Frauen in Männerberufen müssen sich häufig stärker behaupten als ihre männlichen Kollegen. Im Falle von Julia, der Protagonistin von Sabina Altermatts Buch „Bergwasser“, ist das genauso. Die Männer auf der Tunnelbaustelle trauen ihr nicht nur zu, als Ingenieurin einen guten Job zu machen. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wird Julias Ankunft von mehreren Ereignissen überschattet …
Die Ingenieurin Julia Jansen wird in die Schweizer Alpen beordert. Eine der Tunnelbohrmaschinen, die ihre Firma herstellt, hat mitten in den Schweizer Alpen den Geist aufgegeben. Als sie im Lager ankommt, bläst ihr ein eisiger Wind entgegen. Die Arbeiter glauben fest daran, dass eine Frau im Berg Unglück bringt; die Baustellenleiter zweifeln daran, dass eine zierliche Frau wie sie die riesige Tunnelbohrmaschine reparieren kann.
Die Maschine kann Julia wieder flicken, aber die seltsamen Vorfälle, die die Bauarbeiten schon länger begleiten, hören nicht auf. Julia wird angegriffen, Wasser dringt in den Berg ein, ein weiterer Arbeiter stirbt. Und dann finden sie im Berg auch noch eine Leiche. Die junge Frau beginnt Nachforschungen auf eigene Faust anzustellen. Das sieht nicht jeder gerne …
Altermatt verzichtet in ihrem kurzen und knackigen Krimi auf ein verzwickte, nebenhandlungsreiche Handlung. Sie erzählt gradlinig und hauptsächlich aus der Perspektive einer normalen Figur, nicht aus der eines Ermittlers. Der Bergbau bietet dabei einen interessanten, nicht alltäglichen Hintergrund. Die Baustelle ist schöne Kulisse, die Altermatt gekonnt auf einige wichtige Punkte reduziert anstatt ein breites Panorama des Tunnelbaus zu zeichnen.
Weil sie viele Dinge auf einmal anschneidet, wirkt die Handlung manchmal etwas konstruiert. Die Autorin bringt einige abgenutzte Motive in ihre Geschichte ein – die an dieser Stelle nicht erwähnt werden sollen, um potenziellen Lesern nicht die Spannung zu versauen. So schlimm, dass man das Buch nicht mehr lesen möchte, ist es nämlich nicht. Altermatt verliert sich nicht in diesen abgenutzten Motiven. Sie erzählt zügig und animiert den Leser zum Mitraten. Sie präsentiert genug Menschen, die sich verdächtig benehmen und lässt den Leser seine eigenen Schlüsse ziehen.
Dabei schaut er durch die Augen der Hauptfigur. Julia ist eine interessante, gut ausgearbeitete Protagonistin, der man gerne folgt. Altermatts Schreibstil ist einfach, trocken und präzise. Dass das Buch nur 221 Seiten hat und sich schnell liest, hängt auch damit zusammen, dass die Autorin die große Kunst des Schreibens beherrscht: Sie schafft es, mit wenigen, aber den richtigen Worten eine Geschichte zu spinnen und Spannung aufzubauen.
In der Summe ist „Bergwasser“ ein netter Krimi, der sauber erzählt wird, aber die Erwartungen an die Handlung nicht alle erfüllt. Trotzdem ist das Buch kurzweilige Lektüre – in einem interessanten, ungewöhnlichen Setting.
Taschenbuch: 221 Seiten
ISBN-13: 978-3492303538
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