Paula Lambert – Eine Frau mit Penetrationshintergrund. Roman

Aus dem Lotterbett ins Kloster

Paula hatte sie alle: Esoteriker, High- Performer und Elektriker. Fazit: Sie kennt viele Männer, mit denen sie Sex haben kann, aber sie kennt keinen, der bei ihr bleibt. Das muss sich ändern. Gutmensch Korbinian wäre genau der Richtige, doch der findet Paula viel zu oberflächlich. Also begibt sich Paula in ein Kloster auf Sinnsuche – die tatsächlich zu einer durch und durch sinnlichen Erfahrung wird … (Verlagsinfo)

Die Autorin

Paula Lambert (* 26. April 1974 in München; eigentlich Susanne Frömel) ist eine deutsche Journalistin, Kolumnistin und Fernsehmoderatorin. Sie ist Sexkolumnistin der Männerzeitschrift GQ. Sie lebt und arbeitet in Berlin. „Das neue Lambert-Buch ist lustig, direkt und der Beweis, dass sexy klug sein kann!“, Brigitte Balance (2012).

Werke

Keine Panik, ich will nur Sex. Auf der Suche nach dem Mann für jede Lage. Heyne, München 2010, ISBN 978-3-453-60147-5.
Eine Frau mit Penetrationshintergrund. Roman. Piper, München 2012, ISBN 978-3-492-27456-2.
Keine Angst, der will nur spielen. Der Männer-Report. Piper, München 2014, ISBN 978-3-492-30020-9.
Finde dich gut, sonst findet dich keiner. Wie du lernst, dich selbst zu lieben, und dabei unwiderstehlich wirst. Heyne, München 2016, ISBN 978-3-453-60381-3.
Paula kommt. Das ehrlichste Sex-Buch der Welt! Gräfe und Unzer, München 2018, ISBN 978-3-8338-6397-4. (Quelle: Wikipedia.de)

Handlung

Paula ist Journalistin Berlin, ihre beste Freundin ist Mimi, und zusammen reißen sie laufend Männer auf. Irgendwann soll Paula doch mal den „Mann fürs Leben“ kennenlernen. Denn alle Typen sind bloß One-night Stands, keiner gratuliert ihr zum Geburtstag. Dieser unhaltbare Zustand soll sich schleunigst ändern. Und als Paula auf einer Vernissage den Arzt Korbinian Bienlein kennenlernt, scheint er der Richtige für den Rest ihres Lebens zu sein.

Mimi besorgt den Ersatzschlüssel für Korbinians Zimmerschlüssel im Hotel und Paula quartiert sich schon mal dort ein. Weil es im Zimmer so einsam ist, geht sie nochmal runter. Dort entdeckt sie auf ihrem Streifzug durch die Vernissage ein Mannsbild namens Thor und schnurstracks enden die beiden in Korbinians Zimmer. Nach diversen schweißtreibenden Leibes- und Liebesübungen entspannen sich die beiden, als Korbinian hereinschneit und gerne sein Bett benutzen würde. „Du rauchst?“, fragt er. Sie: „Eigentlich nicht.“

Ins Kloster

Nach dieser mittleren Katastrophe geht Paula in sich und beschließt, ihr wahres Ich zu finden. Die Suche kann natürlich nicht in der Hektik des Berufslebens realisiert werden. Daher geht Paula ins Kloster zu den Nonnen. Sechs Wochen sind ja nicht der Weltuntergang. Sie kommen Mimi aber so vor. Paula muss ihre beste Freundin oft und kräftig trösten. Als Paula ihr Handy am Empfang abgeben muss, hat sie selbst Trost dringend nötig, denn ohne Handy fühlt sie sich nur wie ein halber Mensch.

Die Zelle ist erwartungsgemäß spartanisch eingerichtet, das Essen auf das Nötigste reduziert. Sie wird zunächst in der Wäscherei eingeteilt, wo sie erstmals erfährt, was eine Heißmangel ist. Und ein Bügeleisen. Und dass man damit ganz viel falsch machen kann. Sie muss Pater Markus, der früher mal Offizier bei der Bundeswehr war, ganz viel beichten: alle sieben Todsünden. Als eifrige Cineastin kennt sie die Todsünden aus David Finchers Spielfilm „Sieben“. Der einzige Lichtblick ist der Gärtner mit seinem netten Lächeln und den kräftigen Muskeln. Und Schwester Franziska, eine reine Seele, mit der sie gerne romantische Filme auf DVD anschaut.

