Hennen, Bernhard – Elfenwinter

Bernhard Hennen hat sich mit der Fortsetzung zu seinem Erfolgsroman „Die Elfen“ nicht viel Zeit gelassen. Gerade einmal ein Jahr und zwei Monate hat es gedauert, bis er die Geschichte aus dem Elfenland nun mit einem weiteren Abenteuer weiterführt, und dieses Mal hat der Autor, der seit Beginn der Neunzigerjahre aktiv ist und auch schon vereinzelte Erzählungen und Abenteuer zu „Das schwarze Auge“ sowie Romane in „Magus Magellans Gezeitenwelt“ verfasste, die gesamte Arbeit im Alleingang erledigt. Ohne die Schützenhilfe seines vorherigen Schriftsteller-Partners James Sullivan hat Hennen mit „Elfenwinter“ eine recht düstere Fortsetzung kreiert, die jedoch nur an gewissen Eckpunkten etwas mit dem Vorgängerband gemeinsam hat. Die drei Hauptcharaktere aus „Die Elfen“ sind in diesem Buch nur noch Randgestalten, von denen der Mensch Mandred noch die wichtigste Rolle übernimmt; schließlich ist sein Sohn nun eine der Heldenfiguren. Ansonsten kann die Erzählung aber komplett für sich alleine stehen, weil die Handlungsebenen teilweise völlig verschieden sind und auch die Konflikte von einem ganz anderen Ausmaß sind bzw. in ganz anderer Form ausgetragen werden. „Elfenwinter“ erzählt nämlich in erster Linie von einem ziemlich brutalen Krieg gegen die Armee der Trolle und ist nur noch zweitrangig ein Abenteuer. Doch Fans des ersten Bandes brauchen sich deswegen noch lange keine Sorgen zu machen, denn „Elfenwinter“ ist sogar noch spannender als die erste Geschichte dieser Reihe und trotz der erneut umfangreichen Darstellungen auch ein ganzes Stück gradliniger als „Die Elfen“.

_Story_

Als Herrscherin der unsterblichen Lande ist die Elfenkönigin Emerelle nicht überall sonderlich beliebt. Die Anführerin des Volkes der Elfen ist in Vergangenheit vor allem deswegen in Ungnade gefallen, weil sie die mächtigen Vertreter ihrer Zunft übervorteilt hat, um so auch ihren eigenen Rang nicht zu gefährden. Damit einher sind schließlich aber auch einige Anschläge gegangen, denen die Königin jedes Mal nur knapp entrinnen konnte.

Aus diesem Grund versucht Ollowain, der Befehlshaber der königlichen Leibwache, seine Vorgesetzte auch von ihrem Vorhaben abzuhalten, persönlich das Fest der Lichter zu besuchen. Ollowain ist sich sicher, dass einer der Elfenfürsten die Mordanschläge geplant hatte und nun eine weitere Chance sieht, sich der Königin endgültig zu entledigen. Doch ihre Starrsinnigkeit siegt, und Emerelle besucht als Ehrengast des große Volksfest, jedoch nicht ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen seitens ihres Beschützerstabs. Ollowain hat nämlich in der jungen Bogenschützin Silwyna eine weitere Verbündete gefunden, die für den Schutz Emerelles sorgen soll. Trotzdem aber fällt die Königin einem weiteren Attentat zum Opfer und erliegt ihren Wunden.

Für die Trolle, die seit geraumer Zeit auf den Sturz der Königin und eine erneute Gelegenheit zum Angriff warten, scheint nun der Zeitpunkt der Rache gekommen zu sein, um an den Elfen, die ihnen ihr Land geraubt haben, Vergeltung zu üben. Und auch die rebellischen Elfenfürsten fühlen sich stärker als je zuvor und bejubeln die Machtergreifung. Doch ihr Jubel ist nur von kurzer Dauer, denn nach genauerer Untersuchung stellen sich die Toten als Doppelgänger der anvisierten Opfer heraus, und noch in der gleichen Nacht begibt man sich auf die Jagd auf die verschwundene Elfenkönigin und ihren Stab.

