Eckert, Renate – Hungrige Schatten

Renate Eckert weiß, wovon sie schreibt. Genau wie die Protagonistin in ihrem ersten Buch, arbeitete auch sie lange Zeit als Journalistin. Sie kennt sich also aus mit den inneren Strukturen einer Redaktion.

Diese sind es, die der Journalistin Anne Michels das Leben schwer machen. Ihr Vorgesetzter mobbt sie, und das lastet schwer auf der jungen Frau. Sie ist neu in der beschaulichen Stadt Burgstadt, und bis auf Angie, eine Arbeitskollegin, und Phil, einen Kollegen, der heimlich in sie verliebt ist, hat sie noch nicht viel Anschluss gefunden.

Das ändert sich, als sie für die bevorstehende Oberbürgermeisterwahl die Kandidaten interviewen soll. Matthias Reininger, der charismatische Anwalt, ist ihr bereits bei einer Ordensverleihung für verdiente Kommunalpolitiker aufgefallen. Als sie ihn in seinem teuren Haus besucht, zeigt sich, dass sie ihm auch aufgefallen ist. Er spinnt sie ein mit seiner Aufmerksamkeit. Doch schnell zeigt sich, dass mit seiner Zuwendung eine dunkle Seite einhergeht. Er ist dominant, manchmal geradezu sadistisch. Anne ist trotzdem verrückt nach ihm und merkt erst viel zu spät, worauf sie sich da eingelassen hat …

Im Vordergrund der Geschichte steht Anne, die als Neue in der Redaktion viel einstecken muss. Für sie bedeutet der Job eine gute Gelegenheit, um sich von ihrer Vergangenheit freizustrampeln, die von der Autorin gut ausgearbeitet wurde. Anne hat auch eigene Charakterzüge, aber die sind größtenteils schwammig dargestellt, so dass es schwerfällt, sich mit der Protagonistin zu identifizieren.

Im Großen und Ganzen bleibt die junge Journalistin dem Leser verschlossen. Der Grund dafür ist der altbackene Schreibstil von Eckert. Sie benutzt einen gehobenen Wortschatz und bemüht sich um Abwechlsungsreichtum bei der Wortwahl. Dennoch klingen viele ihrer Formulierungen gestelzt und künstlich. Das Vokabular, auf das sie zurückgreift, ist stellenweise zu erhaben, und sie schafft es nur selten, wirkliche Emotionen zu erzeugen.

Dieser Schreibstil hat weitreichende Folgen. Die Grundidee, auf der Eckert ihre Geschichte aufbaut, ist nicht unbedingt schlecht. Eine junge, vielleicht etwas naive und vor allem einsame Frau gerät in die Fänge eines charismatischen, aber verdorbenen Mannes. Daraus ließe sich ohne Probleme das stricken, was auf dem Buchdeckel angegeben ist: ein Psychothriller.

Leider verbaut sich die Autorin mit dem Schreibstil diese Möglichkeit. Durch die Verschlossenheit und Künstlichkeit kann kaum Spannung aufgebaut werden. Selbst der Kriminalfall, den Annes Kollege Phil verfolgt, kann kaum punkten. Er steht nicht im Vordergrund und verläuft mehr oder weniger im Sande, weil aufgrund des Schreibstils einfach keine Spannung aufkommen möchte.

Ähnlich ist es mit der verhängnisvollen Verbindungen zwischen Anne und Matthias. Hier fehlt es an psychologischer Tiefe, obwohl die einzelnen Stufen dieses Handlungsstrangs gut aufgebaut sind. Letztendlich ist es wieder Eckerts Schreibstil, der die Spannung blockiert. So gewandt er auch erscheinen mag, verhindert er doch, dass das Buch in die Tiefe gehen kann.

Hinzu kommen die vielen Nichtnotwendigkeiten, zu denen abgeschweift wird. Was in manch anderen Büchern für Vielschichtigkeit und Erzähldichte sorgt, wirkt in diesem Fall überflüssig. Auch das lässt sich wieder auf den Schreibstil zurückführen, der es nicht schafft, solche Abschweifungen in den Erzählfluss zu betten.

Wie man sieht, ist bei „Hungrige Schatten“ der Schreibstil der springende und wunde Punkt. Handwerklich kann man sich nicht über ihn beschweren. Eckert kann schreiben und sie greift auf einen großen Wortschatz zurück. In diesem sind leider sehr viele gestelzte Ausdrücke und Formulieren enthalten, die schuld daran sind, dass es dem Buch an Lebendigkeit fehlt. Das wirkt sich negativ auf Handlung und Personen aus. Besonders dem Plot fehlt es an Spannung und Emotionen, auch wenn er auf einer passablen Grundidee fußt.

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