Emmanuelle Arsan – Emmanuelle oder Die Schule der Lust (Emmanuelle 1)

Wunderwelt des Sexus in Bangkok

Emmanuelle folgt ihrem Mann Ende der fünfziger Jahre nach Bangkok und lernt dort die französische Kolonie der Diplomaten kennen. (Sie wurden vermutlich aus der verlorenen frz. Kolonie Indochina hinausgeworfen.) Weil ihr Mann nur wenig Zeit für sie hat, lässt sie sich mit anderen Frauen, Mädchen und einem mysteriösen Mann ein. Sie erfährt ihre Bekehrung zu Polygamie und Bisexualität. „Dieser erste Band des erotischen Meisterwerks wurde mit Sylvia Kristel in der Hauptrolle verfilmt…“ (Verlagsinfo)

„Emmanuelle“ war ab 1959 (s.u.) jahrelang ein französischer Underground-Bestseller und ist mittlerweile in mindestens zehn Sprachen übersetzt. Die Verfilmung durch Just Jaeckin erregte 1974 weltweites Aufsehen und führte in Paris monatelang zu langen Schlangen an der Kinokasse. In Deutschland wurde der Film sofort verboten.

Der Autor bzw. die Autorin

Emmanuelle Arsan (* 1932 in Bangkok; eigentlich Marayat Rollet-Andriane, geborene Bibidh; † Juni 2005) war eine französische Schriftstellerin thailändischer Herkunft, die als Autorin der Emmanuelle-Romane sowie der nach diesen Romanen gedrehten Filme weltweit bekannt wurde. Nach ihrem Tod wurde ihre Autorenschaft in Frage gestellt; in Wahrheit soll ihr Mann, der Diplomat Louis-Jacques Rollet-Andriane, der Autor gewesen sein.

Werke (Originalausgaben)

Emmanuelle – Eric Losfeld (klandestine Ausgabe), 1959, 308 S.
Emmanuelle L’Anti-vierge – Eric Losfeld (klandestine Ausgabe), 1960, 356 S.
Emmanuelle Livre 1 – La leçon d’homme – Paris, Eric Losfeld, Le Terrain Vague, 1967, 232 S.
Emmanuelle Livre 2 – L’anti-vierge – Paris, Eric Losfeld, Le Terrain Vague, 1968, 296 S.
Epître à Paul VI (Lettre ouverte au pape, sur la pilule) – Paris, Eric Losfeld, 1968
Emmanuelle Livre 3 – Nouvelles de l’érosphère – Paris, Eric Losfeld, Le Terrain Vague, 1969, 215 S.
Dessins érotiques de Bertrand vol. 1- Pistils ou étamines, une liesse promise – Paris, Eric Losfeld, 1969
Dessins érotiques de Bertrand vol. 2 – Paris, Eric Losfeld, 1971
Mon „Emmanuelle“, leur pape, et mon Eros – Paris, Christian Bourgeois, 1974, 219 S.
Emmanuelle Livre 4 – L’hypothèse d’Eros – Paris, Filipacchi, 1974, 287 S.
Emmanuelle Livre 5 – Les enfants d’Emmanuelle – Paris, Opta, 1975, 317 S.
Laure – Paris, Pierre Belfond, 1976, 312 S.
Néa – Paris, Opta, 1976, 264 S.
Toute Emmanuelle – Paris, Pierre Belfond, 1978, 224 S.
Vanna – Paris, Pierre Belfond, 1979, 315 S.
Emmanuelle à Rome – Toulouse, Livre d’Oc, 1979, 280 S.
Une nuit (Sainte louve) – Paris, Pierre Belfond, 1983, 352 S.
Les soleils d’Emmanuelle – Paris, Pierre Belfond, 1988, 264 S.
Emmanuelle – Paris, Robert Lafond, 1988. Version définitive
Les Débuts dans la vie – Paris, Le Grand Livre du mois, 1989, 191 S.
Valadié – Paris, Editions Lignes, 1989, 190 S.
Chargée de mission – Paris, Pierre Belfond, 1991, 201 S.
Bonheur – Les Cahiers de l’Egaré, 1993, 91 S.
Aurélie – Paris, Pierre Belfond, 213 1994, S.
La siamoise nue – Paris, Le Cercle, 2003, 552 S.

Die Reihe in deutscher Übersetzung:

• „Emmanuelle oder die Schule der Lust“ Arsan, Emmanuelle: Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1971, Neuaufl. 1995, ISBN 3-499-11825-4

• „Emmanuelle oder der Garten der Liebe“ (Emmanuelle L’Anti-vierge ); Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1976 und 2001, ISBN 3-499-26346-7

• „Emmanuelle oder die Kinder der Lust“ Arsan, Emmanuelle; Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1995, ISBN 3-499-14014-4

• „Emmanuelle oder die Liebe zur Kunst“ Arsan, Emmanuelle; Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1989, ISBN 3-499-12608-7

• * (ein Essay-Band) „Von Kopf bis Fuss Emmanuelle“ Arsan, Emmanuelle; Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 2002, ISBN 3-499-26394-7

Über die Auftritte der Figur Emmanuelle hat die deutsche Wikipedia einen umfangreichen Artikel, der alle Filme auflistet: https://de.wikipedia.org/wiki/Emmanuelle.

Handlung

Emmanuelle, eine junge und empfindsame Pariserin, ist gerade mit einem französischen Diplomaten in Bangkok verheiratet, der dem süßen Leben frönt. Die Ehe könnte man wohl mit Fug und Recht als „offen“ bezeichnen. Denn in der exostisch verzauberten Welt von Thailand Ende der fünfziger Jahre durchlebt die noch relativ unerfahrene Emmanuelle in den Armen zahlreicher Partner beiderlei Geschlechts eine stürmische „Schule der Lust“.

