Gloge, Andreas / Sassenberg, Volker – Gabriel Burns: Die Grauen Engel

Drei Morde innerhalb einer Woche, und Augenzeugen wollen in der Nähe geflügelte, grauenvolle Wesen gesehen haben. Die Angst geht um in Vancouver, geschürt von den Medien, die nur noch von den „Fliegenden Schatten“ berichten. Zeitgleich beschäftigt das spurlose Verschwinden von Kindern die Öffentlichkeit. Direkt aus den Krankenhäusern geraubt, oder einfach nur entflohen? Niemand weiß Genaues, doch wer genau hinsieht, kann von zufälligen Ereignissen nicht mehr ausgehen. Vancouver, an der Westküste Kanadas gelegen, ist einer der zehn fahlen Orte, an denen das Grauen ausbrechen wird. Die Vorbereitungen laufen. Doch der Widerstand erwacht.

_Vom Hörspiel zum Roman_

|Gabriel Burns| hatte einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Wiederentdeckung eines Genres gehabt, das mit der Zurückdrängung der Audio-Kassette in einen Tiefschlaf verfallen war: das Hörspiel. Seit mehreren Jahren sind die Hörspiele, nunmehr auf CD, wieder auf dem Vormarsch und haben eine breite Fanbasis hinter sich versammelt. |Gabriel Burns| bedient hierbei den Sektor der Mystery-Thriller und ist von der Konzeption her nah an den Verschwörungsgehalt von „Akte X“ angelehnt, wenngleich die thematische Ausrichtung eine völlig andere ist.

Produzent Volker Sassenberg, der sich durch |Point Whitemark| bereits einen Namen gemacht hat, hat |Gabriel Burns| zum einen durch die stellenweise brutale und blutige Erzählweise, zum anderen aber auch durch eine äußerst komplexe Metahandlung, die den Hintergrund der Serie umspannt, auf ein erwachsenes Publikum hin ausgerichtet. Die Folgen sind zwar in sich abgeschlossen, verfolgen jedoch einen Hauptstrang, dessen erste Phase mit Folge 22 abgeschlossen wurde. Ein Ende ist jedoch noch lange nicht in sich.

Ganz im Gegenteil, denn mit „Die Grauen Engel“ liegt mittlerweile der erste Gabriel-Burns-Roman von den Herausgebern Volker Sassenberg und Andreas Gloge vor, der zeitlich kurz vor Beginn der Hörspielreihe angesiedelt ist und auf die kommenden Ereignisse einschwört. Kenntnisse der Hörspielserie sind zwar für die Lektüre nicht erforderlich, allerdings mehr als sinnvoll, um die zahlreichen Anspielungen und Verbindungen zu verstehen, auf die im Roman eingegangen wird.

_Inhalt_

Steven Burns, die Hauptfigur der Hörspielreihe, befindet sich in einer Midlife-Crisis. Obwohl erst um die 30 Jahre alt, hat er bereits das Gefühl, ziellos durchs Leben zu gehen und keine Erfolge zu erzielen – sowohl beruflich als auch privat. Er muss sich seinen Unterhalt als Taxifahrer verdienen, denn mit der Schriftstellerei, seiner eigentlichen Leidenschaft, hat er es bisher zu nichts gebracht. Seine Veröffentlichungen sind allesamt Ladenhüter gewesen, so dass er auf das Wohlwollen seines Verlegers Sunny Heseltine angewiesen ist, im Übrigen der Vater einer seiner früheren Liebschaften.

Als Heseltine Burns auf die Morde der letzten Woche anspricht und um eine Story über die „Fliegenden Schatten“ bittet, hinter der sein Verleger eine geschmacklose, aber gewinnbringende Fundgrube vermutet, ist Burns zunächst abgeschreckt. Missmutig willigt er schließlich aber doch ein, denn es könnte, so grotesk und abstoßend die Mordfälle auch sein mögen, seine Chance bedeuten, endlich wahrgenommen zu werden. Schlechte Presse ist immer noch besser als gar keine. So macht sich Steven Burns auf die Suche nach Hinweisen und recherchiert bei der Witwe des kürzlich getöteten Opfers Carl. Die Erkenntnis, in einen Sumpf des Verbrechens einzudringen, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt, kommt jedoch zu spät. Burns will das Geheimnis um die mysteriösen Geschöpfe aufdecken, doch viele mächtige Personen und Behörden sehen Burns Tatendrang gar nicht gern.

