Crisse, Didier / Keramidas, Nicolas – Luuna 1: Die Nacht des Totems

_Story_

Luuna, die Häuptlingstochter der Paunamoks, steht vor ihrer bislang größten Ehrerbietung. Der Rat ihres Stammes ist sich einig, dass die hübsche junge Dame endlich ihrem Totem begegnen soll, und sendet sie in einer verheißungsvollen Nacht in den Wald aus. Jedoch avanciert diese Prüfung alsbald zu einem bitteren Akt; noch bevor die Unterredung mit dem Herrn des Schicksals über ihren persönlichen Werdegang und ihr Totem stattfinden kann, tauchen Abgesandte des Unkui auf, um die Zeremonie zu manipulieren.

Machtlos ergibt sich der Wächter des Waldes dem gewaltigen Unkui und schließt einen Pakt, demzufolge Luuna fortan einen finsteren und einen leuchtend weißen Totem an ihrer Seite führen soll. Dieses unverhoffte Schicksal bringt sie jedoch in einen Zwiespalt; eine Rückkehr zu ihrer Familie scheint unter diesen Bedingungen ausgeschlossen, also beschließt sie, den weisen Hirschen Kauyumari nach Rat zu fragen. Doch wiederum greifen die Krieger des Unkui ein, um die Nacht, wie bereits angekündigt, zu seinem Freudenfest zu machen. Dieses Mal jedoch setzen sich Luuna und ihre treuen Gefährten zur Wehr, bezahlen dies jedoch mit einem Preis, der Luuna bereits in der ersten Nacht auf die Seite ihres bösen Totems schlägt. Hat der Unkui bereits Besitz von ihr ergriffen?

_Persönlicher Eindruck_

Didier Crisse ist Comic-Freunden im Allgemeinen und Verfechtern der hochwertigen Ausgaben des |Splitter|-Verlags im Speziellen als Visionär unter den franko-belgischen Künstlern bekannt. Zuletzt verzauberte er sein Publikum noch mit Serien wie „Ishanti“ und „Canari“ und der leider nach wie vor nicht abgeschlossenen Antike-Reihe „Atalante“.

Nun wagt er sich gemeinsam mit seinem neuen Zeichner Nicolas Keramidas an eine neue Fantasy-Serie heran, die einerseits zwar seinen teils jugendlich-naiven Stil beibehält, andererseits aber auch regelmäßig mit übergreifenden Genres kokettiert. „Luuna“ ist nicht nur der Titel dieser Serie, sondern zugleich auch – man ist es in dieser Form nicht anders gewohnt – der Name der Protagonistin, die einmal mehr als einflussreiche Tochter einer bedeutsamen Person ins Abenteuer zieht und (selbst das kennt man von Crisse) sich bei weitem noch keine Vorstellung von den Konsequenzen ihrer Mission machen kann.

Grob betrachtet breitet der beliebte Autor also weitestgehend bekannte Strickmuster aus und leitet einen Teil der Story aus mehr oder weniger deutlichen Zitaten vorhergegangener Werke ab. Insbesondere die Rollenverteilung erscheint in diesem Zusammenhang mal wieder prägnant, da die Szenerie zum größten Teil von Außenseitern und vermeintlichen Anti-Helden gesäumt wird, die jedoch in ihrem wechselseitigen Zusammenspiel erstaunlich gut harmonieren – zumindest, wenn man die teils ungewöhnlichen Züge ins Visier nimmt, welche die Handlung vor allem im zweiten Teil der Debütausgabe „Die Nacht des Totems“ durchlebt.

An dieser Stelle setzt dann auch die Kritik an, die sich einerseits mit dem erweiterten Verwirrspiel beschäftigt, das den stringenten Plot auseinanderreißt, sich andererseits aber auch der immer schwerer wiegenden Ziellosigkeit widmet, mit welcher die Story bisweilen zu kämpfen hat. Nach den vielversprechenden Anfängen und der kurzen, jedoch markanten Charaktereinführung beginnt Crisse nämlich, auf inhaltlicher Basis zu schwimmen. Die verschiedenen Stränge und die Vielfalt der zunächst schwer zuzuordnenden Figuren sorgen erst für Verwirrung, später dann für den Mangel an Linearität, der dem Plot stellenweise auch die Spannung raubt. Der Autor ist bemüht, in vergleichsweise wenigen kleinen Kapiteln ein breit gefächertes Comic-Gebilde zu konstruieren, bleibt dabei anfangs auch auf einem guten Weg, überfrachtet die Story schließlich aber mit den zahlreichen Wendungen, indem er das Erzähltempo über die eigentliche Geschwindigkeit der zumutbaren Eindrücke und Bilder hinwegsetzt – und genau dieser Punkt trübt den Genuss mit wachsender Lesedauer gewaltig.

Dennoch darf man gewissermaßen auf die Fortsetzung gespannt sein, zumal die eigentliche Basisidee äußerst ansprechend ist und Crisse auch trotz der genannten Schwächen ein fantastischer Geschichtenerzähler bleibt. Weiterhin bedingt durch den unterschwelligen Humor, der die Handlung durchzieht, und die sympathische, märchenhafte Atmosphäre ist „Die Nacht des Totems“ daher dennoch ein ganz anständiger, in vielerlei Hinsicht aber definitiv ausbaufähiger Comic und somit auch fernab vom Status eines Crisse-Meisterwerks. Dies lässt sich allgemein auch für die gewöhnungsbedürftigen, schlichten Illustrationen anführen, die nicht zu den besten Kooperationswerken des Urhebers gehören. Aber letztendlich überwiegt doch irgendwie der Charme, der die Protagonistin begleitet, ihren Charakter ausmacht und schließlich ein halbwegs positives Resümee hervorlockt. Jenes allerdings in der festen Überzeugung, dass dieser Sympathie-Bonus nicht ewig währt!

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_Crisse auf |Buchwurm.info|:_

[„Canari 1: Die goldenen Tränen“ 3179
[„Canari 2: Die letzte Welle“ 4073
[„Ishanti 1: Die Tränen der Isis“ 3344
[„Atalante 1: Der Pakt“ 3630
[„Atalante 2: Nautiliaa“ 3631
[„Atalante 3: Die Wunder von Samothraki“ 3632

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