Jack Vance – Das Gesicht (Dämonenprinzen 4)

Rundum gelungener Abenteuerroman: Die Jagd auf den wütenden Darsh

Auf seinem Rachezug durch den Kosmos ist Kirth Jersen an der vierten Station angelangt. Der Name seines Opfers: Husse Bugold, ein Dämonenprinz, der als einer von fünf Aliens an der Auslöschung von Gersens Familie beteiligt war. Sein Deckname: Lens Larque. Wie immer gibt es einen Haken an der Sache, und der Gegner schläft nicht…

Die Dämonenprinz-Serie

Diese Abenteuerserie besteht aus folgenden fünf Bänden, die alle bei Heyne erschienen sind:

1) Jäger im All (1963/64, The Star King; Heyne Nr. 06/3139)
2) Die Mordmaschine (1964, The Killing Machine; Heyne Nr. 06/3141)
3) Der Dämonenprinz (1967, The Palace of Love, Heyne Nr. 06/3143)
4) Das Gesicht (1979/80, The Face, Heyne Nr. 06/4013, illustriert)
5) Das Buch der Träume (1981, The Book of Dreams; Heyne Nr. 06/4014, illustriert)

Handlung

In seiner Tasche trägt Kirth Gersen ein Stück Papier mit fünf Namen darauf. Es sind die Namen der fünf Dämonenprinzen. Sie waren für das Massaker von Mount Pleasant verantwortlich , bei dem Gersens Eltern und Freunde den Tod gefunden hatten. Nur der neunjährige Kirth und seine Großvater überlebten das Blutbad. Es hat inzwischen traurige Berühmtheit erlangt, und die fünf Aliens wurden bereits genau charakterisiert.

Inzwischen sind bereits drei Namen auf Gersens Zettel durchgestrichen. Doch dadurch nehmen die Schwierigkeiten, die sich ihm stellen, keineswegs ab. Seine Gegner sind jetzt vorgewarnt. Und immer noch weiß Gersen nicht, wie sein nächster Feind aussieht.

1. Station: Planet Aloysius (Wega-System)

Nächster auf der Liste ist Husse Bugold alias Lens Larque, ein Angehöriger des seltsamen Volkes der Darsh. Diese erscheinen, kurz gesagt, als eine übellaunige Kombination von Tuareg und Oberbayern. Die Frauen sind ebenso kratzbürstig wie die Männer und haben sogar einen prächtigen Schnurrbart, wenn sie erwachsen sind. Als Gersen auf Aloysius in eine Darsh-Kneipe geht, vorgeblich als Journalist, muss er nicht nur das unaussprechlich seltsame Essen kosten, sondern sich auch von den „Damen“ des Hauses einiges anhören. Na, vielen Dank, denkt er sich, wozu habe ich einen Assistenten? Soll der sich doch am Essen den Magen verderben und die urigen Peitschentänze der Darsh über sich ergehen lassen.

Während also der Assi Investigationsjournalismus betreibt – mit mäßigem Erfolg -, bereitet Kirth eine ausgewachsene juristische Intrige gegen Lens Larque vor. Um die Falle zuschnappen zu lassen, muss er Larque als Eigentümer eines Raumschiffes vor ein galaktisches Gericht zitieren. Dieses tagt natürlich nirgendwo anders als auf Aloysius. Kirth hat seinen großen Auftritt als galaktischer Richter. Ob das aber reicht, um eines Darsh habhaft zu werden?

2. Station: Dar Sai (Cora-System)

Inzwischen hat Kirth herausgefunden, dass Larque und dessen Strohmann Otwal in Bergbau auf Dar Sai und auf Methels Mond Shanitra investierten. Allerdings wurden ihre Aktien wertlos, als das Lagerhaus für die Abbauprodukte, wertvolle Metallerze, ausgeraubt wurde – von wem auch immer. Als Kirth sich daran macht, eben diese wertlosen Aktien aufzukaufen, werden einige Leute sehr nervös. Denn wer die Aktienmehrheit hat, wird automatisch Generaldirektor der Bergbaugesellschaft. Zu Kirths Erstaunen sind die Nervösen jedoch nicht die Darsh auf Dar Sai, sondern ihre Kolonialherren, die Methlen.

