Behrend, Anke – Fake Off!

Liebe auf den ersten Blick ist out – heutzutage trifft man seinen Zukünftigen nicht mehr im echten Leben, sondern im virtuellen. Online-Partnerbörsen und Chat-Foren boomen und nicht selten werden dort die ersten Liebesbande geknüpft. Ob diese dann das erste Treffen allerdings überstehen, steht wohl auf einem anderen Blatt.

Diese Erfahrung muss auch Protagonistin Alex machen, die im wirklichen Leben zwar nicht schlecht aussieht, aber trotzdem den Traummann noch nicht gefunden hat. So meldet sie sich in verschiedenen Foren und Single-Börsen an, doch erst als sie „Listen2Me“ – im wirklichen Leben ganz schlicht Roman – kennenlernt, meint Alex, am Ziel zu sein. Roman ist IT-Spezialist, doch seine einfühlsame Seite zeigt er im Internet durch das Posten verschiedener Gedichte. Die beiden kommen ins Gespräch und beginnen ausgiebig zu telefonieren. Ein wenig schreckt Alex zurück, als Roman von Beginn an sehr besitzergreifend ist und von ihr verlangt, in ihrem Profil zu vermelden, dass sie nun vergeben sei. Das will sie sich allerdings nicht gefallen lassen, meldet sich kurzerhand ab und bastelt sich ein neues Profil. Mit Roman läuft es trotzdem telefonisch prima, sodass die beiden beschließen, dass sie sich kennenlernen sollten.

Kurzerhand fährt Alex aus ihrer Heimatstadt Leipzig gen Hessen, um dort ihr Herzblatt zu treffen. Doch aufgrund von Romans momentaner Arbeitslosigkeit wohnt er bei einem komischen Kauz, der sich offensichtlich als Messie erweist. Alex ist schockiert angesichts des Chaos in Romans Übergangswohnung. Doch noch ahnt sie nichts Böses, denn sie schiebt diese Unordnung auf den Wohnungseigner und gibt Roman keine Schuld. Auch wenn der erste Sex nicht gerade berauschend ist, bleibt Alex zuversichtlich. Nach dem ersten Treffen ist sie zwar unsicher geworden, hegt aber immer noch gewisse Hoffnungen auf ein Happy-End. Merkwürdig findet sie zwar, dass immer sie Roman anrufen muss und er nicht bereit ist, die Telefonkosten zu tragen. Auch dass er sich die Fahrt nach Leipzig nicht leisten kann und Alex das Ticket zahlen muss, schreckt sie noch nicht genügend ab. Als Roman in Leipzig dann aber schließlich mit einem verschlissenen Mantel und deutlichem Körpergeruch vor ihr steht und seinen Trolley öffnet, der lauter nasse Klamotten enthält, steht Alex plötzlich ihrem wahr gewordenen Albtraum gegenüber. Aber es kommt noch schlimmer …

Das Internet – es ist eine schöne neue virtuelle Welt, die sich uns erschließt. Alles ist bequemer geworden, man muss nicht mehr in überfüllten Läden stöbern, um Sachen einzukaufen, man kann alles von zu Hause ordern, vor allem aber muss man nicht mehr nervös seinem Angebeteten gegenübertreten und ihn um ein Date bitten, man kann sich erst anonym im Internet kennenlernen, telefonieren und dann entscheiden, ob man sich dem realen Leben stellen möchte. Dass nicht alles Gold ist, was im Internet noch glänzt, das muss Alex auf erschreckende Weise feststellen, denn Roman ist im echten Leben ein Albtraum!