Zeitgleich wird in zwei weiteren Erzählsträngen die Trudeau-Kommission um Mr. Bakerman und Joyce Kramer eingeführt. Die Kommission, die aus einer Grauzone zwischen geheimer und öffentlicher Organisation heraus agiert, ist einst durch den kanadischen Premierminister Trudeau ins Leben gerufen und nach dessen Tod von dem geheimnisumwobenen, glatzköpfigen Bakerman fortgeführt worden. Auch Bakerman will die Morde, die im Zusammenhang mit den geflügelten Geschöpfen stehen, aufklären. Er hat dabei einen enormen Wissensvorsprung, war doch das letzte Opfer Carl einer seiner engsten Mitarbeiter und besaß die Gabe der Vorausdeutung. Dass es der Graue Engel nur zufällig auf genau diesen Mann abgesehen hat, will Bakerman erst glauben, wenn er die wahren Hintergründe zu diesen Morden kennt.

Nicht bloß aus reiner Vorsicht beauftragt er seine treue Untergebene Joyce Kramer, die anderen Mitglieder der Kommission im Auge zu behalten und herauszufinden, ob der Feind möglicherweise aus den eigenen Reihen agiert. Bakerman selbst macht sich derweil zu dem Bühnenmagier Charlie auf, der sich als Bauchredner mit seiner Puppe Chap verdingt. Da Charlie ihm noch einen Gefallen schuldet, weist er ihn an, einen gewissen Steven Burns im Auge zu behalten. Denn dieser besitzt ebenfalls eine Gabe, von der Burns selbst noch nichts weiß. Doch genau diese Gabe könnte ihm zum Verhängnis werden, sollten es die „Fliegenden Schatten“ tatsächlich auf einen gewissen Menschenschlag abgesehen haben.

_Bewertung_

„Die Grauen Engel“ liefert die Vorgeschichte zur Hörspielreihe und wirft den wissbegierigen Fans einige neue Informationsbrocken zu, die, ebenso wie der kurzweilige Roman, schnell verschlungen werden. Der Appetit ist angeregt, das Grummeln im Magen verstummt, aber satt ist man noch lange nicht. Auch wenn einige Antworten gegeben werden, wirft der Roman mindestens ebenso viele neue Fragen auf. Damit ist auch klar, was die Buchreihe und sein Auftakt bewirken sollen: die Erfolgsmaschine |Gabriel Burns| weiter antreiben und ein crossmediales Netz spannen, das über das reine Hörspielerlebnis hinausgeht.

Inhaltlich und stilistisch bietet „Die Grauen Engel“ gelungene Kost. Die drei Erzählstränge, sieht man von einigen Zwischenepisoden ab, in denen einige bereits aus den Hörspielen bekannte Nebenfiguren verfolgt werden, werden flott vorangetrieben. Man verliert sich nicht in ruhigen Passagen und stillen Momenten, sondern gibt von der ersten Seite an Vollgas und reiht die Ereignisse in schneller Abfolge aneinander. Szenenwechsel folgt auf Szenenwechsel, mehr als zehn Seiten bleiben kaum einem der Protagonisten zur Verfügung. So kommen Burns, Bakerman und Kramer kaum dazu, sich über die Situation Gedanken zu machen, sondern werden von einem Schauplatz zum nächsten gehetzt. Die Dialoge sind kurz und dienen nur des Informationsaustausches, alles andere ist nebensächlich und wird knallhart rausgekürzt. Der stellenweise elliptische Satzbau verstärkt den Eindruck auf der formalen Ebene und führt dazu, dass man als Leser sprichwörtlich durch den Roman peitscht. Auch wenn nicht ständig Action herrscht, steht der Leser wie die Hauptfiguren fast immer unter Strom.

So sind die 200 Seiten schnell durchgelesen. Ein gutes Zeichen, denn langweilig ist die Lektüre nie gewesen. Aber auch Fastfood ist schmackhaft, und kann dann doch nicht befriedigen. An dem Gabriel-Burns-Slogan – „Es ist der Trip und nicht die Ankunft“ – ist also durchaus etwas dran. Für eine kurzweilige Unterhaltung und zur Ergänzung der Hörspielreihe okay und durchaus sinnvoll. Für die folgenden, bereits angekündigten Romane sollte der Trend aber von der leichten Lese-Kost in „Die Grauen Engel“ zu etwas gehaltvollerer Lese-Nahrung führen, die auf Dauer einfach besser sättigt.

http://www.ullsteinbuchverlage.de
http://www.gabrielburns.de/

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