Emmanuelle bemüht sich zunächst, den mutmaßlichen Wünschen ihres Gatten gerecht zu werden. Sie verfällt dem Charme eines italienischen Päderasten namens Mario, von dem sie annimmt, dass er sie die „Geheimnisse des Eros“ lehren kann, um dadurch das werden zu können, was sie als „echte Frau“ bezeichnet. Schließlich ist Emmanuelle in der Lage, sich mit einem männlichen Substitut ihres Gatten einzulassen, einem Asiaten.

Mein Eindruck

Der Roman bietet eine paar sehr schön und einfühlsam geschilderte Liebesszenen, besonders zwischen Frauen. Liebesszenen gibt es zuhauf, doch erscheinen sie nicht irgendwie als Selbstzweck oder unschön, sondern sind in der Regel – nicht immer – voll Grazie und Schönheit. Von der Heldin des Buches meinte die Autorin: „Emmanuelle ist nicht wie ich, sie ist auch nicht mein siamesischer (!) Zwilling, sondern so, wie ich mir meine Tochter wünschte.“ Doch dann nimmt die Geschichte einen härteren Verlauf, als Emmanuelles Mentor Mario sie dazu bringt, sich zu prostituieren, Analverkehr zu praktizieren und einen flotten Dreier zu testen.

Erotismus

Der wirkliche Star des Buches ist die erotische Philosophie der Endfünfziger, wie sie vor allem von Mario dargelegt wird, insbesondere in dem Kapitel mit dem Titel „Das Gesetz“. Ein bisschen gewaltsam und kindlich – und vielleicht gerade deshalb so charmant – öffnen Marios Lehren das Fenster auf Horizonte, wo der moderne Geist über die Natur triumphiert. So vertritt Emmanuelle Arsan die Gegenposition dessen, was beispielsweise D.H. Lawrence verkündete, und nähert sich hier in gewisser Weise der Haltung Baudelaires. Zugleich entfernt sie sich vom Erotismus, wie ihn Georges Bataille mit seiner Theorie des Obszönen vertrat.

„Bei Arsan ist der Erotismus optimistisch, strahlend, leuchtend, vergleichbar einem Monument zum Ruhme des vom Erdenschlamm und von der uralten Knechtschaft befreiten Menschen“, schreibt André Pierre de Mandiargues, ebenfalls ein fleißiger Autor von Erotika. Diese positive Auffassung und gelungene Vermittlung des Eros trägt vielleicht noch heute dazu bei, dass „Arsans“ Romane weiterhin großen Erfolg genießen. Bei Rowohlt und Wunderlich sind immer noch die frühen Bücher aus den Siebzigern lieferbar, da sie seit 1995 und 2000 neu aufgelegt wurden.

Literarische Qualität

Während manche Leser die freizügigen Schilderungen des Buches schockierend finden mögen, vermag der Bestseller doch eine reichhaltige Bilderwelt und große Detailkenntnisse vorzuweisen, die das Buch selbst noch viele Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung beeindruckend und reizvoll erscheinen lassen. Ich persönlich halte die Werke von Anais Nin für literarisch geschulter und kunstvoll – kein Wunder, denn die Nin verkehrte mit den wichtigsten literarischen Neuerern ihrer Zeit, darunter Henry Miller und Antonin Artaud, ein Surrealist.

Unterm Strich

Die Verfilmung ist im Vergleich zu dem, was heute im Internet geboten wird, so harmlos, wie ein 48 Jahre alter Softporno eben nur sein kann. Die Buchvorlage ist jedoch ein anderes Kaliber. Als ich mir damals mir roten Ohren das Buch im Laden besorgte, stürzte ich mich sofort in die Lektüre, da ich den Film gesehen hatte – nachdem der Staatsanwalt ihn endlich freigegeben hatte. Die ersten paar Szenen sind harmlos: Die Heldin wird im Flieger gleich zweimal verführt, hat lesbischen Sex mit einer älteren, dann mit einer jüngeren Frau – und natürlich mit Männern. Sie ist eben bisexuell und zu Experimenten aufgelegt.

Schluss mit lustig

Doch im sechsten und letzten Kapitel ist Schluss mit lustig. Nachdem sie sich auf Marios Ermunterung hin fremden Männern hingegeben hat, lässt sich die Heldin dazu überreden, es mit zwei Männern zugleich zu treiben. Der Italiener Mario und der siamesische Sam-Lo nehmen sie in ihre Mitte und nehmen sie gleichzeitig. Das scheint echt das höchste Glück auf Erden zu sein und soll meilenweit von Batailles Obszönität entfernt sein, behauptet Mandiargues.

Doch in Wahrheit unterscheidet Emmanuelle nichts von Madame Edwarda (1941) oder von O (1956), die sich, um vollkommene Lust zu erfahren, ihrer Persönlichkeit, ihrer Menschlichkeit entledigen. Was in den 1970er Jahren von einem männlichen (!) Autor (s.o.) als „Befreiung der Frau“ verkauft wurde, war in Wahrheit ihre endgültige Versklavung, zumindest jedoch ihre Ausbeutung in medialer Form.

Taschenbuch: 270 Seiten
Originaltitel: Emmanuelle, 1970;
Aus dem Französischen von Henri Holz-Fay.
ISBN-13: 9783499262920

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 3,00 von 5)