Ein Indianer als Gefährte: Showdown mit der Hollywoodmafia
Der Schauspieler Jumbo Nelson wird der Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Frau verdächtigt. Von Anfang an wirkt der Fall für die Kripo etwas oberfaul, und deren Chef bittet Spenser um die Ermittlung. Obwohl die Lage für Jumbo nicht gut aussieht, dauert es nicht lange, bis er Spenser, den Ermittler seiner Verteidigerin, feuert – und die Verteidigerin gleich mit.
Im Verlauf der Ermittlung lernt Spenser Jumbos Leibwächter kennen, einen jungen, einst Football spielenden Indianer namens Zebulon Sixkill, einen Cree-Indianer. Auch Sixkill wird von Jumbo gefeuert, nachdem Spenser seinen Leibwächter zu Boden geschickt hat. Doch Spenser schmiedet mit dem Indianer eine Allianz gegen Jumbo und dessen mafiöse Hintermänner. Der Ärger lässt nicht lange auf sich warten…
Der Autor
Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.
Die Spenser-Reihe (mit 39 Titeln die bei Weitem umfangreichste Reihe)
1) Widow’s Walk
2) Potshot
3) Hugger Mugger
4) Walking Shadow
Und viele weitere.
Jesse-Stone-Krimis (mittlerweile komplett übersetzt):
1) Night Passage (1997)
2) Trouble in Paradise (1998)
3) Death in Paradise
4) Stone Cold (2003)
5) Stranger in Paradise (2008)
6) Sea Change
7) High Profile
Die Sunny-Randall-Reihe (unübersetzt)
1) Family Honor
2) Perish Twice
3) Shrink Rap
4) Melancholy (2004)
5) Blue Screen (2006)
6) Spare Change (2007)
Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten Chandler-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.
Handlung
Martin Quirk, der Chef der Bostoner Mordkommission, bittet Spenser, den Fall Jumbo Nelson zu übernehmen. Es handelt sich um einen Filmstar, der verdächtig wird, das 20-jährige Groupie Dawn Lopata in seinem Hotelzimmer beim oder nach dem Sex erwürgt zu haben. Die Medien haben Nelson bereits verurteilt und üben großen Druck auf Quirks Chefs aus, so etwa auf den Polizeipräsidenten. Spenser muss keine solche Rücksicht nehmen und kann die Wahrheit herausfinden, hofft Quirk. Er veranlasst, dass Nelsons Verteidigerin Rita Fiore den Privatdetektiv anheuert.
Denn obwohl es so aussieht, als ob der dem Alkohol, Sex und Drogen zusprechende Schauspieler das Groupie Dawn Lopata auf dem Gewissen habe, hegt Quirk seine Zweifel. Nelson will nach dem Sex aus dem Bad zurückgekommen sein und sie tot auf dem Bett aufgefunden haben. Spensers erster Versuch, Nelson zum Reden zu bringen, endet in gegenseitigen Drohungen und Beleidigungen. Wenig später feuert Nelson nicht nur Spenser, sondern auch die Verteidigerin Rita Fiore.
Der Indianer
Nelsons Leibwächter Zebulon „Z“ Sixkill, ein Cree-Indianer, ist ein anderes Kaliber. Mit ihm kann Spenser eine Beziehung aufbauen, allerdings muss er ihn erst einmal vor Nelsons Augen K.O. schlagen. Nelson feuert Sixkill auf der Stelle, doch dieser wendet sich an Spenser. Mit dem Hintergedanken, dass der Leibwächter des Verdächtigen doch etwas von Dawn Lopatas Ableben gesehen haben muss, nimmt sich der Detektiv des nunmehr arbeitslosen Indianers an.
Wie sich zeigt, sind die Regeln, nach denen sie leben, recht ähnlich. Nach einigen Wochen des Lauf- und Boxtrainings kommt der alkoholsüchtige Indianer allmählich wieder auf die Beine. Aber Spenser fragt ihn immer noch nicht, was Sixkill weiß. Das gehört zu den Regeln: Sixkill muss selbst dafür bereit sein. Er muss herausfinden, dass Spenser es wert ist, diese wichtige Information zu bekommen.