Die Methlen sind – selbst im Vergleich zu Darsh – ein extrem hochnäsiges und ehrpusseliges Pack, so dass es Kirth nicht vermeiden kann, allein durch das Ansehen eines ihrer hübschesten weiblichen Vertreter üble Sanktionen auf sich zu ziehen. Zufällig ist die schöne Jerdian aber die Tochter des wichtigsten Methlen-Bankdirektors, Chanseth. Aufgrund ihrer Autorität kann sie weiteres Übel von dem vorwitzigen Terraner abwenden.

Doch der Gegner ruht nicht. Um zu verhindern, dass Kirth die Aktienmehrheit der Bergbaugesellschaft erringt und Generaldirektor wird, setzt Larques Mittelsmann einen Killer auf ihn an. Bei einem sportlichen Wettbewerb der Darsh kommt es zum Duell auf Leben und Tod.

3. Station: Methel, Dar Sai’s Nachbarplanet

Allmählich kommt Kirth dahinter, um was es Larque wirklich geht. Aus zwei verschiedenen Quellen erfährt er, dass Larque sich auf der Heimatwelt der hochmütigen Methlen eine Villa mit Grundstück kaufen wollte. Als der Bankier Chanseth, Jerdians Vater, den potenziellen neuen Nachbar entdeckte, schwor er, alles zu tun, um zu verhindern, dass „so ein hässliches Darshgesicht über seinen Gartenzaun hängt.“ (177, 225) Und Larque entgegnete: „Zum Teufel, ich kaufe, wo es mir gefällt, und zeige mein Gesicht, wo es mir beliebt!“ Da aus dem Kauf nichts wurde, aber Larque niemals eine Kränkung ungestraft lässt, darf sich die Welt auf eine entsprechende Strafmaßnahme gefasst machen. Doch wie mag sie aussehen? (Wir werden es erst auf der allerletzten Seite erfahren.)

Um dies herauszufinden, übernimmt Kirth auf Methel die Bergbaugesellschaft Larques und lässt sofort alle Aktivitäten auf dem Mond Shanitra einstellen. Zu spät. Larque setzt seinen Plan bereits in die Tat um.

Mein Eindruck

Der vierte Band des Zyklus ist um Längen besser als die Vorgänger (siehe meine Berichte zu Band 1 und 2). Das liegt nicht nur an der Ausstattung – der Band ist illustriert – oder an dem Umfang – 280 statt 160 Seite -, sondern an der faszinierenden Schilderung fremder Welten und der sorgfältigen Ausformung des Handlungsverlaufs.

Bunte Welten

Die drei Fremdwelten verfügen nun jeweils über eine eigene fiktive Geschichte, die liebevoll ausgestaltet und mehrdimensional angelegt ist. Ihre jeweiligen Bevölkerungsbestandteile wird ebenso eingehend beschrieben, was Kultur, Sitten und Gebräuche sowie Biologie angeht. Die breite Palette der Stilmittel reicht von Lexikonzitaten über Speisekarten und historischen Heiligenlegenden bis hin zu Fußnoten. Ich habe in erzählender Literatur kaum jemals solche Fußnoten angetroffen: Sie sind mitunter fast eine ganze Seite lang!

Humor

Humor spielt endlich auch einmal eine Rolle. Dies ist meist feine Ironie, so etwa in der Schilderung der Leiden und Lügen, die eine regelmäßige Begleiterscheinung sind, wenn Terraner Darshmahlzeiten zu sich nehmen (müssen). Auch Feiglinge fehlen nicht, denn welcher vernünftige Mensch ließe sich schon freiwillig mit einem Schwerverbrecher wie Lens Larque ein?

Spannung und Action

Für Spannung ist ebenso gesorgt wie für Überraschungen. Mal ist eine Art Maskenspiel dafür verantwortlich, dann wieder entpuppt sich ein vermeintlicher Ausgestoßener als Komplize des Bösen. Dem Autor gelingt es so, den Leser ein paarmal hinters Licht zu führen – etwas, das in den ersten Bänden praktisch gar nicht vorkam. Auch Kämpfe und Agententätigkeiten kommen nicht zu kurz. Bei einem Darsh-Wettbewerb steht Kirths Leben buchstäblich auf Messers Schneide. Dass Kirth ein meister im Abhören ist, erscheint schon wieder selbstverständlich.