Die virtuelle Kirche

Das lässt hoffen, wie auch das Ethernetkabel, das ein weiterer Gast in einer Abstellkammer an den einzigen LAN-Anschluss weit und breit anschließen kann. Einen dafür nötigen Laptop bringt er mit, um ihr seine virtuelle Kirche vorzuführen, in 3D und ganz digital. Wie gut, dass diese Art von Kirche auch über einen Chatroom verfügt. Über ihren Mail-Account lotst sie Mimi in diesen Chatroom. Mimis Nickname lautet „Berlinermöpse“. Offensichtlich ist sie Hundeliebhaberin… Paulas Nick lautet „Kleene_Maus“. Leider sind sie beide in den seltensten Fällen allein im Chatroom, aber das sorgt für Abwechslung.

Schatzkammer

Schwester Regina, die Oberin, hatte es am Anfang von Paulas Aufenthalt erwähnt: Das Kloster besitzt eine Schatzkammer. Wo die sich befindet, darf natürlich keiner wissen, ebensowenig, was sich darin befindet. Aber eines Tages in den dunklen Stunden erspäht Paula den Gärtner, wie er um die Mauern schleicht. Als sie ihm folgt, entdeckt sie eine offene Tür, hinter der eine schmale Treppe in die Triefe findet. Paula wird aufgeregt. Menschenskind, das ist ja fast wie in „Der Name der Rose“!

Am Fuß der Treppe gelangt sie in eine enge Gruft, deren Wände mit Bücherregalen vollgestellt sind. Hier ertappt sie den Gärtner auf frischer Tat: Er hat sich eine der alten Inkunabeln geschnappt. Doch als er Paulas ansichtig wird, erscheint sie ihm als viel größerer Leckerbissen als ein altes Buch. Im nächsten Moment sieht sich Paula an eine Wand gedrängt, mit seiner Hand in ihrem Höschen. Offenbar ist er wenig wählerisch, was die Natur von „Schätzen“ anbelangt…

Mein Eindruck

Natürlich hätte sich Paula mal einen Moment der Ruhe gönnen sollen, um mal zu überlegen, wozu ein Kloster voller Frauen einen festangestellten Gärtner braucht, wenn doch Schwester Bernadettes eigene Pflanzenzucht in einem Glashaus erfolgt. Die Autorin macht daraus einen ihrer vielen Gags, der gegen Schluss für einen Lacher sorgen soll: Das Kloster hat gar keinen Gärtner, und der Lacher geht auf Kosten Pauls. Im aufmerksamen Leser kommt indes der Verdacht auf, dass dieser „Gärtner“, dem die Autorin sogar eine erotische Duschszene gönnt, pure Erfindung ist. Dieser Traummann ist das Objekt der erotischen Begierde der angenommenen Leserin.

Beobachtung

Die Erfüllung dieser Begierde wird im Kloster permanent unterdrückt. Hinter den heiligen Mauern, wo ein eklatanter Nachwuchsmangel herrscht, gilt eben noch das Gesetz von den sieben Todsünden. Diese werden auf den Prüfstand gestellt. Ist es beispielsweise so schlimm, Wollust (Sünde Nr. 7) zu empfinden, fragt sich Paula. Und was soll an Völlerei so schlimm sein, wenn frau doch jederzeit kotzen kann? Das Paula die Sünde des Zorns – siehe „Sieben“ – begeht, ist eher unwahrscheinlich, denn es gibt im Kloster keine Person, die sich als Hassobjekt eignet. Paula ist eine scharfe Beobachterin, aber die meisten Figuren sind eher harmlos, wenn auch zuweilen zwielichtig.

Inszenierung

Weil all diese Impulse und Verbote ins Leere laufen, inszeniert sich Paula selbst als Filmfigur – glücklicherweise nur in ihrem Kopf. Auf S. 205/206 ist ein erstes Beispiel für aufgesetzte Horror-Dramatik, die an Hitchcocks „Psycho“ oder einen John-Carpenter-Film erinnert: schräge Gestalten findet Paula im Koster genug.

„P. blickt vorsichtig um die Ecke. Ihre Schuhe machen schmatzende Geräusche im Schlamm, ihre Hände krampfen sich in das unschuldige Weiß ihrer Schürze und hinterlassen dort feuchte Spuren. Als sie durch das fast blinde Fenster des Hauses sieht, erkennt sie, dass das, was da drin von der Decke hängt, gar keine Schweinehälften sind. Sondern Dutzende ausgeweideter Frauen.“

Wackere Paula! Es darf gekreischt werden. Wenige Seiten später, nach der Duschszene“ folgt auf Seite 230/231 die Szene in der Schatzkammer:

„P. hört das leise Knarren der Tür in den Angeln. Ein kaum spürbarer Windhauch streift ihren Nacken wie ein Atemzug. Sie fährt herum, doch da ist niemand. Zu ihrem Entsetzen merkt sie, wie sich ihre Füße von selbst auf die geöffnete Tür zu bewegen.“

Wer jetzt nicht kreischt und sich den lackierten Fingernagel abbeißt, ist garantiert scheintot. Nun, „curiosity killed the cat“, wie jede Englischkennerin weiß, und deshalb ist ihr von vornherein klar, dass sich Paula in Gefahr begibt. So etwas wie Spannung kommt auf und ein leichter Schauder des Grusels. Beides ist fein von Paula selbst dosiert, als sie ihren Erlebnisbericht formuliert, lange nach den angeblichen Ereignissen.

