Jean-Jacques Greif – Marilyn. Eine Biografie

Leben einer Filmgöttin, Leben eines Waisenkinds

Als Marilyn Monroe am 5. August 1962 tot aufgefunden wurde, starb ein Weltstar. Doch ob ihr Namen nun Norma Jeane Mortensen oder Norma Jean (ohne E) Baker war, darüber streiten sich die Gelehrten (wie schon damals die Standesbeamten) noch heute. Verschwörungstheorien ranken sich um ihre letzten Tage, als Geliebte des US-Präsidenten und des Justizministers soll sie Staatsgeheimnisse gekannt und vom FBI beseitigt worden sein.

Die tagebuchartige Auto-Biografie Marilyns enthüllt uns einen Menschen, der Glück suchte und es nur selten fand. Dabei nimmt die Erzählerin Marilyn kein Blatt vor den Mund, wenn es um Gott und Sex geht.

Der Autor

Jean-Jacques Greif, Jahrgang 1944, kam viel in der Welt herum, arbeitete als Ingenieur, Webetexter und Lehrer und ist Redakteur des Magazins „Marie Claire“ in Paris. 1996 verfasste er sein erstes Jugendbuch. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Weitere Bücher von Greif:

– Mozart (352 Seiten, bei CBJ)
– Einstein (bei CBJ, 2005)

Marilyns Lebenserzählung

Als Norma Jeane, geboren am 1. Juni 1926, sieben Jahre alt ist, beginnt sie sich für ihre Herkunft zu interessieren. Ihr Mutter Gladys ist Cutterin in einem der großen Filmstudios von Hollywood. Gladys war mit einem Mr. Baker veheiratet, der verschwand (zusammen mit Norma Jeanes Halbgeschwistern Jack und Bernice), dann heiratete sie Mr. Mortensen, doch auch der verschwand. Ihren wahren Vater lernt Norma Jeane nie kennen. Es könnte sich um einen Filmstar handeln, denn Gladys bekam von Fredric March schließlich ein weißes Klavier geschenkt und ein großes Haus, in das sie ihre Tochter aufnahm.

Doch vorerst wohnt Gladys nicht bei Norma Jeane, sondern bei den Nachbarn Ida und Albert Bolender. Es sind strenggläubige Christen, aber Jesus bekommt Norma Jeane dennoch nie zu sehen. Kurze Zeit nimmt Gladys Mutter Della die Kleine auf, doch sie versucht zweimal, sie zu töten. Sie ist ebenso geisteskrank wie ihr verstorbener Mann und stirbt bald, nachdem man Norma Jeane in Sicherheit gebracht hat.

Der Vater ihrer Freundin Susan Preger vergreift sich an der jungen Schönheit, doch Norma Jeane wimmelt ihn ab. Er werde bestimmt in der Hölle schmoren, sagt sie ihm. Es kommt nie heraus. Im großen Haus ihrer Mutter ist das Leben voller Sünde. Die Atkinsons leben als Gladys’ Untermieter im Haus, rauchen, trinken, spielen Poker – dafür werden sie in der Hölle schmoren. Leider wird auch Gladys geisteskrank und muss in eine Anstalt. Die Atkinsons können das Haus nicht halten. Wieder ist Norma Jeane allein und kommt in ein staatliches Waisenheim, in dem sie sehr unglücklich ist, weil sie sich niemandem anvertrauen kann.

Erst Grace McKee, eine Kollegin von Gladys, hilft ihr, dort rauszukommen und bei Pflegefamilien untergebracht zu werden. Doch erst bei den Doughertys ist Norma Jeane zufrieden. Um jedoch dauerhaft bei ihnen leben zu können, gibt es nur einen Ausweg, damit Norma Jeane in Kalifornien bleiben darf: Sie müsste heiraten. Sie ist 16 Jahre alt und hat eine tolle, aufreizende Figur, braune Haare (die Blondine ist künstlich) und ein einnehmendes Wesen. Dass sie auch der Sekte der christlichen Wissenschaft angehört, stört den Flugzeugmechaniker Jim Dougherty nicht, als er sie am 16. Juni 1942, 18 Tage nach ihrem Geburtstag, heiratet und mit ihr in eine kleine Holzbaracke in Van Nuys bei Los Angeles zieht.