Romantik

Standardmäßig taucht wieder eine liebliche junge Frau auf. Diesmal heißt sie Jerdian Chanseth und ist den Angeboten Kirths gar nicht abgeneigt, zumal als er sie vor den zudringlichen Darsh bewahrt. Wie tief seien Zuneigung zu ihr sein muss, lässt sich daran ablesen, dass er sogar die superteure Villa neben dem grundstück ihres Vaters erwirbt und sich vorstellt, mir ihr einen Hausstand zu gründen. Da aber ist ihr Papi sehr dagegen! Schließlich will er kein anderes Gesicht über seinen Gartenzaun hängen sehen.

Die Relativität der Gerechtigkeit

Im dritten Akt dieses Romans gibt es eine neue Nuss zu knacken. Die Frage, die sich Kirth Gersen stellt, ist nämlich: Wie soll optimale Gerechtigkeit aussehen, wenn man es mit fremden Kulturen zu tun hat, die ihre eigenen ethischen Maßstäbe anlegen? Genügt es, ein Unrecht aus der Welt zu schaffen, indem man einen Alien-Verbrecher tötet? Oder gibt es weitere Beweggründe? Wie sich zeigt, ist „Gerechtigkeit“ auch für Gersen ein höchst relativer Begriff, besonders dann, wenn er selbst betroffen ist.

Das ist ein recht ungewöhnlicher Schluss für einen Jugendroman: Meist bestraft der Vertreter des „Guten“ den des „Bösen“ ohne Wenn und Aber. In diesem Roman bleibt es nicht dabei: Auch das Opfer des Verbrechers wird bestraft. So kann dieser seine Rache vollziehen.

Unterm Strich

„Das Gesicht“ ist ein so vielseitiger Unterhaltungsroman für Leser um die 15 Jahre, wie man ihn sich nur wünschen kann. Spannung, Action, Romantik und Humor überdecken nicht die liebevoll ausgeführte Schilderung der fremden Welten, sondern stützen und ergänzen sie, so dass sich ein harmonisches Ganzes ergibt.

Die Übersetzung

Der Heyne-Verlag ließ von die Übersetzung von einer der besten deutschen Übersetzerin anfertigen: Lore Strassl ist eine der fleißigsten Sprachkünstlerinnen im phantastischen Genre. In „Das Gesicht“ kann man unzählige Male ihr Feingespür für Nuancen des Deutschen (!) bewundern. Das ist saubere Arbeit.

Die Illustrationen

Das vierfarbige Titelbild stammt von Michael Pfeiffer. Es zeigt das Gesicht eines offenbar nicht ganz menschlichen Wesens, das aber deutlich menschliche Merkmale wie etwa zwei blaue Augen, eine lange, schmale, gerade Nase und einen feinen Mund verfügt. Es wird von wallendem Haar umgeben, das sich in bläulichen Schnörkeln verliert. Die Stirn ist gekrönt von einer blauen Kugel, die sich zwischen den buschigen Augenbrauen eingenistet hat.-Der Stil des Bildes ist recht romantisch, denn Ecken und Kanten fehlen völlig. Lediglich die realistisch gestalteten Details verwirren etwas.

Die Zeichnungen im Text stammen von Hubert Heinz. Sie stellen jeweils eine oftmals dynamische Situation dar, die in der Erzählung geschildert wird. Ein unübersehbares Merkmal der dargestellten Figuren (meist Männer) sind ihre breiten, sehr knochigen Gesichtszüge. Dieser keineswegs unrealistische Stil plastischer Darstellung steht im Widerspruch zur Titelillustration. Man kann davon halten, was man will, aber diese Kombination wirkt seltsam und wenig gelungen.

Leider taucht die gleiche Kombination im folgenden Band wieder auf: „Das Buch der Träume“.

Der Autor

Jack Vance wurde 1916 in San Francisco geboren und wuchs im idyllischen San Joaquin Valley auf. Das prägte seine Liebe für das Land, die selbst in abgewandelten Polizeithrillern wie der „Dämonenprinz“-Serie immer wieder aufscheint.