Leute im Hintergrund
Und deshalb hört Spenser auch nicht auf, woanders herumzuschnüffeln, etwa in der Familie der Toten und an der Westküste, woher Nelson stammt. Ein Anruf bei seinem befreundeten Mafioso del Rio in Los Angeles enthüllt, dass die Firma, für die Nelson arbeitet, ihn mit Haut und Haar in der Hand hat und mit seinen Filmen schmutziges Geld wäscht. Einen solchen Goldesel will sie sich natürlich nicht wegnehmen lassen und schickt deshalb zwei Schlägertypen nach Boston, um Spenser Manieren beizubringen.
Da geraten sie aber an den Richtigen. Die zweite Riege von Abgesandten – es sind bereits vier – meint, es mit Spenser und Sixkill aufnehmen zu können. Auch das erweist sich als Irrtum. Folglich muss der dritte Einschüchterungsversuch wirklich ernstgemeint sein. Nelsons Eigentümer schicken einen gefürchteten Killer. Können es Spenser und Sixkill mit Stefano aufnehmen?
Mein Eindruck
Mit diesem letzten Spenser-Krimi lernen wir einen neuen Partner des Detektivs kennen. Während Hawk irgendwo in Asien rumschwirrt, hat Zebulon Sixkill Gelegenheit, dessen Platz einzunehmen. „Z the Cree“ erzählt in kursiv gesetzten Passagen seine eigene Geschichte (bei Hawk bekamen wir dessen Geschichte nur häppchenweise geboten). Er stammt wie Spenser selbst aus der Gegend von Wyoming (Spenser wurde in Laramie geboren) oder Montana und wuchs in einer Reservation auf.
Sixkills Geschichte
Seinen Ausbruch von dort schaffte er durch Sport, und zwar durch Football. Ein Scout entdeckte ihn und brachte ihn an die Westküste. Nach ein paar erfolgreichen Jahren lernte der hochgewachsene Läufer und Footballer in Lucy eine Blondine vom Cheerleader-Typ kennen – sein Traum des sozialen Aufstiegs scheint sich erfüllt zu haben. Doch mit Lucy kommen auch die Drogen in sein Leben. Anabolika muss er schon wegen seines Managers nehmen, doch nun kommen auch noch Alkohol und Kokain hinzu. Er schlafft ab und bekommt bald die Quittung: den Rauswurf.
Nur Jumbo Nelson hat er es zu verdanken, dass er vom Türsteher zum Leibwächter aufsteigt. Aber auch hier bekommt er Alkohol und Drogen, so dass von einer guten Kondition keine Rede sein kann. Das erkennt er, als Spenser ihn mit nur ein, zwei Haken auf den Asphalt schickt. Spenser muss Sixkills Kondition und Ego wieder aufbauen. Nicht dass er ihm dies schuldig wäre, doch der Indianer bittet ihn herzlich darum. Er bedankt sich schließlich dafür, indem er seinem neuen Kumpel die Geschichte von Dawn Lopatas letzter Nacht erzählt.
Dawn Lopata
Keine Bange, ich werde nicht verraten, auf welche Weise Dawn ihr Leben verlor. Aber etwas an der ganzen Zusammenkunft kommt Spenser doch merkwürdig vor – und vor allem auch der Psychotherapeutin Dr. Susan Silverman, Spensers Lebensgefährtin: Dawn lebte wie seinerzeit Susan im Vorort Smithfield, und von dort gibt es keinen Bus nach Boston, weil alle Auto fahren. Wie also gelangte Dawn in der fraglichen Nacht nach Boston in Nelsons Hotel?