Diese hingegen sind ins Land der Menschen geflüchtet und erhoffen sich Zuflucht bei Mandreds Sohn Alfadas, der seine gesamte Jugend im Reich der Elfen verbracht hat. Alfadas ist zwar nicht begeistert von der Ankunft seiner ‚Gäste‘, nimmt diese jedoch trotzdem bei sich auf. Besonders das Erscheinen seiner ehemaligen Geliebten Silwyna ist ihm ein Dorn im Auge, zumal Alfadas mittlerweile eine Familie gegründet und die Liebschaften der Vergangenheit vollkommen verdrängt hat. Silwynas Rückkehr bringt ihn aber erneut in einen Herzenskonflikt, der im Laufe der Zeit immer schwerwiegender wird.

Auf Geheiß seines Königs Horsa wird Alfadas schließlich komplett von seiner Vergangenheit eingeholt: Er soll gemeinsam mit den Elfen in deren Welt zurückkehren, um dort die aufständigen Trolle zu bekämpfen und den Frieden zu sichern. Doch mit der Abreise seines Herres bringt er auch die Welt der Menschen in Gefahr, denn diese sieht sich plötzlich mittendrin in einem Machtkampf, der selbst vor unschuldigen Leben keinen Halt macht und den Krieg über die Grenzen hinaus bis in das einst friedliche Land Alfadas‘ bringt.

_Meine Meinung_

Bevor ich mit diesem Buch begonnen hatte, dachte ich eigentlich, dass hier die Geschichte von Mandred und seinen beiden Freunden aus dem Land der Elfen fortgesetzt wird, und irgendwie habe ich auf das Auftreten der bereits bekannten Helden auch im Laufe des ersten Viertels der Handlung noch irgendwie gehofft. Andererseits ist die Erzählung in diesem Fall auch um einiges härter und definitiv grausamer als der Plot von „Die Elfen“, und somit waren auch gänzlich andere Charaktere vonnöten. Nuramon und Farodin, die Elfen aus dem ersten Buch, waren dann doch etwas zu melancholisch, als dass sie die geeigneten Personen für den Kampf gegen die Trolle gewesen wären, und daher eignen sich neue Charaktere wie Ollowain und Alfadas sicherlich besser. Und dennoch hat man irgendwie den Eindruck, als wäre die Geschichte um die beiden ‚alten‘ Elfen noch nicht zu Ende erzählt, aber dies kann ja eventuell im geplanten dritten Band „Elfenlicht“ noch geschehen.

Losgelöst von diesen Gedanken war es aber dieses Mal trotzdem nicht ganz so leicht, einen sofortigen Zugang zur Handlung zu bekommen. Das mag einerseits sicherlich an der eigenen Erwartungshaltung gelegen haben, andererseits aber auch daran, dass Hennen bei „Elfenwinter“ auch unumgänglich mehr Zeit benötigte, um die passende Rahmenhandlung auzubauen und die Situation in ihrer Gesamtheit vorzustelllen. Wenn man nun also nach einhundert Seiten immer noch glaubt, man ist nicht richtig ‚drin‘, dann ist das keinesfalls ungewöhnlich, sondern einfach nur ein Nebeneffekt von Hennens detailreichen Schilderungen, die auch dieses Mal trotz ihrer zwischenzeitlichen Langwierigkeit ganz klar zu den Stärken des Krefelder Autors zu zählen sind. In diesem Fall erweitert Hennen den Facettenreichtum jedoch noch um weitere Nuancen. Es sind nicht nur die Charakterzeichnungen und Landschaftsmalereien, die hier sehr umfangreich zelebriert werden, sondern vor allem auch die Schilderungen der Kriegsszenarien mit all ihrer Grausamkeit – angefangen bei der grundlegenden Schlachtthematik bis hin zu den abscheulichen Riten der Trolle. Hier sind dann auch einige Parallelen zu seinen Frühwerken im Bereich des Rollenspiel-Epos [„Das Schwarze Auge“ 2110 zu erkennen, bei denen die Kampfszenen ja ebenfalls eine wesentliche Rolle übernahmen.