Vance studierte Bergbau, Physik und schließlich Journalismus. Im 2. Weltkrieg war er Matrose bei der Handelsmarine und befuhr den Pazifik. Er wurde auf zwei Schiffen Opfer von Torpedoangriffen. Ansonsten weiß man wenig über ihn: Er lebt in Oakland, liebt alten Jazz, spielt Banjo und bereist unermüdlich die Welt.

Seine Karriere begann 1945 mit der Story „The World Thinker“ in dem Magazin „Thrilling Wonder Stories“. Bis 1955 schrieb er abenteuerliche Science Fiction, bereits durch farbig geschilderte Schauplätze und spannende Handlungsbögen auffiel. Es war das Goldene Zeitalter der Magazin-Science Fiction. 1950 wurde sein erstes und berühmtestes Buch publiziert, der Episodenroman „The Dying Earth“. Die Episoden spielen in einer fernen Zukunft, in der die Wissenschaft durch Magie abgelöst wurde. Dadurch spannt sich die Handlung zwischen reiner Science Fiction und einer Spielart der Fantasy, die nicht ganz von der Logik aufzulösen ist. Herstechende Stilmerkmale sind bereits die Ironie in Sprache, Handlungsverlauf und Figurenbeschreibung, aber auch schon der Detailreichtum darin. In der Science Fiction wurde Vance selbst zu einem „world thinker“, der exotische Kulturen mit ulkigen Bräuchen und Sitten erfand, so etwa in der wunderbaren Novelle „Die Mondmotte“ (Musik als eine Form der Kommunikation).

Vance schrieb ab 1957 etwa ein Dutzend Kriminalromane, darunter auch unter dem bekannten Pseudonym Ellery Queen. Er bekam sogar für einen Roman, „The Man in the Cage“, einen Edgar verliehen. Dieser kriminalistische Einschlag findet sich in mehreren von Vances Hauptfiguren wieder, darunter bei den galaktischen Spürhunden Magnus Ridolph, Miro Hetzel und Kirth Gersen. Gersen ist der Held der Dämonenprinz-Serie, der Rache an fünf grausamen Sternkönig-Aliens nimmt.

Vances Stärke ist sein Prosastil. Er baut in wenigen beschreibenden Detail eine Atmosphäre, eine Stimmung auf, die er dann immer wieder mit wenigen Schlüsselwörtern aufrufen kann. Insofern ist Vance, fernab von jeglicher Hard SF, der farbigste und barockeste Autor im Genre, dessen charakteristische Sprache in jedem beliebigen Absatz erkennbar ist. Leider verstand es in seinen Werken bis in die 80er Jahre nicht, eine Geschichte durch eine Konstruktion zu stützen, die wenigstens eine kompletten Roman getragen hätte: Er schrieb meistens Episodenromane oder Fix-up-Novels. In ähnlicher Weise ließ auch sein Interesse an Fortsetzungen nach , so dass spätere Romane in einer Serie in der Regel schwächer ausfielen als der Anfangsband.

Vance hat die Kunst der Namensgebung zu wahrer Meisterschaft getrieben: Seine Namen sind phantasievoll und haben stets den richtigen Klang. Ich weiß, woher er seine Einfälle nimmt: aus dem Mittelalter, aus exotischen Kulturen der Erde oder sonstwoher. Im 1. Band der Dämonenprinz-Serie sind dies beispielsweise die Namen „Attel Malagate“, „Lugo Teehalt“ und „Hildemar Dasce“.

Da Vance aber kein einziges Buch geschrieben hat, das ihn durch seine Thematik weltberühmt gemacht hätte – so wie es George Orwell mit „1984“ gelang -, ist er immer ein Geheimtipp, ja ein Kultautor der Science Fiction-Szene geblieben. Das bedeutet nicht, dass vance unkritisch oder unaktuell gewesen sei: Er griff Themen wie Religion, Sprachwissenschaft, Social Engineering und Ökologie auf, um nur ein paar zu nennen.

Taschenbuch: 287 Seiten
Originaltitel: The face, 1980
Aus dem Englischen von Lore Strassl.
ISBN-13: 9783453309524

www.heyne.de

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