Cowell, Stephanie – Welche Wonne, dich zu finden

Es gibt wohl kaum einen anderen Musiker aus dem 18. Jahrhundert, den man auch so lange nach seinem Ableben noch in jenem Maße verehrt, wie es bei Wolfgang Amadeus Mozart der Fall ist. Auch über zwei Jahrhunderte nach seinem Ableben 1791 ist seine Musik noch allenorts präsent und wird derzeit noch immer nicht weniger scharfsinnig analysiert als meinethalben die Werke derzeit aktueller Komponisten, die sich dem Stil von Klassik und anderweitiger „E-Musik“ verschrieben haben. So unumstritten seine musikalischen Leistungen sind, so zwiegespalten sind die Meinungen zu Mozarts Lebensstil. Wunderkind, Genie, Chaot, Nervenbündel, psychisch Kranker – mit dem österreichischen Tausendsassa verbindet man vieles, wobei es natürlich im Auge des Betrachters liegt, ob der Weg, den Mozart gegangen ist, positiv oder negativ aufgefasst werden soll.

Stephanie Cowell ist ganz klar den ersten Weg gegangen; die amerikanische Schriftstellerin und Sopranistin hat in ihrem aktuellen Roman „Welche Wonne, dich zu finden“ eine indirekte Liebeserklärung an das Schaffen bzw. die Person Mozarts verfasst und den Musikus passend zum Mozart-Jahr 2006 von einer gänzlich anderen Seite beschrieben. Die Autorin geht nämlich nicht den typischen Weg der Biografie oder dergleichen, sondern nähert sich dem Thema aus der Sicht einer wichtigen Begleiterin, nämlich Sophie Weber. Aus ihrem Blickwinkel sowie jenem der berühmten Musiker-Familie Weber, die neben Sophie auch noch drei andere Töchter hervorgebracht hat, werden die ersten Kontakte mit Mozarts Familie und dessen Entwicklung als Musiker und Mensch beschrieben und in gewisser Hinsicht auch analysiert. Und dies auf eine Weise, die dem allzu kitschigen, fast schon abweisenden Titel Gott sei Dank nicht gerecht wird …

_Story_

Mannheim 1777: Im Hause Weber findet einmal in der Woche ein großes Fest statt. Musiker aus den verschiedensten Regionen präsentieren dann ihre neuesten Stücke und bitten die Anwesenden, darunter die vier Töchter des Hauses, Josepha, Aloisia, Constanze und Sophie, zum Tanz. Auch wenn das Geld bei den Webers stets knapp ist, wird an dieser Tradition festgehalten, schließlich erhofft sich die Mutter, ihre vier Töchter in reicherem Elternhause unterzubringen und mit geeigneten Kandidaten unter den vielen Gästen zu vermählen.

Als eines Tages der junge Österreicher Wolfgang Amadeus Mozart den musikalischen Abend im Hause mit seinem Beitrag veredelt, tritt Sophies Mutter dem gefeierten Musikus sehr skeptisch gegenüber. Seine lockere Zunge und überhaupt sein ganzes Auftreten stoßen bei ihr zunächst auf Missmut, obwohl Vater Fridolin sehr angetan ist von dem mittlerweile sehr verarmten, inzwischen 21 Jahre alten Komponisten.
Und tatsächlich spielen alle Schwestern in Mozarts Leben eine Rolle. Während er für Josephas Altstimme mehrere Werke komponiert und ihr auch den Titel „Königin der Nacht“ widmet, verliebt sich Mozart in deren Schwester Aloisia. Die beiden planen Großes und verloben sich auch, jedoch findet ihre Beziehung ein jähes Ende, als Mozart seine Angetraute zu lange auf die erhoffte Hochzeit warten lässt. Die Enttäuschung ist auf beiden Seiten groß, doch Mozart bleibt der Familie Weber treu, besonders als Hausherr Fridolin frühzeitig stirbt. Seine verwitwete Frau, besorgt um den weiteren Unterhalt, sieht im zunächst verachteten Mozart die letzte Hoffnung und möchte ihn mit Sophie verkuppeln. Doch diese hat eine ganz andere Idee, und nach langem Hoffen gerät schließlich die junge Constanze ins Blickfeld des Komponisten …

_Meine Meinung_

Welchen Input kann einem ein Mozart-Roman noch geben, wenn man durch exzessive Recherche ohnehin schon sehr bewandert in diesem Themengebiet ist? Diese sicherlich berechtigte Frage kam auch mir in den Sinn, bevor ich mich mit dem aktuellen Werk von Stephanie Cowell auseinander setzte. Zunächst konnte ich mir kaum vorstellen, dass die Autorin oder überhaupt ein Buch über den verehrten Komponisten noch wesentlich Neues liefern kann. Und genau dies ist durchaus auch der Fall; rein historisch betrachtet, ist „Welche Wonne, dich zu finden“ ziemlich unspektakulär.