Auf der anderen Seite hat „Elfenwinter“ ein wenig von der Eigenwilligkeit seines Vorgängers eingebüßt. Bemühte sich Hennen zusammen mit seinem Co-Autor James Sullivan in „Die Elfen“ noch darum, dem Genre durch vollkommen neue Elemente eine Frischzellenkur zu verpassen, ist das neue Buch im Grunde genommen ein recht gewöhnlicher Fantasy-Roman, der sich allerdings durch eine fabelhafte Handlung von der breiten Konkurrenz abhebt. Was halt nur fehlt, sind weitere neue Elemente, wie sie im Vorgänger zum Beispiel durch die Zeitsprünge gegeben waren. Stattdessen setzt der Autor so manches Mal auf Klischees wie etwa bei der seltsamen Beziehung zwischen Alfadas und der mysteriösen Silwyna, die aber wegen ihrer stets gelungenen Umsetzung trotz allem prima zur Erzählung passen. Lediglich die Einbeziehung einer Schamanin darf als neuer, frischer Aspekt gewertet werden, den Hennen ebenfalls sehr gut umsetzt.

Zum Schluss habe ich dann aber doch noch einen Kritikpunkt anzubringen, der sich vornehmlich auf den Titel des Buches bezieht. Natürlich war bereits der Name des ersten Buches aufgrund von Erfolgsepen wie „Die Orks“ und „Die Zwerge“ kalkuliert, passte aber auch zur Handlung, weil es eben ausschließlich um das Volk der Elfen ging. Dieses Mal stehen die Elfen aber nicht mehr einzig und alleine im Mittelpunkt; vielmehr geht es hier um den Kampf zwischen Gut und Böse, bei dem die Elfen zwar auch keine unwichtige Rolle spielen, andererseits aber auch keine höhere Position einnehmen als die Trolle oder die Menschen. Würde man also den Namen eines dieser Völker auf dem Cover finden, wäre das ebenfalls gerecht. Aber gut, es sei dem Verlag gegönnt, dass er auf dem bewährten Erfolgsrezept aufbaut, auch wenn die Handlung kein direkter Nachfolger zur Story von „Die Elfen“ ist.

Es bleibt nun abzuwarten, ob Hennen wie geplant seine Elfenromane zur Trilogie ausweitet. Angesichts des erneut superben neuen Buches wäre dies jedenfalls äußerst wünschenswert, denn es gibt nur wenige Romane von dieser Länge, bei denen man das Buch niemals aus der Hand legen möchte. Es ist jedenfalls nicht gewöhnlich, dass man plötzlich aufsieht, 400 Seiten am Stück gelesen und die Zeit dabei völlig außer Acht gelassen hat. Solche Begebenheiten zeichnen echte Klassiker dieses Genres erst aus, und diesbezüglich erfüllt der zweite Elfenroman wirklich alle Kriterien. Zudem ist es nicht dringend erforderlich, den ersten Roman bereits zu kennen – es ist höchstens hilfreich -, gerade weil sich die grundlegende Thematik in eine andere Richtung bewegt.

Bessere Voraussetzungen könnte ich mir persönlich dann auch gar nicht mehr vorstellen, um einen solchen Roman zu empfehlen. Bernhard Hennen weiß erneut zu begeistern und hat das Genre mit einem weiteren Meisterwerk beglückt. Kaum ein Autor vermag es, eine spannende Handlung so umfassend darzustellen, ohne die Geschichte dabei zu bremsen, wie es der Schöpfer von „Elfenwinter“ schafft. Und aus diesem Grunde sollten sich Fans jeglicher Fantasy-Sub-Genres auch mit diesem Buch beschäftigen, denn hier trifft man alle Facetten in gebündelter Form an.

http://www.bernhard-hennen.de/

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