Merlau, Günter – Böses Erwachen (Die Schwarze Sonne 2)

Folge 1: [„Das Schloss der Schlange“ 2317

_Story_

1886: Ein Jahr nach den schrecklichen Ereignissen steht Adam Salton immer noch im Bann der fürchterlichen Tragödie um seine Geliebte Mimmi Watford. Seitdem hat er sich in ein permanentes Schweigen gehüllt, das auch durch den Hilferuf des berühmten Romanschreibers Jules Verne, der sich Unterstützung von Adams Freund Nathaniel De Salis erbittet, nicht aufgehoben wird. Gemeinsam reisen die beiden nach Frankreich und treffen den Autor im hektischen Treiben des französischen Städtelebens. Und genau in dieser Hektik entflieht Adam seiner Lethargie zum ersten Mal wieder, um sich bei einem plötzlichen Attentat auf Verne in die Schussbahn des tödlichen Geschosses zu werfen.

Während Adam im Koma landet, fürchtet Verne im Krankenhaus um den Verlust seiner Gehfähigkeit. Doch der Autor muss demnächst noch weitaus Schlimmeres fürchten. Gemeinsam mit De Salis hat er einst eine Expedition zum Nordpol und von dort aus ins Erdinnere hinein gestartet. Dort erlebten die beiden ungeheure Dinge, über die sie per Eid Stillschweigen vereinbarten. Nun aber hat Verne seine Geschichte für einen neuen Roman verwendet und seinen Kumpanen verraten.

De Salis reist auf sofortigem Wege zu Vernes Verleger nach Monaco, um das Manuskript sicherzustellen und ein geheimes Artefakt in seinen Besitz zu bringen. Doch währenddessen geschehen bereits weitere schreckliche Dinge, die Adam Salton in seinem komatösen Schlummer ebenfalls im Traum verarbeitet.

_Meine Meinung:_

Ich war seinerzeit schon vom ersten Teil dieser Serie schwer angetan, ahnte zu diesem Zeitpunkt aber noch lange nicht, welches Ausmaß „Die Schwarze Sonne“ in den noch folgenden Episoden annehmen sollte. War „Das Schloss der Schlange“ bereits von einigen mysteriösen, übersinnlichen Vorgängen geprägt, entführt uns Regisseur Merlau in „Böses Erwachen“ auf eine rasante gefühlsmäßige Achterbahnfahrt, deren komplexer Aufbau zwar zunächst abschrecken mag, später dann aber dieses schaudernde Kribbeln auslöst, welches einen immer dann befällt, wenn einen eine spannende Geschichte am gesamten Körper gepackt hat.

Trotzdem wollen wir erst einmal mit den Schwierigkeiten der zweiten Folge beginnen: Problematisch ist bei „Böses Erwachen“ zunächst einmal das stetige Überlagern verschiedener Stimmen. Während sich im Vordergrund die eigentliche Action abspielt, hört man aus dem Hinterhalt ständig Stimmen, die zwischenzeitlich gänzlich in die Irre führen. Dies erschwert bereits in den ersten Szenen, in denen Adam das Aufeinandertreffen mit Jules Verne über die Stimme des Sprechers aus seiner Perspektive erzählt, die Orientierung und wird besonders dann, wenn die Handlung sich immer kürzer währenden Zeitsprüngen unterwirft, wirklich verzwickt. Weil zudem auch noch einige Geschehnisse der ersten Episode rekapituliert werden, sollte man gar nicht erst in Erwägung ziehen, „Böses Erwachen“ anzutesten, wenn man den Vorgänger nicht kennt.

Weiterhin muss dem Hörer von Anfang an klar sein, dass „Die Schwarze Sonne“ nichts für zart Besaitete ist – zumindest nicht dieser zweite Teil. Definierte sich „Das Schloss der Schlange“ noch weitestgehend über eine spannend inszenierte Abenteuergeschichte, wird es in „Böses Erwachen“ stellenweise echt grausam, wobei vor allem die Schritt für Schritt aufgearbeitete Vergangenheitsbewältigung harter Tobak ist, äußern sich doch hier all die finsteren Eigenschaften der machthungrigen menschlichen Seele.

Allerdings muss man sehen, was man als Gegenleistung bekommt: ein waghalsiges, ergreifendes, mit einzelnen Horror-Elementen versetztes Hörspiel-Abenteuer mit tollen Sprechern, einer begeisternden Story und nachhaltigem Effekt. Alleine schon die Tatsache, dass Günter Merlau eine historische Figur wie Jules Verne in seine Story einbezogen bzw. auf welche Art und Weise er dies getan hat, verdient Respekt und Beachtung. Man ist tatsächlich so mutig, seinen Roman [„Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ 2282 als tatsächliches Ereignis zu interpretieren und spinnt darauf aufbauend einen Plot, der wahrlich Unfassbares beinhaltet – und sich außerdem auf gar keinen einzigen Handlungsschwerpunkt festlegt.

Schön gelungen ist auch, wie sich die tragenden Charaktere entwickeln: Adam Salton, einst neugierig, euphorisch und voller Lebensmut, hat mit sich und seiner Umwelt abgeschlossen. Sein Herz ist gebrochen, sein Lebenswille von Depressionen beeinträchtigt, die ihn zum endgültigen Schweigen geführt haben. Ausgerechnet er ist es, der ein weiteres Mal von der Realität enttäuscht wird, im Koma landet und schließlich seine persönliche Vergangenheit aufarbeitet, um das Handeln seiner Mitstreiter zu verstehen. Christian Stark gibt in dieser Rolle eine fantastische Figur ab, ebenso wie Harald Halgardt als leicht zerstreuter Nathaniel De Salis und Hörspiel-Urgestein Konrad Halver als chaotischer Romanautor Jules Verne.

Die Geschichte lebt eindeutig von diesen starken Charakteren und die durch sie hervorgerufene Stimmung. Natürlich spielen diesbezüglich auch die einmal mehr tollen Soundeffekte eine gewichtige Rolle, doch „Die Schwarze Sonne“ avanciert dennoch nicht zum typischen |LAUSCH|-Bombast-Feuerwerk. In „Böses Erwachen“ werden die Effekte indes eher zweckdienlich eingesetzt, sorgen an den entsprechenden Stellen (vor allem in den schaurigen Rückblicken) aber für ein Mehr an Intensität. Hinzu gesellen sich außerdem einige tolle klassische Musikstücke, die einfach prima mit der Zeit, in der die Geschichte spielt, harmonieren. Auch hier ist also alles nahezu perfekt.

Alles in allem muss man auf jeden Fall resümieren, dass sich „Die Schwarze Sonne“ inhaltlich enorm weiterentwickelt hat. Die Erzählung bekommt mit einem Mal eine viel größere Tragweite, so dass man mit langsamen Schritten ständigen tiefer in ein komplexes Gedankenkonstrukt eintaucht, das jedoch bis zum Schluss ein großes Mysterium mit ungewissem Ende bleibt. Es wird also definitiv auch noch eine Fortsetzung geben, auf die man bereits jetzt sehr gespannt sein darf. „Böses Erwachen“ bietet bis dahin aber genügend Stoff, der erst einmal verdaut werden will. Insgesamt wird man nämlich sicherlich länger als die Spielzeit von gut einer Stunde mit dieser Story beschäftigt sein.

|70 Minuten auf 1 CD|
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