Strasser, Patrick – Hier ist Hoeneß!

_Es ist eigentlich paradox._ Jahrelang gehörte Uli Hoeneß zu den schillernden Gestalten der deutschen Fußballwelt, polarisierte ständig mit Statements und Äußerungen über die Stellung ‘seines‘ FC Bayern, galt als Haarspalter der deutschen Ballsportnation, wurde für seine legendären Wutreden und seinen permanenten Hitzkopf auch wieder als Kultobjekt gefeiert. Nun, was ist jetzt paradox? Definitiv die Tatsache, dass der Mann, der sich mit seinem Übergang in das Präsidentschaftsamt des größten deutschen Interessenvereins im Prinzip in den Vorruhestand begeben hat, plötzlich in der hiesigen Literatur so umfassend gewürdigt wird. Christoph Bausenwein hat unlängst mit der sehr ausführlichen Biografie „Das Prinzip Uli Hoeneß“ erfolgreich vorgelegt und ein klares Zeichen in Sachen Persönlichkeitsbeschreibung für den deutschsprachigen Markt gesetzt. Mit anderen Worten: Viel besser, detaillierter und wortgewandter kann man eine objektive Geschichte über einen solch komplex gestrickten Menschen kaum zusammentragen.

Patrick Strasser hat es daher ungleich schwerer, mit seinem Werk „Hier ist Hoeneß!“ Fuß zu fassen und den vielleicht nicht beabsichtigten, aber unvermeidlichen Konkurrenzkampf ohne Blessuren zu überstehen. Alleine schon die reduzierte Quantität macht ihm einen klaren Strich durch die Rechnung, da er auf den gut 300 Seiten nicht alle pikanten Themenbereiche anreißen kann, die im Zusammenhang mit dem einstigen Bayern-Manager wirklich belangvoll sind. Außerdem konzentriert sich Strasser nicht auf die gesamte Historie, sondern folgt in seiner Abhandlung nahezu ausschließlich brisanten Inhalten und den insgesamt wohl bekannteren Ausschnitten aus der persönlichen Biografie – knackig und bündig, fokussiert mag man auch sagen. Aber ist das dann auch noch der wahre Hoeneß, der sich hier zu Wort meldet?

Nun, die Antwort muss im Nachhinein ebenfalls ganz klar Ja lauten. Strassers Arbeit ist definitiv oberflächlicher, man mag auch sagen sensationslüsterner, deswegen aber kaum weniger lesenswert, zumindest als unabhängiges Werk. Die gesamte Aufteilung bringt einen komplett anderen Blick auf die Dinge, da nicht im klassischen Zeitraffer berichtet wird, sondern mit dem jeweiligen Schwerpunkt auf bestimmte Verhaltensweise und Konfliktpunkte. So stellt Strasser im Laufe seiner Schilderung im Kapitel „11 Feinde müsst ihr sein“ ein komplettes Fußballteam mit Persönlichkeiten auf, die Hoeneß in seiner Laufbahn zu hassen gelernt hat. Dies zunächst als Beispiel. Doch auch sonst handelt der Autor vollkommen themenbezogen und beschreibt einerseits die gute Seele des stets hochroten Enthusiasten, andererseits aber auch seine Einstellungen zu klassischen Management-Themen oder eben auch die wohlbekannte Hitzköpfigkeit, die ihm schon die verschiedensten Titel in mehr als 30 Jahren beim FC Bayern eingebracht hat.

Nur, und da würde man dem Werk seines Kollegen Bausewein jederzeit den Vorzug geben: Den Anspruch, das Leben dieses Menschen komplett erfasst zu haben, seinen Lebensweg im Anschluss verstehen zu können und vor allem den Charakter mit all seinen Facetten in den Blickpunkt gerückt zu haben, sollte Strasser an sein Buch nicht haben. Es geht eher darum, das mediale Interesse an Hoeneß zu beurkunden, herauszustellen, warum dieser Mann selbst in Zeiten jenseits von Gut und Böse eine der gefragtesten Persönlichkeiten in der TV- und Boulevardlandschaft geblieben ist, letzten Endes aber auch sein verwöhntes Erfolgsstreben an festen Eckpunkten zu dokumentieren und den postwendenden Erfolg in seiner allgemeinen Kontrastwirkung zu analysieren.

_Wo Bausewein vorrangig Infotainment_ auf höchstem Niveau bietet, geht es bei Strasser um die pure Unterhaltung, oftmals angeheizt durch einen gewissen Zynismus, zugleich aber auch von humorigen Passagen und eleganten Wortspielereien untermalt. Außerdem spürt man, dass der Autor eine bestimmte Distanz zu der beschriebenen Person hat und sich ihr zwar verbunden fühlt, aber dennoch auch ein kritisches Augenmerk auf gewisse Situationen und Lebensabschnitte von Herrn Hoeneß legt. Die Daum-Affäre beispielweise wird kurz hervorgehoben, dann natürlich das kritische Verhältnis zu Intimfeind Willi Lemke, schließlich aber auch die Verdienste für den Verein, die persönliche Nähe zu Fans und Spielern und als allerletztes auch die ununterbrochenen Auseinandersetzungen mit den Herrschaften Rummenigge und Beckenbauer, die vor allem die letzten Jahre am Kaiserhof geprägt haben. Erstaunlich hierbei ist im Übrigen, dass Karl-Heinz Rummenigge als einer der engsten Vertrauten und Freunde vorgestellt wird, wohingegen in Bauseweins Buch noch von einer kleinen Hassliebe die Rede ist, im Zuge derer sich Hoeneß vom Bayern-Vize in seiner Position stets gefährdet sieht – andere Blickwinkel, andere Meinungen.

Doch gerade Letzteres gibt am Ende doch den Ausschlag pro Strasser, selbst wenn man in „Das Prinzip Uli Hoeneß“ eigentlich schon alles Wissenswerte über den Menschen und die Karriere des vielleicht gewieftesten wie emotionalsten deutschen Geschäftsmannes erfahren hat. Hier und dort geht „Hier ist Hoeneß“ ein bisschen mehr in die Tiefe und liefert die nötigen Ergänzungen zu manchen kleinen Details. Aber auch das ist wichtig: Patrick Strasser schreibt letzten Endes eine Ergänzung, die als eigenständiges Werk sicher ganz gut funktioniert, für eine umfassende Biografie aber zu sehr an der Oberfläche bleibt, zumindest in vielen bedeutsamen Aspekten. Vergleichbar sind die beiden Hoeneß-Bücher daher nur in den vielen inhaltlichen Parallelen. Da man aber jeweils von einem völlig anderen Ansatz startet, sollte man schon beide gelesen haben, um das Phänomen Uli Hoeneß besser begreifen zu können. Muss man sich indes entscheiden, ist Bauseweins Arbeit aufgrund ihrer vermehrten Vielschichtigkeit sicher vorzuziehen!

|Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
ISBN-13: 978-3868830484|
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