Der Krieg und die Nachkriegszeit

Während ihr Mann Jim im Südpazifik bei den Marines dient, schuftet Norma Jean Dougherty in seiner Firma beim Anstreichen von Flugzeugen. Als eines tages ein Reporter sie fotografiert, erregen ihre Fotos die Aufmerksamkeit eines Profi-Fotografen. Als sie sich der Agentin Emmeline Snively, Inhaber in der Agentur Blue Book, vorstellt, bekommt sie wertvolle Tipps und einen Vertrag. Schon bald kann sie sich vor Aufträgen für Modellaufnahmen, in denen sie leicht geschürzt auftritt, kaum retten: Die Männer stehen eben auf sie.

Covergirl

Als ihr Mann davon erfährt, hält er das Treiben seiner Frau erst für einen Zeitvertreib, doch als er nach Kriegsende nach Hause kommt, merkt er, dass es weitaus mehr als nur das. Und sie hat über 300 Dollar Schulden gemacht, die er nun abbezahlen darf. Dass Jim nicht sonderlich begeistert ist, kann man sich also vorstellen. Er warnt sie vor den untreuen Fotografen, muss aber schon bald wieder zum Dienst. Im Sommer 1946 begibt sich Norma Jean auf eine Fotoreise mit André de Dienes, einem ungarischen Fotografen, und schläft mit ihm im gleichen Bett. Eigentlich wollte er sie nackt fotografieren, aber sie will nicht, dass Jim, Mutter und Tanten sie entblößt auf irgendwelchen Titelseiten oder gar Plakaten sehen.

Superstar in spe

Ein Agent vermittelt im August ihre erste Probeaufnahme bei 20th Century Fox, und sie bekommt einen Vertrag, der ihr 75 Dollar pro Woche einbringt – eine fürstliche Summe im Vergleich zu ihren früheren Verdiensten, aber immer noch zu wenig, um ihre Kleiderausgaben zu decken. Selbst als sie zur Columbia wechselt, verdient sie nur 125 Dollar die Woche. Sie wird eine ausgebildete Sängerin und Schauspielerin. Mäzene wie Joe Schenck helfen ihr weiter, und sie tritt 1948 in dem Marx-Brohers-Film „Love Happy“ auf, eine Großproduktion, durch die sie Johnny Hydes Aufmerksamkeit erregt. Er ist der beste Manager, den sie bis dato hatte. Er will sie zum Superstar machen und tut alles für sie, so dass sie sogar in seinem Haus wohnen darf. Sie trägt jetzt den Künstlernamen „Marilyn Monroe“, wobei Monroe der Mädchenname ihrer Mutter ist und Marilyn der Name der verstorbenen New Yorker Schauspielerin Marilyn Miller.

Als im Jahr 1949 herauskommt, dass Marliyn Nacktaufnahmen für einen Kalender hat machen lassen (für 50 Dollar), bricht erstens ein Sturm der Entrüstung los („Sittenverfall!“), dann aber auch ein Sturm der Begeisterung, besonders seitens der Besatzungstruppen in aller Welt. Das Pressebüro von Fox kann sich vor Anfragen und Fanpost kaum retten. Jetzt schnüffeln Journalisten für ihre Artikel über den neuen Star auch in ihrer Vergangenheit herum und stoßen auf die Mutter in der Irrenanstalt. Auch dies muss das Pressebüro verkraften. Das kranke Herz wird Johnny Hyde zum Verhängnis, und er stirbt am 18.12.1950. Marilyn weint an seinem Sarg sehr. Wieder hat ein Mensch, den sie sehr liebte, sie verlassen.

Star-Schicksal

Mit Filmen wie „Liebling, ich werde jünger“, „Blondinen bevorzugt“ und „Wie angelt man sich einen Millionär“ steigt „Marilyn Monroe“ zum Superstar auf, doch sie bekommt mit 1250 Dollar pro Woche weitaus weniger als Lauren Bacall oder Jane Russell, die 150.000 Dollar pro Film erhalten. Und sie darf vorher nicht mal das Drehbuch lesen.