Die Typen, mit denen Dawn nach der Highschool herumhing, wissen es nicht. Nur, dass Dawn definitiv kein Auto besaß. Sie wohnte ja noch bei ihren Eltern, einer Hausfrau und einem Versicherungskaufmann. Doch der Türsteher des Hotels bemerkte, dass sie in einem maronenfarbenen Cadillac kutschiert wurde. Und solch ein Nobelschlitten gehört ihrem Vater, der sehr auf Statussymbole achtet. Ihr Vater wurde auch im Gespräch mit Jumbo Nelson und dessen Produzenten gesehen. In Spenser steigt ein finsterer Verdacht auf: Hat Dawns eigener Vater sie für eine Versicherungspolice an Nelson verkuppelt?
Dies wäre nicht das erste Mal, dass der Autor die Eltern von Vorstadtkindern kritisiert. Schon die Eltern seines Ziehsohnes Paul Giacomin sind alles andere als Musterbeispiele (in „Early Autumn“ und „Pastime“), und auch in „God save the child“, einem der frühesten Spenser-Krimis, ist die Vorstadt alles andere als ein Paradies für Kinder. Dawn Lopata suchte, wie April Kyle (in „Ceremony“ und „Taming a Sea-Horse“), Sex als Weg zur Selbstbestätigung und Anerkennung. Leider geriet sie bei Nelson an den Falschen.
Jumbo Nelson
Schon etliche Male hat Robert B. Parker das Filmgeschäft ins Visier genommen, von „Stardust“ (1990) bis „Blue Screen“, einen Sunny-Randall-Krimi aus dem Jahr 2004. Stets erschienen die Schauspieler wie Prostituierte ihrer Produzenten und Agenten, die als Zuhälter fungieren und ihre „Pferdchen“ mit Alkohol und Rauschgift gefügig halten. Dementsprechende emotionale Wracks sind die Schauspieler denn auch – und Nelson bildet diesbezüglich keine Ausnahme.
Hollywood-Mafia
Das Motiv der Geldwäsche in Hollywood taucht bereits 1981 im Spenser-Krimi „A Savage Place“ auf, wo die Reporterin Candy Sloan im Film-Milieu recherchiert. Entsprechend viele Finsterlinge, Strohmänner und Hintermänner gibt es im Business. Die Mafia kassiert immer ab, und wer ihr die Butter vom Brot nehmen will, bekommt dies auf die harte Tour zu spüren. Daher schicken Nelsons Eigentümer ihm dreimal Schläger und Killer auf den Hals. Und Spenser weiß dies geschickt zu nutzen, um Nelson fertigzumachen und zum Reden zu bringen.
Showdown
Aber kann Spenser diesem Indianer aus der nördlichen Prärie wirklich trauen, wenn es um sein Leben geht? Stefano der Killer ist kein Typ, bei dem sich ein Kämpfer Risiken und Nachlässigkeiten erlauben kann. Der Showdown findet mitten in der Nacht in einem finsteren Rohbau statt – ein Labyrinth, in dem sich die fünf Kämpfer beschleichen wie in einer großen Höhle. Sixkill, stets der Indianer, zieht das leise Messer dem Revolver vor. Es ist Spenser vorbehalten, Stefano, den selbstsicheren Killer, zu überlisten. Das ist wirklich spannend und actionreich geschildert.
Indianer
Sixkill, der Cree, findet in seiner Bekanntschaft mit Spenser und Susan Gelegenheit, die zu erwartenden Reibereien zwischen Weißen und Indianern zur Sprache zu bringen. Die Vergangenheit lebt ja schließlich weiter im Gedächtnis der Völker. Wie könnte ein Indianer es ignorieren, dass der weiße Mann alle Büffel getötet, sämtliches Land geraubt und alle Indianer eingesperrt hat?
Doch Sixkill ist nicht allzu nachtragend oder gar verbissen. Die Tage für Vergeltung sind längst vorüber. Die Kabbeleien zwischen ihm und Spenser sind humorvoll, ironisch und sarkastisch – eine wahre Freude für Freunde des geschliffenen Dialogs. Indirekt kritisiert der Autor das von Hollywood kolportierte Indianerbild als ebenso verlogen wie die Behandlung seiner Schauspieler.
