Risa Wataya – Hinter deiner Tür aus Papier

Die japanische Schriftstellerin Risa Wataya gehört zu den Gefeierten in ihrem Land. 2003 erhielt sie, mit nur neunzehn Jahren, den bedeutendsten japanischen Literaturpreis für das Buch, das der |Carlsen|-Verlag 2007 auch in Deutschland veröffentlicht.

„Hinter deiner Tür aus Papier“ erzählt aus der Sicht der Teenagerin Hatsu, die sich bewusst dagegen entscheidet, Teil des Cliquengeflechts ihrer Oberschule zu sein. Damit riskiert sie zwar die Freundschaft zu Kinuyo, die gerade eine neue Clique gefunden hat, doch das ist ihr egal. Hatsu empfindet ihre Mitschüler als oberflächlich und verlogen – bis auf einen: Ninagawa mit dem überlangen Pony und den Stromausfallaugen.

Er zieht ihr Interesse auf sich, weil er im Unterricht den Kopf ständig in Modemagazinen hat und sich für seine Umwelt nicht interessiert. Sein Interesse gilt dabei nur einer Person. Ori-chan, einem Model, das er vergöttert. Als Hatsu beiläufig erwähnt, dass sie die junge Frau einmal im Einkaufszentrum gesehen hat, lädt Ninagawa sie mit zu sich nach Hause ein. Während er eigentlich nur so viel wie möglich Informationen von Hatsu über ihr Zusammentreffen mit Ori-chan haben möchte, entwickelt Hatsu ganz andere Gefühle …

Risa Wataya hat ein Jugendbuch mit einem klassischen Thema geschrieben: Außenseiter. Und dann auch noch zwei davon, die zueinander finden.

Der Schreibstil, den sie dazu wählt, ist ebenfalls nicht neu. Sie erzählt aus der Ich-Perspektive der pessimistischen Hatsu, die mit messerscharfem Verstand die Welt um sich herum beobachtet. Die junge Autorin schafft es, Hatsus Gedankenwelt poetisch, pointiert und authentisch darzustellen. Charakteristisch dabei ist die subjektive Darstellung, die Hatsu jede Beobachtung entsprechend ihrer Laune färbt. Zumeist ist das eher negativ, was sehr gut zu Person und Handlung passt.

Ein weiteres Merkmal von Watayas Schreibstil sind ihre schönen Bilder, Vergleiche und Metaphern, die sie leichtfüßig einwebt. Sie bezieht sich dabei vor allem auf Alltägliches. Trotzdem sind ihre Stilmittel ausgefallen, ohne angestrengt zu wirken. Wie selbstverständlich betten sie sich in die Sätze ein und helfen, ein farbiges Bild im Kopf des Lesers entstehen zu lassen.

Wenn man in der Ich-Perspektive schreibt, sollte das „Ich“ natürlich dementsprechend interessant und gut ausgearbeitet sein. Hatsu besteht hauptsächlich aus den Gedanken und Gefühlen im Buch, ihre Persönlichkeit und ihr Leben geraten dabei etwas in den Hintergrund. Die Geschichte spielt hauptsächlich an zwei Schauplätzen: in der Schule und Ninagawas Zimmer. Über das Leben von Hatsu, ihre Familie oder ihre Hobbys erfährt man nur wenig. Dabei wäre das durchaus interessant gewesen. Wenn eine Person schon derart im Vordergrund steht, sollten die Eckpfeiler ihres Lebens sauber abgesteckt werden. Das vernachlässigt Wataya leider ein bisschen.

Ninagawas Leben wird aus Hatsus subjektiver Sicht erzählt. Der Fanatismus des verschlossenen, seltsamen Jungen für das Model Ori-chan wirkt auf den ersten Blick vielleicht etwas befremdlich, ist aber sehr gut und authentisch beschrieben. Ohne die beiden Personen aus ihrem eigenen Schatten treten zu lassen, erzählt Wataya von der Annäherung der beiden, ohne in kitschige Gefilde abzugleiten.

Überhaupt schreibt die Japanerin angenehm nüchtern und versucht, sich dabei so gut wie möglich an einer realistischen Handlung zu orientieren. Das führt allerdings dazu, dass es keine richtige Handlung gibt, jedenfalls keine, die Stufen beinhaltet. Es finden keine weltbewegenden Ereignisse statt. Hatsu und Ninagawa dümpeln nebeneinander her, ohne dass sich wirklich etwas entwickelt.

Das ist vielleicht ein wirklich dicker Kritikpunkt, den man der Autorin vorwerfen kann. Die Handlung des Buches ist gar keine wirkliche. Ein Anfangspunkt ist zwar gegeben, aber es fehlen prägnante Zwischenstationen und ein Ziel. Dadurch wirkt das Buch, das sowieso nur 142 Seiten hat, abgeschnitten und unfertig.

Risa Watayas Debütroman ist nicht übel. Mit ihrem einfachen, aber bildreichen Schreibstil und den gelungenen Charakteren weiß sie durchaus das Innenleben eines Teenagers einzufangen. Das mag daran liegen, dass sie selbst noch so jung ist, aber das ist keine Ausrede, warum „Hinter deiner Tür aus Papier“ keine ordentliche Handlung besitzt. Es müsste ja noch nicht einmal viel mehr passieren, aber ein klar definiertes Ziel der Geschichte würde den Leser gleich weniger im Regen stehen lassen.

Gebundene Ausgabe: 144 Seiten
www.carlsen.de