Wei Hui – Marrying Buddha

Wei Hui ist wohl Chinas bekannteste Schriftstellerin. Die 31 Jahre alte Chinesin hat mir ihrem Debüt „Shanghai Baby“ (in Deutschland 2001 veröffentlicht) für einen handfesten Skandal gesorgt. In ihrer chinesischen Heimat fiel der Roman bei der Zensur durch, da er pornografisch und dekadent sei. Das Verbot im eigenen Land ließ Leser in anderen (westlichen) Ländern aufhorchen, „Shanghai Baby“ avancierte zu einem weltweiten Bestseller, in China bleibt das Buch jedoch verboten.

Nun erschien der zweite Roman der Chinesin, es ist eine Fortsetzung zu „Shanghai Baby.“ Wieder ist Coco die Protagonistin und Ich-Erzählerin, die den Leser in sympathischer Weiser an ihrem für chinesische Verhältnisse skandalösen Liebesleben teilhaben lässt. Stärker noch als bei „Shanghai Baby“ hat man diesmal das Gefühl, dass die Distanz zwischen Coco und Wei Hui eine nur sehr geringe ist. Coco hat wie ihre Erschafferin einen in China verbotenen Roman namens „Shanghai Baby“ geschrieben und ist nach New York gezogen. Dort verliebt sie sich in den Japaner Muju, eine tiefe Beziehung entwickelt sich und die alles andere als traditionsbewusste Coco denkt über Heirat, Familie und ihre Wurzeln nach. Schon komisch, dass dies gerade in New York passiert, aber wie der Leser erfährt, scheinen New York und Shanghai kulturell gar nicht so weit voneinader entfernt zu sein. Ein interessanter Punkt an diesem Roman ist der zuweilen faszinierende Vergleich zwischen beiden Metropolen. Dabei zeichnet die Autorin wie schon in ihrem Debüt das Bild eines Shanghais, das immer kapitalistischer und hedonistischer wird und wo der Widerstand der alten Tradition schwindet. So schreibt sie von New Yorks Chinatown: |“Die Chinatowns in Übersee sind wie alte Güterzüge, die langsam mit ihrer Fracht aus alten chinesischen Traditionen und Erinnerungen dahinrattern. Im Gegensatz dazu ist China ein Hochgeschwindigkeitszug, der mit seiner sich entwickelnden Marktwirtschaft in atemberaubender Geschwindigkeit vorwärtsrast.“|

Zentrales Thema ist jedoch nicht die Kultur zweier Städte im Vergleich, sondern die Liebe und alles, was dazugehört. So glücklich Coco mit ihrem Muju in New York auch ist, spannend ist das natürlich noch nicht. „Marying Buddha“ ist aus der Retrospektive geschrieben. Obwohl der überwiegende Teil in New York spielt, ist die Protagonistin schon längst aus New York zurückgekehrt und die Beziehung zu Muju scheinbar vorbei. Coco zieht es nach Putuo, einer kleinen Insel mit buddhistischen Tempeln. Auf dieser Insel wurde sie geboren und dort sucht sie Ruhe, lässt ein Jahr New York Revue passieren. Schritt für Schritt entblättert sie die Liebesgeschichte zwischen Muju und sich mit allen erotischen Details, bis sie bei einer Lesereise die Beziehung zerbröckeln lässt. In Spanien trifft sie auf Nick, einer New Yorker Zufallsbekanntschaft, der sie kaum zu widerstehen vermag. In Argentinien besucht Muju sie bei ihrer Lesereise. Angesichts der hoffnungslosen Situation in Argentinien und der mit aufkeimenden Problem konfrontierten Beziehung dürfte die Ortswahl der Autorin alles andere als ein Zufall gewesen sein. Nach der Lesereise kehrt Coco allein nach Shanghai zurück. Als sie schwanger wird, weiß sie schließlich nicht. von wem.

„Marrying Buddha“ ist ein flottes Buch und verfolgt den so erfolgreichen Stil von „Shanghai Baby“ weiter. Jedem Kapitel hat die Autorin Zitate vorangestellt; dass sich da Zitate aus buddhistischen Lehrbüchern mit Zitaten aus „Sex and the City“ abwechseln, ist bezeichnend. Der Roman schwebt anders als das Debüt zwischen dem bunten und aufregenden Leben pulsierender Metropolen und der Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, thematisch gibt es also einen Unterschied zwischen beiden Büchern. Genau dieser Unterschied in Kombination mit Huis VIP-Status dürfte auch dazu geführt haben, dass man zumindest diesen Roman in China frei kaufen kann. Zum Thema Verbot äußert sich die Protagonistin, die ja dasselbe Schicksal wie Wei Hui erträgt, ausgiebig im dreizehnten Kapitel. Hier sind die autobiografischen Züge des Romans natürlich auch am deutlichsten. In New York hat Coco ein Stipendium der Ostasienabteilung der Columbia University angenommen. Als zu einer Veranstaltung alte chinesische Autoren anreisen, wird deutlich, was Wei Hui und ihre vom Staat gestützten Kollegen trennt: Alter und Geschlecht. Etwas verletzt und ein bisschen feministisch klingt sie, wenn sie schreibt: |“Nicht ein einziger machte Anstalten, sich freundlich mit mir zu unterhalten. Mein Englisch, die mehreren hundert Dollar, die ich in Form von Kleidung an mir trug, ja selbst die Pickel in meinem Gesicht, all das war unverzeihlich für sie. Nichtsdestotrotz hatten sie mir im Geiste vermutlich schon mehrmals die Kleider vom Leib gerissen.“ |

Stellen wie diese sind die bestechendsten an dem Roman, ebenso wie die interessanten Vergleiche zwischen Amerika und China. Leider ist die Liebesgeschichte nicht ganz so faszinierend; zwar bieten sich immer mal wieder interessante Gedanken zum Thema Nummer eins, doch wirklich mitreißend ist der „Roman über Lust und Leidenschaft“ dann doch nicht, unterhaltsam aber allemal.

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