Feyl, Renate – Aussicht auf bleibende Helle

_Tiefer Wunsch auf Aussicht_

|Die Autorin|

Renate Feyl ist eine 1944 geborene DDR-Autorin, die sich nach der Wende erfolgreich literarischen Gestalten gewidmet hat, wie Sophie La Roche in „Die profanen Stunden des Glücks“ oder Caroline von Wolzogen und Schiller in „Das sanfte Joch der Vortrefflichkeit“. Man merkt einen vortrefflichen Sinn für interessante Buchtitel sowie Gespür für die entscheidende Rolle der Frauen in der Geschichte, entspricht damit auch gerade dem femininen Geschmack und ist nie verlegen um zeitgerechte Details, die erahnen lassen, welche Mühe hinter diesen Werken steckt. Zwar gehen einem die Konflikte nie so recht unter die Haut, aber wer eine kulturell überprägte, gepflegte Sicht auf die Dinge bevorzugt, ist bei ihr bestens aufgehoben.

|Die Zeit|

Nicht jeder wird mühelos wissen, was in Preußen von etwa 300 Jahren los war, als sich der verwachsene Kurfürst zum ersten König von Preußen krönte, der Großvater von Friedrich dem Großen. Noch weniger von der Königin Sophie Charlotte, für die das später nach ihr benannte Schloss Charlottenburg erbaut wurde. Vielleicht weiß man aber, dass dem historischen Berlin mit der Straße Unter den Linden, dem französischen und deutschen Dom am Gendarmenmarkt und vielen anderen Bauten das Gesicht gegeben wurde und dass in dieser Zeit die Preußische Akademie unter Leibniz gegründet wurde. Das alles hört sich nach wahnsinniger Verschwendung an und war es wohl auch, aber wie man heute noch vor sich hinträumt, vermittelt die Autorin das Bild, dass daraus Wohlstand und Kultur hervorspross. Das kann man heute nur bestätigen, jedoch diesem wirtschaftlichen Geheimnis kommt man durch Lesen dieses Buches leider keinen Schritt näher. Was man von dem Zeitbild aber erfährt, ist, wie grandios die Begeisterung der gesamten Bevölkerung für ein preußisches Königtum war. Ist man mutig, könnte man gerade darin das Geheimnis dieses Aufschwungs sehen. Jedenfalls feierte man die Selbsterhöhung als würde „Jubel aus allen Mauern brechen“.

|Die Protagonisten|

Sophie Charlotte leidet auf hohem Niveau, wenn durch ihre Königinnenrolle mehr Zeremonielles in ihr Leben kommt, wo sie doch ihr eigenes, das spätere Schloss Charlottenburg als einen rechten Musenhof führen wollte. Auch war sie von den Staatsgeschäften aus dynastischen Erwägungen weitgehend ausgeschlossen. Ihre anerzogene Contenance konnte dann auch nicht erschüttern, dass sich der König-Gatte nun eine Maitresse hielt. Das alles ordnet die Autorin richtig als monarchische Normalität ein und lässt vor diesem Hintergrund eine ungetrübte Zuneigung zwischen dem Königspaar aufscheinen. Das Leiden ist auch relativ, denn Sophies Motto ist: „Nichts ist ungesünder, als traurig zu sein“.

Am Musenhof der 32-jährigen Sophie Charlotte ist des Öfteren das 54-jährige Genie Gottfried Wilhelm Leibniz zu Gast, wird alsbald mit der Gründung der Akademie beauftragt und die Königin freut sich nicht nur daran, dass Leibniz im Weltranking der Gelehrten auf Platz eins ist, sondern auch an seiner Disputationsfreudigkeit. Solche Dialoge zwischen Königin und Genie zu schreiben, ist nicht einfach, dementsprechend sparsam wird damit umgegangen. Aber was die Schriftstellerin uns an Details dieser barocken Welt ausbreitet, übersteigt beinahe das Erfassbare, macht es aber sehr glaubhaft. In den Gesprächen bringt Sophie das Genie immer wieder in Verlegenheit und fordert Leibniz zum Schluss jedes Mal auf, alles hübsch zu Papier zu bringen. Ihre Briefe allerdings hat der Gemahl nach ihrem frühen Tod vernichten lassen, so dass sich über den Grad eventueller Verliebtheit (Mariage mystique) nichts mehr sagen lässt. Auch in diesem Punkt ist die Autorin auf liebenswürdiges Konstruieren angewiesen und sie bewältigt das so, dass sie außer den Dialogspitzen auch Sehnsuchtsmomente bei Leibniz anlegt, wenn er mal nicht in ihrer Nähe ist. Leibniz bekommt es mit der leichten Entflammbarkeit der Königin für einen Extremisten, der dem Atheismus zuneigt, zu tun und darf ein bisschen eifersüchtig sein, woraufhin ihm die Königin schon einmal zeigt, welch Standesunterschied sie trennt.

_Message_

Sophie Charlotte wird als eine Frau dargestellt, die es liebt „Feuer an die Gedanken zu legen“. Es muss ein wohliges Gefühl für die sich mit ihr identifizierenden Leser sein aus einer kommoden Lage das Genie zu Füßen zu sehen und zu lesen, dass „Frauen unbefangener und aufmerksamer über die Feinheiten der Dinge“ nachdenken. In den Sprachschöpfungen von Renate Feyl, wenn sie von „Plattköpfen und Wetzmäulern“ spricht, kann man sich getrost aalen. Was man an historisch belastbarem Wissen gewinnt, weiß man naturgemäß nicht genau. Was die „Aussicht auf bleibende Helle“ ist, wenn die Protagonistin stirbt und später auch der einsame Leibniz, kann man nur ahnen. Vielleicht ist es der Wunsch auf ein bleibendes und gutes Königtum in deutschen Landen.

|Paperback: 288 Seiten
ISBN-13: 978-3453351974|
[www.randomhouse.de/diana]http://www.randomhouse.de/diana

_Christian Rempel_

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