Was an diesem Roman indes so gut gefällt, ist der etwas eigenwillige Ansatz. Das Buch hat zwar den Beititel „Mozart-Roman“, lässt den vermuteten Protagonisten aber nicht zwingend zur Hauptfigur werden. Vielmehr beschäftigt sich Cowell nämlich mit dem Leben der ebenfalls recht armen Familie Weber und dem Einfluss, den der irgendwann dahergereiste Österreicher auf deren weiteren Weg hatte. Und genau hier wird „Welche Wonne, dich zu finden“ plötzlich ausgesprochen interessant! Es geht nämlich nicht mehr alleine um den so oft zitierten Musiker, sondern in erster Linie um das oft nur oberflächlich betrachtete Umfeld.

Gut, wirklich tief greifend ist die sinnliche Beschreibung der Weber-Familie nun auch nicht, schließlich befasst sich Cowell vordergründig mit den Beziehungsgeflechten zwischen den Schwestern des Hauses und dem etwas vorlauten Mozart. Es ist tatsächlich die von Cowell angedeutete, hier Schrift gewordene Liebeserklärung, die im Roman mit den Augen der eher unbeteiligten Sophie Weber betrachtet wird. Sie beschreibt vor allem die gescheiterte Beziehung zwischen Aloisia und dem von Mutter Weber als Hallodri bezeichneten Wolfgang und die sich daraufhin bietende Chance, sich selber mit dem enttäuschten und beleidigten Musiker einzulassen. Doch Sophie hat das Geschehen in den vergangenen Monaten ausführlich beobachtet und die ihrer Meinung nach klügere Entscheidung getroffen, den Musiker ihrer anderen Schwester Constanze zu überlassen.

Vergleiche mit ähnlich gelagerten Romanen ergeben sich hingegen durch die auch hier sehr gekonnt in Szene gesetzte Dramaturgie. „Welche Wonne, dich zu finden“ ist traurig, melancholisch, euphorisch und gefühlvoll in einem Atemzug; ein stetiges Wechselbad der Gefühle, verursacht durch den widersprüchlichen Charakter Mozarts, der durch seinen Drang, der musikalischen Perfektion nahe zu kommen, die Menschen um sich herum fast ganz vergaß, andererseits aber ohne sie nicht sein wollte. Das zerstreute Genie ist auch hier präsent, und die eindeutige Betrachtungsweise des Musikers lässt auch keine Zweifel an dessen Können zu. Nur eben wird hier nicht der Musiker Mozart beschrieben, sondern das Empfinden des Menschen Mozart aus der Sichtweise einer Person, die ihn ohne wirkliche Annäherung sehr gut kennen gelernt hat und daher auch ein sehr gutes Bild von all seinen Wesenszügen hat zeichnen können. Und dies ist – ich erwähnte es bereits – unheimlich interessant geschildert.

Zwei wichtige Voraussetzungen gilt es also vor dem Öffnen der Buchklappe erst einmal zu überdenken: Zum einen ist der Roman trotz Kitschtitel und romantischem Inhalt kein reines Frauenbuch, und zum anderen ist „Welche Wonne, dich zu finden“ kein weiteres Standard-Werk über den Musiker, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Kann man sich davon freimachen, bekommt man von Stephanie Cowell ein etwas andersartiges, indes sehr lesenswertes Portrait des damals in seiner Blüte stehenden Komponisten offenbart, mit dem sich Anhänger Mozarts auf jeden Fall mal beschäftigen sollten – zumal die dezent eingeflochtenen fiktiven Ansätze auch noch eine nicht zu verachtende Spannung hineinbringen. Gute, kurzweilige Unterhaltung ist also auf jeden Fall garantiert!

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