Aus der ursprünglichen Sinnsuche, wie eine übersinnliche Erfahrung bzw. Inszenierung. Sinnlichkeit erfährt Paula mit dem angeblichen „Gärtner“, der offenbar ein Bock war, doch zu einer Penetration für Paulas Hintergrund – siehe Buchtitel – reicht es in keinem Fall. Alle Männer, auf die Paula im und um das Kloster herum stößt, sind als Mann gescheitert (Pater Markus), falsche Fuffziger (Gärtner) oder von vornherein hoffnungslose Fälle, etwa der Typ mit der VR-Kirche.

Daher stimmt Paula folgerichtig auf Seite 243 das Loblied auf Mimi, ihre beste Freundin, an. Aber nicht in irgendeinem beduselten Singsang, sondern als Pastiche auf Vladimir Nabokovs erprobte „Lolita“-Hymne:

„Mimi. Licht meines Lebens. Feuer unzähliger Barbesuche. Meine Sünde, meine Seele. Mimi. Die Zungenspitze macht zwei Sprünge den Gaumen hinab und tippt bei zwei gegen die Zähne. Mi. Mi. Kann man sich eine bessere Freundin vorstellen?“

Weil „Lo. Li. Ta.“ erstens viel besser klingt und zweitens viel berühmter ist, stellt Pauls Loblied auf Mimi eine erheiternde Anti-Hymne dar, die sich selbst zum Glück nicht ernstnimmt. Welche Freundin würde sich allein anhand ihres melodischen Namens zur „besten“ küren lassen?

Textschwächen

S. 139: „das Leben in Frommheit“: Üblicher ist der Ausdruck „Frömmigkeit“.

S. 272: „Wie heißt es [in] bei den Galatern Fünf-Neunzehn?“ Gemeint ist einer von Apostel Paulus‘ Briefen an die Galater. Ob man daraus „in“ oder „bei den“ zitiert, kann jeder selbst entscheiden.

S. 276: „diese hier lässt dein[n] Lungen kollabieren.“ Das N ist überflüssig.

Unterm Strich

Die Sinnsuche im Kloster hat Tradition. So etwas hat Campino auch durchgemacht. Und wenn man’s recht bedenkt, ist auch das Erwandern des Jakobswegs eine solche Sinnsuche plus Auszeit geworden. Die darüber verfasste Literatur samt Verfilmungen füllt bereits Bibliotheken. Paula, die Sucherin, muss bald feststellen, dass die Wirklichkeit des Klosterlebens viel banaler ist als erhofft. Um ihren Bericht aufzupeppen, inszeniert sie sich selbst als Opfer finsterer Mächte: die holde Jungfer, die sich in Gefahr begibt und garantiert darin umkäme, wäre nicht alles nur Schall und Rauch.

Im Vergleich zu diesem lauwarmen Level von erotisierter – statt erotischer – Unterhaltung kommt dem Leser der ersten Teil von, sagen wir, etwa hundert Seiten wie eine Tour de force vor. Sie gipfelt doch tatsächlich in einem Akt der Penetration – natürlich ist P. oben – wenn auch mit dem falschen Mann: Thor, der Übermann. Könnte es sein, dass er sich Mimi geschnappt hat, als P. nicht auf ihre Süße aufpasste? Ein Hauch von Eifersuchtsdrama kommt gegen Schluss auf, doch auch ist nur viel Wind um nichts.

Wer echte Erotik und nicht bloß deren Inszenierung sucht, ja, vielleicht sogar einen Stellungsratgeber, der wird sicher woanders fündig. Und nach wirklich ernsthaften Debatten wie #MeToo, Fridays for Future und der Querdenker-Bewegung in der Corona-Krise wirken Paulas „Abenteuer“ nur wie das Possenspiel einer Filmfigur, die denkt, sie sei eine Frau auf einer „ernsthaften“ Mission.

Taschenbuch: 285 Seiten
ISBN-13: 9783492274562

www.piper.de

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