Sniadanko, Natalka – Sammlung der Leidenschaften

Was darf man von einem Buch erwarten, das den Titel „Sammlung der Leidenschaften“ trägt? Einen Porno? Leidenschaften in Form von bizarren Hobbies wie dem Sammeln von Totenköpfen? Eine Antwort erhält man, wenn man das Buch der ukrainischen Autorin Natalka Sniadanko liest.

An dieser Stelle kann eine Entwarnung gegeben werden: „Sammlung der Leidenschaften“ ist ein regelrecht keusches Buch. Sniadanko geht es weniger um aufmerksamkeitsheischende Darstellungen von Geschlechtsverkehr, vielmehr zeichnet sie im Plauderton ein unterhaltsames Portrait von Ich-Erzählerin Olessja und ihren Erfahrungen mit der Liebe. Das beginnt bereits im Grundschulalter mit Tolja, dem dicklichen Mitschüler mit einer Vorliebe für Bücher. Diese teilt er mit Olessja, aber es bringt die beiden einander nicht näher. Tolja ist einfach zu dickfellig, um Olessjas (in ihren Augen) gewitzte Anmachversuche zu verstehen. Anders sieht es da mit dem Mathematikdozenten Kostja aus, der trotz mittleren Alters noch stolz bei seinen Eltern wohnt und in Olessja die Frau seines Lebens sieht – egal, ob sie auch dieser Meinung ist oder nicht.

Wie man sieht, geht es in Olessjas Liebesleben auf und ab. Die Sammlung ihrer Leidenschaften reicht von Rockmusikern bis zu deutschen Adligen, von schwulen Sängern bis zu skurrilen Vermietern – Sniadanko lässt sich etwas für ihre Ich-Erzählerin einfallen, ohne dabei unrealistisch zu werden. Sie bleibt stets auf dem Boden der Tatsachen und zieht die Ereignisse trotz ihres feinen Sinnes für Humor niemals ins Lächerliche. Allerdings fehlt es der „Sammlung der Leidenschaften“ an manchen Stellen an Relevanz: Olessjas Erlebnisse sind ganz interessant, aber es fehlen der Schwung oder ein übergreifendes Thema, ein roter Faden, der die Kapitel verbindet. Dadurch kommt es immer wieder zu Längen und man hat keine große Lust weiterzulesen, da sich nichts Großes ankündigt und auch der Schreibstil an solchen Stellen nicht immer genug Zugkraft entwickelt.

Insgesamt kann Sniadankos Erzählweise jedoch überzeugen. Das hängt vor allem mit der sympathischen Olessja zusammen, die offen und in gehobenem Plaudertonfall berichtet. Sie ist eine sehr angenehme Erzählerin, die sich nie zu sehr in den Vordergrund drängt, mit ihrer Meinung aber auch nicht hinter dem Berg hält. Das ganze Buch ist von einem (selbst-)ironischen Tonfall durchzogen und reitet gerne auf verschiedenen Klischees, vornehmlich die der Ukraine und Deutschlands, herum. Teils gelingt dies, teils wird es aber auch zu einseitig, und nicht immer lässt sich das Augenzwinkern erkennen.

Natalka Sniadanko, die als Journalistin unter anderem auch für die |Süddeutsche Zeitung| geschrieben hat, legt trotzdem einen sehr reifen, durchdachten Schreibstil an den Tag, dem man die Übung anmerkt. Sie benutzt ein gehobenes, sehr vielfältiges Vokabular und drückt sich häufig humorvoll aus. Außerdem weiß sie Stilmittel wie Metaphern und Vergleiche in ihre Geschichte einfließen zu lassen, ohne dass sie diese beschweren.

In der Summe ist „Sammlung der Leidenschaften“ kein schlechtes Buch. Die Idee dahinter ist interessant, aber die Ausarbeitung nicht immer sauber. An einigen Stellen gibt es Längen und auch der Schreibstil hätte manchmal ein wenig flotter sein können. Dennoch sollte man Natalka Sniadanko im Auge behalten, denn ihr Roman verspricht definitiv einiges.

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