Eschbach, Andreas – Ausgebrannt

Markus Westermann will es schaffen – in den USA. Er träumt den „American Dream“, und wie so viele andere landet er unsanft auf dem harten Boden der Tatsachen. Doch dann lernt er Karl Block kennen, einen alten Österreicher mit einer Idee, die niemand ernst nimmt, die Fachleute belächeln.

Block will da Öl finden, wo niemand auch nur suchen würde. Er behauptet, dass mehr als genügend Öl für Jahrtausende noch darauf wartet, entdeckt zu werden. Markus glaubt an ihn, und gemeinsam überzeugen sie den PPP – den Peak Performance Pool, eine Gemeinschaft superreicher Investoren. Als Block Öl mitten in der amerikanischen Pampa findet, glaubt Markus sich am Ziel seiner Träume.

Doch damit beginnen die Probleme. Das saudische Königshaus und die CIA sind hinter der Block-Formel her. Doch diese kennt Markus nicht, nur der alte Block, dessen Ausführungen er nicht folgen kann. Schließlich wird er von Wang, dem Vater seiner verwöhnten Geliebten Amy-Lee, erpresst: Er wird nicht in das milliardenschwere Unternehmen Wangs einheiraten, ohne Blocks Formel als Brautgeschenk mitzubringen. Schließlich werden Block und Westermann auch noch von den Saudis angeheuert, die aber scheinbar nicht an einem Erfolg Blocks interessiert sind, ganz im Gegenteil. Block wird entführt und verschwindet spurlos, Markus aus dem Land gejagt und der Probebohrauftrag gekündigt, seine Investoren drohen ohne Block abzuspringen. Als der CIA-Agent Taggard ihm noch offenbart, dass Amy-Lee des Öfteren für das Familienunternehmen mit diversen Männern ins Bett gegangen ist, bricht für Markus eine Welt zusammen.

Doch nicht nur die Welt des Markus Westermann gerät aus den Fugen. Das Ghawar-Feld, das größte Ölfeld der Erde, erlischt. Es ist bereits lange erloschen, und die Öltanks in Ras Tanura, dem größten Ölhafen, wurden ebenso lange heimlich geleert. Die USA sichern die saudischen Ölreserven militärisch, erlauben Bohrungen im Arctic Wildlife Refuge, während die Ölpreise steigen. Die Welt, wie wir sie kennen, hört auf zu existieren, eine soziale und wirtschaftliche Veränderung ohne Gleichen, das Ende des Erdölzeitalters. Markus erhält erneut eine Chance zum Aufstieg – auf ganz andere Weise, als er es sich erträumt hat.

_Ein Leben in zwei Zeitaltern_

Erfolgsautor Andreas Eschbach (*15.09.1959, Ulm) malt eine apokalyptische Zukunftsvision von Ende des „Ölzeitalters“, die erschreckend ist, da sie durch ihre akribische Recherche und Logik überzeugt, ein Roman, der zum Nachdenken anregt.

Durch den Roman begleitet werden wir von Markus Westermann, einen ehrgeizigen jungen Mann, der aufgrund Benzinmangels einen Unfall erleidet und von Gläubigern gejagt wird. Im Krankenhaus erinnert er sich an den Anfang vom Endes des Ölzeitalters, das nun unwiderruflich vorbei ist. Er wollte als „Mark S. Westman“ ein echter Amerikaner werden, er träumt den „American Dream“. Seine Versuche, sich in der Welt des Big Business hochzuarbeiten, scheiterten immer wieder, der Traum von harter Arbeit und garantiertem Erfolg wurde zum Alptraum von sehr harter Arbeit und vergänglichen Erfolgen.

Markus ist die Figur, an der man den Wandel der Welt verfolgen kann. Von harter Arbeit über ein kurzes Leben in Saus und Braus bis hin zu einer abgelegenen christlichen Gemeinde mitten in den USA, in der er Kuhscheiße schaufelt und wegen einer Dorfschönheit, der hübschen Tochter des diktatorischen Dorfpredigers, schließlich vor einem Lynchmob fliehen muss. In Deutschland erleben wir das Ende des Ölzeitalters aus der Sicht seiner Verwandschaft, während Markus die Apokalypse in den extrem vom Automobil abhängigen Sozial- und Wirtschaftsstrukturen der USA durchmachen muss.