Spätestens bei den höllischen Dreharbeiten zu Otto Premingers Streifen „Fluss ohne Wiederkehr“ – sie dreht neben Robert Mitchum, einem früheren Arbeitskollegen von Jim Dougherty – wird sie „wie ein Stück Vieh“ mit Tabletten vorn und hin behandelt. Zusätzlich verabreicht man ihr auch noch einen „hot shot“, um sie am Ende eines langen Drehtages aufzuputschen: Amphetamine, danach Barbiturate, und Alkohol kann sie nicht vermeiden. Sie hat zunehmend Gedächtnislücken und Probleme, sich zu konzentrieren. Dafür schämt sie sich und wird für ihre Nervenzusammenbrüche berüchtigt.

Joe Di Maggio

Der frühere Baseballspieler-Star Joe Di Maggio hat schon lange (sehr werbewirksam) um Norma Jean geworben, und im Jahr 1954 darf er sie endlich heiraten. Denn sie ist von Fox wegen Vertragsbruchs gefeuert worden. Die Hochzeitsreise soll nach Japan führen, schlägt Joe vor, doch schon bald merkt sie, dass sie möglicherweise einen Fehler gemacht hat. Er ist langweilig, wenn es nicht um Sport geht, und duldet keine Hollywoodfreunde, mit denen sie sich unterhalten könnte.

Als sie auf Hawaii zwischenlanden, merkt sie, was der fehlende Schutz des Filmstudios ausmacht: Hunderte Fans wollen offenbar ein Stück ihres Fleisches und zerren an ihren Haaren! Ruckzuck sind sie wieder im Flieger, doch in Tokio kommt es noch schlimmer: Sie müssen durch die Öffnung des Frachtraums den Fans entgehen. Aber den triumphalen Einzug in die Stadt können sie nicht vermeiden. Jetzt mehr Joe zu seinem Verdruss, dass er nur der „Ehemann von Marilyn Monroe“ ist. Und während sie vom Balkon des Hotelzimmers der Menge ihrer Fans zuwinkt, merkt sie, dass Norma Jean Baker / Mortensen endgültig zur Gefangenen von Marilyn Monroe geworden ist.

Nach nur acht Monaten wird die Ehe mit Joe Di Maggio geschieden. Dennoch bleibt er ihr einziger Freund und Gefährte. Andere Verehrer stehen bereits Schlange, darunter ein Präsident…

Mein Eindruck

Mehrmals habe ich mich gewundert, wie oberflächlich die Beschreibungen sind, die uns „Marilyn“ gibt. So werden Abtreibungen nur am Rande erwähnt, eine Vergewaltigung als Teenager, von der andere Quelle berichten, überhaupt. Lediglich ihre mehreren Fehlgeburten schildert Marilyn eingehend. Dabei wünschte sie sich, Kinder zu haben, fast noch mehr als einen liebenden Mann. Aber die Tablettensucht verhinderte Geburten ebenso sehr wie eine anatomische Komplikation. Sie konnte keine Kinder austragen. Auch dies trug zu ihrer Flucht aus der Realität in die Distanziertheit, die Tabletten gewähren, bei.

Die Filme

Worüber sich Marilyn (= der Autor) eingehend auslässt sich die Filme, von denen jeder mit sämtlichen maßgeblichen Leuten beschrieben wird. So erfahren wir beispielsweise, dass Billy Willder eine Szene in „Manche mögen’s heiß“ 67 Mal drehen ließ, bis sie richtig saß – nur wegen Marilyn, deren Gedächtnis wegen der Tabletten nicht das beste war. Danach wollte er nie wieder mit ihr einen Film machen. Leute wie Wilder werden im fast 20 Seiten langen Personenverzeichnis kurz und knapp charakterisiert, meist auch mit ihren größten Erfolgen.

