Fleischhauer, Wolfram – Torso

Wolfram Fleischhauer dürfte zurzeit einer der vielseitigsten deutschen Autoren sein. Immer wieder erobern seine Bücher die Bestsellerlisten – egal, aus welchem Genre sie denn stammen. Seit mich sein Roman „Drei Minuten mit der Wirklichkeit“ nachhaltig tief beeindruckt hat, wage ich immer wieder einen neuen Versuch und führe mir all seine Neuerscheinungen zu Gemüte. Mit „Torso“ hat er nun das Thrillerparkett betreten – dieser Spannungsroman spielt in Berlin und lässt seinen Lesern schnell einen Schauer über den Rücken laufen …

_Halb Mensch, halb Tier_

In einem leer stehenden Berliner Hochhaus macht die Polizei einen grausigen Fund – einen Torso bestehend aus halb Frau, halb Tier erschüttert selbst den erfahrenen Hauptkommissar Martin Zollanger. Der erste grausige Fund ist noch nicht verdaut, da taucht schon der nächste Torso auf – wieder eine makabre Kombination aus Mensch und Tier. Beide Torsi wirken wie einem schrecklichen Gemälde entsprungen – will der Täter damit eine Botschaft loswerden?

Zur gleichen Zeit versucht die junge Elin, Zollanger zu erreichen. Sie glaubt nicht an den Selbstmord ihres Bruders und will erreichen, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Konsequent verfolgt sie die Spuren ihres Bruders, gräbt in seinen Arbeitsunterlagen und deckt dabei – ohne es zu merken – einen Skandal unfassbarer Tragweite auf. Bevor sie es sich versieht, wird sie zur Zielscheibe mächtiger Personen, die rücksichtslos ihre eigenen finsteren Machenschaften vertuschen möchten.

Auch ein dritter Torso führt die Polizei nicht auf eine heiße Spur. Doch Hauptkommissar Zollanger, ein ehemaliger Volkspolizist der DDR, benimmt sich immer merkwürdiger und immer auffälliger. Was hat er zu verbergen? Und wieso weicht er Elin aus? Fleischhauer wirft Fragen über Fragen auf, die einen wohl in Bann ziehen sollen.

_Etwas Neues wagen_

Wolfram Fleischhauer ist dafür bekannt, dass er nicht auf ein Genre festgelegt ist, genau das macht seine Bücher immer wieder überraschend, weil man nie genau weiß, was einen erwartet. Auch „Torso“ ist auf dem Buchdeckel ganz zurückhaltend als Roman bezeichnet, obwohl der Klappentext das Buch ganz klar als Thriller ankündigt. Doch auch wenn die Berliner Polizei drei schrecklich angerichtete Torsi findet, ist das Buch doch kein klassischer Thriller. Stattdessen versucht Fleischhauer, seinem Buch wieder die besondere Note zu geben. „Torso“ handelt von einem Finanzskandal, wie er kaum vorstellbar ist, wie er aber doch auch gut zu der desaströsen finanziellen Situation der deutschen Hauptstadt passt. Diese Grundidee ist nicht per se schlecht, doch leider konnte mich Fleischhauers Umsetzung in keinster Weise überzeugen:

Zunächst beginnt „Torso“ wie ein klassischer Spannungsroman, nämlich mit einem Leichenfund bzw. dem Fund von Leichenteilen. Dann macht Fleischhauer einen zweiten Handlungsstrang auf, der uns die Geschichte von Elin erzählt, die herausfinden will, was mit ihrem Bruder geschehen ist. Üblicherweise steigern verschiedene, parallel verlaufende Handlungsstränge ja die Spannung, wenn der Autor es schafft, an der richtigen Stelle die Szenerie zu wechseln. Doch dieses Mal bremsen die vielen Nebenschauplätze die Spannung völlig aus. Zu viel erzählt Fleischhauer drum herum, berichtet davon, dass Elin sich weigert, Bargeld zu nutzen und dass sie immer nur mit dem Fahrrad fährt und dass sie mal auf der Straße gelebt hat. Er erzählt von ihrem Bruder, was er beruflich gemacht hat, welche Freundin er zuletzt gehabt hat und und und. Kurz darauf stellt er uns eine weitere Hauptfigur vor, nämlich den Finanzmann Zieten, der ziemlich düstere Machenschaften am Laufen hat. In aller Ausführlichkeit präsentiert er uns den Karrieremann und seine Frau und lässt schließlich Zietens Tochter Inga entführen. Diese findet sich dann in einem Versteck wieder, wo ein als Mönch verkleideter Mann sie gefangen hält, der ihr aber wiederum auch erlaubt, ihr Zimmer zu verlassen. Fleischhauer berichtet lang und breit, was Inga beruflich macht und dass sie doch glatt denkt, dass diese Entführung Teil eines Vorstellungsgespräches als Test ihrer Reaktion sein könnte, bla, bla, bla. All dieses Drumherum mit Inga hat rein gar nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun, diese Entführung verläuft komplett im Sande und man hat irgendwann das Gefühl, dass Fleischhauer selbst nicht mehr wusste, wozu er diese Entführung überhaupt eingebaut hat. Immer häufiger lässt Fleischhauer dann anklingen, dass Zollanger in der DDR als Volkspolizist gearbeitet hat und mit der Wende nicht klarkommt. Er macht Andeutungen über Zollangers physischen und psychischen Gesundheitszustand. Und plötzlich findet der Hauptkommissar selbst sich im Zentrum der Ermittlungen wieder.

Ich konnte diesen Ausführungen irgendwann gar nicht mehr folgen. Zu konfus zieht Fleischhauer seine Geschichte auf. Er erklärt uns recht schnell, was Zieten zu verbergen hat, wodurch auch schnell klar wird, aus welchen Gründen Elins Bruder sterben musste. Aber immer denkt man als Leser, da müsse jetzt „noch etwas Besonderes“ kommen, ein Knalleffekt, mit dem man nicht gerechnet hat, das große Aha-Erlebnis. Aber im Grunde genommen hat Fleischhauer nicht mehr zu erzählen, als er auf der Hälfte seines Buches schon verraten hat … Zwar wagt er am Ende noch mal den tiefen Griff in die Trickkiste, indem er einen eigentlich doch schon Toten wieder „auferstehen“ lässt, aber das nimmt man eigentlich nur noch mit einem müden Lächeln zur Kenntnis.

_Zerstückelt_

Ebenso zerstückelt, wie die Berliner Polizei die Leichenteile vorfindet, empfand ich das vorliegende Buch. Obwohl „Torso“ zunächst wie ein klassischer Thriller beginnt, dreht sich die Geschichte schließlich doch schnell um einen dicken Finanzskandal. Den wiederum deckt Fleischhauer aber so schnell auf, dass seiner Erzählung komplett die Luft ausgeht. Zudem schmückt er seine Erzählung mit allzu vielen Nebensächlichkeiten aus, die die Geschichte rein gar nicht voranbringen und damit auch oft wenig zu tun haben. Manchmal hat man beim Lesen das Gefühl, dass der Autor sich zwischenzeitlich selbst gar nicht mehr sicher war, was er eigentlich mit seinem Buch bezwecken will und in welche Richtung es sich entwickeln soll. Weder ist das Buch spannend, noch kann es mit interessanten Charakteren aufwarten. Schade, aber „Torso“ ist leider ein echter Fehlgriff, das kann Fleischhauer definitiv besser!

|Hardcover: 432 Seiten
Mit Schutzumschlag und Lesebändchen
ISBN-13: 978-3-426-19853-7|
[www.droemer.de]http://www.droemer.de

_Wolfram Fleischhauer bei |Buchwurm.info|:_
[„Das Buch, in dem die Welt verschwand“ 265
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