Anke Behrend schildert herrlich komisch, wie Alex und Roman sich langsam näherkommen, wie sie telefonieren und diskutieren. Langsam aber sicher wird man als Leser immer skeptischer; Roman offenbart merkwürdige Eigenschaften, er ist eifersüchtig, besitzergreifend und hat sehr eigene Ansichten. Doch Alex lässt sich davon nicht abschrecken. Wie frau eben so ist, stolpert sie blind in ihr Unglück und will ihre Hoffnungen erst dann begraben, wenn sie wirklich unsanftest auf den Boden der Tatsachen gebracht wird. Ach, wie sehr kommen mir einige ihrer Eigenschaften bekannt vor. Wer kennt diese Hoffnung nicht, dass ER doch nicht so schlimm ist, wie es gerade wirkt, er wird sich schon noch bessern und am Ende wird alles gut sein. Nein, aufgeben gibt es nicht, frau kämpft bis zum bitteren Ende – bis zu einem Ende, wie es bitterer kaum sein könnte. Anke Behrend hält ihren Leserinnen einen unbarmherzigen Spiegel vor Augen. Ganz so naiv und blind ist frau vielleicht nicht, aber Behrend überzeichnet so gekonnt, dass man sich manchmal schon schämen kann, eine Frau zu sein.

Doch ganz ehrlich. Den Mann trifft es in „Fake Off!“ noch härter. Behrends männliche Protagonisten sind schlimm: Sie räumen nicht auf, drehen sich permanent misslungene Zigaretten und rauchen sie an Ort und Stelle und scheren sich keineswegs darum, ob sie gerade in der Wohnung einer Nichtraucherin sitzen. Männer waschen nicht ab und übersehen gekonnt sämtliches dreckiges Geschirr. Männer duschen natürlich auch nicht und tragen im Bett ihre dreckigen Socken, die ihre beste Zeit schon längst hinter sich haben. Männer tragen stinkende, abgetragene Klamotten und merken gar nicht, dass sie damit zwar Aufmerksamkeit erregen, aber sich wahrlich keine Freunde machen. Und vor allem halten Männer sich für die Größten, ihr Intellekt ist unübertreffbar und natürlich kann keine Frau ihnen in Sachen Computer das Wasser reichen, Männer sind dazu da, um hilflose Frauen zu beschützen und um ihnen das Leben zu erklären. Doch da haben sich die Männer geschnitten! Alex lässt sich zwar viel gefallen, aber auch nicht alles.

Zunächst beginnt das Buch noch recht alltäglich; die weibliche Hauptfigur meint, ihren Traumpartner im Internet gefunden zu haben, und ist anschließend blind vor Liebe. Als sich bei Alex aber die Blindheit legt, wird sie zur rächenden Furie. Sie muss eine schreckliche Entdeckung machen, fühlt sich erst hilflos und ausgenutzt, doch hat sie schnell einen Plan, um es einem ganz bestimmten Mann heimzuzahlen. Spätestens ab hier wird die Geschichte urkomisch. Alex schleicht sich mit ihrem zweiten anonymen Account an ihr Opfer heran, chattet mit ihm, spielt ihm etwas vor und kommt der Erfüllung ihres Racheplanes immer näher. Anke Behrend überzeichnet ihre Figuren und die geschilderten Situationen so sehr, dass es herrlich abstrus wird.

Sprachlich ist das Buch ein wenig gewöhnungsbedürftig, denn viele Teile der Geschichte spielen im Chat, und dort sind großbuchstaben eher die ausnahme und die wesentliche aussage findet sich meist zwischen zwei sternen versteckt *dieStirnrunzel*. Aber irgendwo passt es schon, zumal Roman der deutschen Sprache offensichtlich nicht allzu mächtig ist, sich ständig verschreibt und die herrlichsten Rechtschreibfehler einbaut. Hier hat niemand die Fehler herausredigiert, aber das ist okay so, denn dadurch gewinnt die Geschichte irgendwie auch an Charme.

„Fake Off!“ erzählt eine völlig überzogene Geschichte, die sich den Irrungen und Wirrungen der Internetliebe widmet. Und so sehr die Charaktereigenschaften der handelnden Figuren auch überspitzt sein mögen, so findet sich doch ein Fünkchen Wahrheit darin, sodass einem auf schonungslose Weise vorgeführt wird, wie naiv und merkwürdig man sich manchmal verhält, wenn man einfach blind vor vermeintlicher Liebe ist!

http://www.anke-behrend.de/
http://www.roeschen-verlag.de

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