Schauspielerin

Marilyn war eine wirklich gute Schauspielerin. Die Lehrstunden, die sie von ihrem Freund Lee Strasberg („Actors Studio“) in New York City erhielt, waren für sie Gold wert. Weil jedoch das Studio 20th Century Fox sie immer nur als dumme sexy Blondine einsetzte, blieben die einzigen Beispiele für Marilyns Können zwei Filme: „Bus Stop“ und „Misfits – nicht gesellschaftsfähig“. Doch bei letzterem schlief Regisseur John Huston mehr in seinem Sesselchen, als die Handlung zu dirigieren. Grund: Er hatte die Nacht beim Pokerspielen in Reno durchgemacht, wo er 50.000 Dollar Spielschulden anhäufte. Seine Gläubiger wollten ihm deshalb die Filmkopien pfänden. Dadurch wäre der Nachwelt ein guter Film vorenthalten worden.

Sexsymbol

Joe Di Maggio und Arthur Miller waren Marilyns Ehemänner, doch beide hatten schwere Probleme, das Traumbild des blonden Engels mit der echten Frau zu vereinbaren – und diese war dann auch noch die berühmteste Sexbombe der Welt. Ihre Fans wussten ja, dass sie nackt schlief und Höschen verabscheute. In ihre Kleider ließ sie sich deshalb einnähen, damit sie eng an ihrer Figur anlagen. Im letzten Viertel des Buches stellt Marilyn vergleiche mit Liz Taylor an. Natürlich schneidet sie dabei stets besser ab, außer in einem Punkt: Während die Taylor eine Millionengage plus Gewinnbeteilung für den ruinösen Streifen „Kleopatra“ erhielt, musste Marilyn für einen Monatslohn schufen, um ihren Vier-Filme-Vertrag mit der Fox einzuhalten. Außer Milton Greene hatte Marilyn nie die richtigen Manager, und Greene musste sie feuern, um auf Arthur Miller Rücksicht zu nehmen.

Jugendliche Zielgruppe

Wie man sieht, hält das Buch eine Fülle von Informationen bereit. Aber kann das wirklich alles sein? Die Biografien von Donald Spoto und anderen schürfen viel tiefer, liefern deshalb ein viel breiteres Spektrum an Informationen. Aber will dies ein jugendlicher Leser mit zwölf Jahren wirklich alles wissen? Dies ist eine Biografie für Jugendliche und nicht für Erwachsene. Folglich sind die Zusammenhänge nicht bis ins letzte Details erklärt. Die Sätze sind kurz und verständlich gehalten, so dass man keine Leseprobleme bekommt, selbst wenn man erst zwölf Jahre alt sein sollte und neue englische Namen aussprechen soll. (Heute haben noch 15-jährige Deutsche Leseprobleme.)

Unterm Strich

Die Biografie aus Sicht der Beschriebenen zu erzählen, ist ein riskanter, aber funktionierender Kniff. Aus dem Sachbuch wird unversehens ein Roman. Und der ist viel lebendiger geschildert als bei einem Autor, der auf sachliche Richtigkeit Wert legt. Riskant ist der Kniff deshalb, weil der Autor der Beschriebenen eine Menge Gedanken und Gefühle unterstellen muss, und es ist nicht erwiesen, dass diese Gedanken und Gefühle so vorhanden waren.

Immerhin zitiert der Autor gerade im letzten Drittel Marilyns letztes Interview, in dem sie stark über die Studios herzog und sich bitte über ihre Lebenslage beklagte, im Wortlaut. Das verleiht die Authentizität, aber zugleich macht der Text deutlich, wie unbeholfen journalistischer Text neben der restlichen Erzählung wirkt. Deshalb finde ich ganz in Ordnung, was sich der Autor erlaubt hat. Wer will, kann seine Aussagen und Darstellungen ja nachprüfen.

Insgesamt bietet die Biografie aus Marilyns Sicht dem jugendlichen Leser einen ersten Zugang zu dieser Filmgöttin. Die Ikone löst sich auf und wird zum Menschen, den Leiden, Sehnsüchte und Nöte ebenso plagen wie unsereins. Zugleich wirft Marilyns Schilderung ein entlarvendes Schlaglicht auf die Film- und Medienindustrie, deren ursprünglich amerikanische Mechanismen inzwischen weltweit anzutreffen sind. Wer also vorhat, Filmstar zu werden, sollte es sich vielleicht noch einmal überlegen.

Hardcover: 253 Seiten
Originaltitel: Moi, Marilyn, 1998
Aus dem Französischen von Bernadette Ott.
ISBN-13: 9783570127414

www.cbj-verlag.de

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