Der Alte Westen
Und das bietet uns Gelegenheit, Parkers Darstellung von Indianern in seinen Western als Vergleich heranzuziehen. Ganz besonders in „Brimstone“ und „Blue-eyed devil“ spielen die Indianer eine zentrale Rolle. In den letzten zehn Jahren ist das Bild der Weißen vom Alten Westen – nicht zuletzt durch das wiedererwachte Interesse am Western – durch revisionistische Geschichtswissenschaft erheblich überarbeitet worden.
Eine der großen Entdeckungen dieses Vorgangs ist das Empire der Comanche im Südwesten der USA – siehe dazu meinen Bericht über das Sachbuch „Empire of the Summer Moon“ von S.C. Gwynne. Viele der traditionell mit Indianern verbundenen Mythen werden nun als Fiktionen der amerikanischen Geschichtswissenschaft entlarvt. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Mythen des Alten Westens auf produktive Weise zu nutzen, wie es schon Jim Jarmusch in „Dead Man“ (mit Johnny Depp) getan hat.
Unterm Strich
In seinem letzten Spenser-Krimi (Nr. 39 – und nicht etwa 40, wie es manchmal zu lesen ist) verbindet Parker das gewohnte Muster mit einem Element, das er seinen erfolgreichen Western um das Gesetzeshüterpaar Cole und Hitch entliehen hat: einem Indianer, der keineswegs den Hollywood-Klischees entspricht. Der Cree Zebulon Sixkill war schon ein erfolgreicher Footballspieler, bevor er den in diesem Milieu grassierenden Drogen verfiel und alles wieder verlor – das Ende des American Dream, der nur den Erfolgreichen belohnt.
Die Zusammenarbeit mit Spenser gibt dem gefeuerten Alkoholiker Sixkill Gelegenheit, sich vor den Augen der Welt und sich selbst gegenüber zu bewähren und zu rehabilitieren. Wenn er mit Spenser zusammen gegen die Hollywood-Mafia besteht, ist er qualifiziert zu neuen Unternehmungen. Und Spenser hat einen neuen Freund, der den abwesenden Hawk vollwertig ersetzt.
Meine Lektüre
Ich habe den Krimi in nur wenigen Tagen gelesen, wie immer mit großem Vergnügen. Allerdings dauerte es diesmal etwas länger, denn auch wenn die Story geradlinig ist, so werden doch etliche Themen aufgegriffen, die Parker und Spenser am Herzen liegen. Deshalb dauert es einige Zeit, bis das Geheimnis um Dawn Lopatas Ableben von Sixkill enthüllt wird. Und noch ein wenig länger muss der Leser warten, bis der finale Showdown stattfinden kann – nämlich dann, wenn Spenser sämtliche Trümpfe in der Hand hat.
Die romantischen Szenen mit Susan Silverman sind so erotisch und mit hintersinnigem Dialog aufgeladen wie immer seit „A Catskill Eagle“. Sie ist der „rebel angel“, der Spenser das Leben versüßt – und nicht mit psychologischen Einsichten geizt. Schon erstaunlich, wozu doch ein Doktorhut aus Harvard alles gut ist! Und Pearl, der Wunder-Hund, drängt sich auch diesmal zwischen das traute Paar – nicht dass die beiden noch den Verstand verlieren.
Alles in allem also eine höchst zufriedenstellende Lektüre, auch wenn man auf die Lösung und den Showdown etwas länger als gewohnt warten muss. Schön, dass auch dieser Spenser-Krimi nach nur sechs Jahren übersetzt worden ist. Damit dürfte die Reihe der Spenser-Übersetzungen bald vollständig sein – und das auch im E-Book. Da der Preis von 13 Euro für ein Taschenbuch von nur 200 Seiten ganz schön happig ist, dürfte so mancher Leser verführt sein, zum E-Book zu greifen.
Taschenbuch: 208 Seiten
Originaltitel: Sixkill
www.pendragon.de
Der Autor vergibt: