehende Mutter, ist gerade mit ihrer Mamá und ihrem Sohn nach Nashville gezogen. Bereits zu ihrem Antritt beim Mordkommissariat wird sie mit einem Toten konfrontiert. Der Journalist Diego Saénz wird erschossen aufgefunden. Der Täter lässt es so aussehen, als ob sich Saénz in selbstmörderischer Absicht das Gehirn weggeschossen hätte, doch Romilia lässt sich nicht täuschen.

Als sie am Tatort eine grüne Jadepyramide findet, wird ihr klar, dass die Sache, der sie auf der Spur ist, vielleicht ein bisschen zu groß für sie ist.
Denn die Jadepyramide war das Kennzeichen des Serienmörders Benny Bitan, den Romilias Kollege Jerry Wilson gerade dingfest gemacht hat. Was hat der tote Journalist zu bedeuten? Ist der wahre Serienmörder noch auf freiem Fuß oder hat Bitan etwa einen Nachahmer gefunden?

Im Mittelpunkt des Thrillers steht die Ich-Erzählerin Romilia Chacón, die man getrost als starke Frauenfigur bezeichnen kann. Dank ihrer Herkunft hat sie ein entsprechendes Temperament und macht sich mit ihrer Hitzköpfigkeit und ihrer Durchsetzungsfreude nicht nur Freunde in ihrem Arbeitsumfeld.

Obwohl sie dort den taffen Cop gibt, hat sie auch eine weiche Seite, die sich offenbart, wenn sie mit ihrem dreijährigen Sohn und ihrer konservativen Mutter zusammen ist. Villatoro lässt sehr viel von Romilias Privatleben in die Geschichte einfließen, wodurch die Persönlichkeit der jungen Frau sehr gut ausgelotet wird. Da sie als direkte Erzählerin fungiert, ist sie dem Leser sehr nahe und es fällt leicht, sie zu verstehen. Die geringe Distanz wird dem Roman an einigen Stellen allerdings zum Verhängnis, denn dadurch wird es schwer, Romilia auch einmal von außen zu betrachten.

Entsprechend eng verknüpft mit Romilia ist der persönliche, interessant gestaltete Schreibstil. Er zeichnet sich neben der Verwendung vieler spanischer Begriffe, die teilweise übersetzt werden oder erschlossen werden können, vor allem durch den scharfzüngigen Humor der Protagonistin aus. Ihre frechen, manchmal schlüpfrigen Bemerkungen, die sich oft auf den Machismo bei der Polizei beziehen, lockern das Buch unheimlich auf.

Trotzdem fällt auf, dass „Furia“ bei weitem nicht so solide und flüssig geschrieben ist wie „Minos“. Das Potenzial von Villatoro lässt sich zwar erkennen, aber er verzettelt sich dabei, seine Protagonistin möglichst menschlich darzustellen. Deswegen schweift er manchmal zu unwichtigen Dingen wie Romilias Liebe zu Büchern ab, vergisst dabei aber, dass ein bisschen mehr Vergangenheit der jungen Frau auch geholfen hätte.

Insgesamt ist „Furia“ einfacher gestrickt und weniger vielschichtig als „Minos“ – nicht nur in Bezug auf Schreibstil und Protagonistin. Die Handlung kann ebenfalls nicht völlig überzeugen, weil sie eindimensional abgebildet wird. Es gibt wenig Höhepunkte und einige logische Ungenauigkeiten sorgen dafür, dass die Spannungskurve recht flach verläuft. Das Ende verspricht zwar eine echte Überraschung, aber die ist ein wenig zu konventionell umgesetzt worden. Der große Showdown präsentiert sich deshalb als heimeliges Tischfeuerwerk, das nicht so ganz zünden möchte.

Es bleibt also festzuhalten, dass „Furia“ ein bisschen wie die Generalprobe von „Minos“ wirkt. Das Buch ist recht einfach gehalten, was sich negativ auf die Spannung niederschlägt, und dem Schreibstil fehlt der letzte Schliff. Romilias Persönlichkeit steckt ebenfalls noch in den Kinderschuhen, aber ihr unschlagbarer Humor und ihre ungewöhnliche Art stimmen den Leser versöhnlich.

http://www.knaur.de

Schreibe einen Kommentar