Die ersten 250 (von 750) Seiten, immerhin ein Drittel des Romans, sind ein zäher und manchmal etwas zu belehrender Einstieg in den Roman, der die notwendigen Grundlagen und Prämissen für den weiteren Handlungsverlauf legt. Diese Einleitung ist viel zu langatmig, Markus Karriere wirkt klischeehaft; dass Komplimente bereits als sexuelle Belästigung angesehen werden können und dass Gott und die Bibel eine große Rolle im Land der unbegrenzten Möglichkeiten spielen, dürfte jedermann sattsam bekannt sein. Die Welt des „Big Business“ mit milliardenschweren Investoren und ihren Schlichen, die der zuvor beim Versuch, sich in der Softwarelokalisierung hochzuarbeiten, gescheiterte Markus schließlich zusammen mit dem charismatischen Karl Block überzeugen muss, konnte mich ebenfalls nicht begeistern. Das Bild der saudischen Königsfamilie und ihres Landes, welches abwechselnd aus der Sicht eines Angehörigen der Familie und der des CIA-Agenten Taggard gezeigt wird, ist sehr westlich und, wenn auch überzeugend, deshalb voreingenommen und oberflächlich, insbesondere wenn Eschbach Abu Jabr sehr westliches Gedankengut und die entsprechenden Worte in den Mund legt. Als Taggards Motivation, in Arabien zu arbeiten, mit den Terroranschlägen des 11. Septembers in Zusammenhang gebracht wurde – seine Tochter überlebte eine Herztransplantation nicht, da ein Startverbot herrschte -, verzweifelte ich an diesem Roman.

Diese schwache und viel zu lange Einleitung mit verwirrenden und zuerst zusammenhanglosen Rückblicken muss man erdulden, bis es zur Explosion im Hafen von Ras Tanura kommt. Mit dem Anfang vom Ende des Ölzeitalters wird der Roman richtig interessant, und die vorhergehende schwache Handlung klarer. Mit dem vom „unstudierten“ Selfmade-Man Block beiläufig und mundgerecht vermittelten Wissen über Ölfelder, Ölförderung, Geschichte und politische Zusammenhänge wird klar, warum das Versiegen eines Feldes, das immerhin „nur“ sechs Prozent der Weltförderung liefert, eine derartig katastrophale Wirkung haben kann. Diese „Peak Oil“-Theorie basiert auf dem Buch „Twilight in the Desert: The Coming Saudi Oil Shock and the World Economy“ von Matthew R. Simmons, der übrigens Berater von George Bush in Energiefragen war, und wird vortrefflich erläutert.

Den Wandel der Welt darzustellen, die Verzweiflung und wie eine Welt ohne Öl aussehen könnte, das ist Andreas Eschbach meisterlich gelungen. Hier zeigt das Buch seine Stärken. Jeder hat sich wohl schon Gedanken darüber gemacht, wie die Welt aussieht, wenn das Erdöl knapp wird. Dass es knapp wird und dass alternative Energiequellen noch und wohl auf lange Zeit keinen Ersatz darstellen können – weder Wasserstoffzellen noch Kernkraft sind für Autos und Baumaschinen wirklich geeignet -, steht außer Frage. Doch dermaßen akribisch und akkurat recherchiert haben wohl nur wenige. Aus diesen blanken Zahlen und Fakten wirtschaftliche Rückschlüsse zu ziehen und sie in den Alltag in den USA, Deutschlands oder Arabiens, ja der ganzen Welt zu projizieren, das ist es, was diesen Roman auszeichnet.

Markus ist der Bezugspunkt des Lesers in dieser Welt. Sein Leben nimmt stets unerwartete Wendungen, ein ständiges Auf und Ab im Wandel der Zeiten. Der anfangs karrieregeile Yuppie erlangt schließlich ein gerütteltes Maß an Weisheit im gehobenen Alter, und auch Erfolg – natürlich ganz anders, als er es „geplant“ hatte. Leider ist dieser mit einem arg aufgesetzten Deus Ex Machina verbunden, einem alten „Familienerbe“, das in erdöllosen Zeiten Gold wert ist.

_Fazit:_

Zäh wie Ölschlamm beginnt der Roman, lange und ereignislos erklärt Andreas Eschbach seinen Lesern die heutige Welt. Doch es ist wie bei einer Ölbohrung, man muss erst durch viel Geröll und Sand, bis man auf Öl stößt. Und Andreas Eschbach hat im übertragenen Sinne ein riesiges Ölfeld angebohrt. Dann wacht auch Markus Westermann aus seinen Träumen auf, sein Leben wird farbiger, interessanter, in gewisser Weise auch realistischer. Die Wechsel zwischen Handlungsträgern wie Markus, Taggard oder Abu Jabr, Rückblenden und Hinweise auf historische Ereignisse wie den mysteriösen Tod Rudolf Diesels sorgen für blendende Unterhaltung und eine wohlstrukturierte Informationsflut. Das Glanzstück dabei ist Eschbachs Vision einer Welt nahezu ohne Erdöl. Wie fremd diese Welt ist, möchte ich anhand dieser Textpassage (Gartenbaukurs) zeigen:

S. 709: |“‚(…) Europa hat relativ gute Aussichten, sich auch weiterhin ernähren zu können.‘ Er klatschte in die Hände. ‚Und damit das so bleibt, fangen wir mit dem ersten Beet an. Bitte nehmen Sie sich von dort drüben jeder eine Schaufel …'“|

Offizielle Homepage des Autors:
http://www.andreaseschbach.de/
http://www.luebbe.de

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