Wiesler, André u. a. – LodlanD – In den Tiefen des Meeres (Grundregelwerk)

_Allgemein_

„LodlanD“ spielt auf unserem Planeten, allerdings in der Zukunft. Das Weltklima ist so dramatisch abgekühlt (ähnlich wie bei dem Film „The Day After Tomorrow“), dass sich die Menschen ins Meer zurückziehen mussten, da die Erdoberfläche nicht mehr bewohnbar ist. Da die Technik auf einem überschaubar höheren Stand ist als unsere heutige, leben die Menschen in riesigen Kuppelstädten, tief auf dem Grund des Meeresbodens.

Selbstverständlich hat sich auch die Art der Fortbewegung radikal verändert. So werden jetzt U-Boote als reguläres Verkehrsmittel betrachtet. Diese werden dann auch genutzt, um zwischen den sieben bekannten Ländern Arbiträa, Stawa, LoD, Bund Freier Städte (BFS), Scientia, Kobe-Uppland und Union Nordischer Länder (UNL) zu verkehren. Organisiert sind diese Länder in einer Art Staatenbund, dem so genannten Rat der Länder (RDL).

Neben der technischen Seite haben sich auch die Menschen weiterentwickelt, denn etwa ein Prozent der Bewohner des RDL haben psionische Begabungen, sprich Kräfte wie Telepathie, Telekinese oder Ähnliches. Auch geklonte Menschen sind nichts wirklich Außergewöhnliches in „LodlanD“.

_System_

In „LodlanD“ wird ein System genutzt, das auf Prozentwürfe zurückgreift. Gewürfelt wird mit zwei zehnseitigen Würfeln (W10), einer gibt die Zehner- und der andere die Einerstelle an (zwei Nullen entsprechen einer Hundert). Wenn man bei einer Probe kleiner/gleich seinem Wert würfelt, hat man diese bestanden. Die Attribute haben zu Beginn einen Wert zwischen 20 und 80, sind allerdings im Laufe des Spiels bis zur 99 steigerbar. Auch die Talente und PSI-Kräfte haben einen Wert zwischen null und hundert, doch hat man bei den Talenten häufig eine gewisse Grundbegabung. So weist das Talent Menschenkenntnis bei jedem von Anfang an eine fünfundzwanzigprozentige Grundchance auf, auch wenn man kein Psychologe oder Ähnliches ist. Bei berufsspezifischen Talenten, wie Geologie zum Beispiel, hat man bei einer Grundchance von 0 % keine Möglichkeit, die Proben ungelernt zu bestehen. Da es bei „LodlanD“ keine vorgegeben Klasseneinteilungen oder Professionen gibt wie in vielen anderen Rollenspielen, bleibt es dem Spieler selbst überlassen, was sein Charakter kann oder nicht, solange er sich an die vorgegebene Punktezahl der Fertigkeiten hält.

Hat man eine Fertigkeit bis zu einem Wert von 60 % gesteigert, wird angenommen, dass man alles normal Wissenswerte über diese Fertigkeit kennt. Will man den Wert weiter erhöhen, muss man sich spezialisieren. So kann man etwa Schiffe steuern auf 60 % erhöhen, möchte man aber besser werden, muss man sich auf einen der verschiedenen Schiffstypen spezialisieren.

Die Attribute und die Fertigkeiten sind voneinander unabhängig. Doch bestimmen die Attribute unter anderem die Werte der Geistigen Ausdauer und der Lebensenergie.

Wenn PSI-Kräfte gewirkt werden oder man geschlagen wird, verliert der Charakter Geistige Ausdauer, bei richtigen Schäden verliert er Lebensenergie. Diese beiden Werte werden in je vier Teile gespalten. Sobald man durch Schaden vom ersten Viertel in das zweite rutscht, gibt’s einen Malus auf die weiteren Aktionen. Dieser Malus erhöht sich dann je nach erreichtem Viertel weiter.

_Mein Eindruck_

„LodlanD“ ist ein sehr gelungenes Regelwerk. Man merkt durchgehend, dass sich die Autoren und Mitarbeiter einige Gedanken über ihr System gemacht haben. Dieses bietet in einem sehr gut ausgewogenen Rahmen sowohl genügend Freiheiten für erfahrene Spieler als auch sinnvolle und einfache Grundregeln für einen Anfänger. So gibt es etwa für den Schiffskampf eine einfache Grundregel und eine optionale, differenzierte und realistischere Zweitregel für Fortgeschrittene.

Auch die Trennung der Attribute von den Fertigkeiten ist sinnvoll, denn dadurch hat der Spieler zum einen die maximale Gestaltungsfreiheit bezüglich des Könnens seines Charakters. Zum anderen ist eine solche Zuordnung (fast) immer ein fauler Kompromiss, da meistens einfach mehrere Attribute zutreffen. Wer will denn etwa entscheiden, ob die Fertigkeit Waffenloser Kampf auf die Stärke, die Geschicklichkeit oder die Konstitution geht?

Obwohl „LodlanD“ in der Zukunft spielt, hat es mit den bekannten Dark-Future-Rollenspielen wenig gemein. So sind zum Beispiel Schusswaffen in der RDL wirklich eine Besonderheit und sehr selten. Wenn man mal kurz darüber nachdenkt, wird einem sicherlich schnell klar, was ein Fehlschuss für kathastrophale Folgen haben könnte. Daraus ergibt sich, dass die Spieler ihre Köpfe anstrengen müssen, und nicht einfach nach Schema F: „Erst schießen, dann fragen!“ vorgehen dürfen. Hier sind Ideen und gutes Rollenspiel gefragt.

Die Psi-Kräfte hingegen machen den fantastischen Aspekt bei „LodlanD“ aus. Es ist aber nicht so, dass diese Kräfte das Spielgleichgewicht durcheinander bringen würden. Diese sind zwar ziemlich nützlich, allerdings nicht wirklich mächtig. Desweiteren ist es durchaus möglich, komplett auf diese Kräfte zu verzichten, wenn man auf diesen Aspekt keine Lust hat, denn es wird extra betont, dass kein offizielles „LodlanD“-Abenteuer so aufgebaut sein wird, dass es ohne Psi-Kräfte nicht gelöst werden könnte.

Ein großes Plus dieses Rollenspiels ist die wissenschaftliche Fundiertheit. Man merkt einfach an fast jeder Stelle, dass es wirklich so oder so ähnlich sein könnte, wenn bei uns einmal die Erde abkühlen sollte. Angefangen von der Beschreibung der Ernährung und Lebensweise eines Lodländers über die originalgetreuen Seekarten bis hin zur Zeichnung der (U)-Boote. Auch die lange Liste der Danksagungen an etwaige Wissenschaftler für deren Rat ist beeindruckend. Um es in der Seemannssprache auszudrücken: Hier wird kein Seemansgarn gesponnen! Dieser enorme Aufwand ist es auf jeden Fall wert, belohnt zu werden.

Kommen wir nun zu meinem einzigen, kleinen Kritikpunkt: Die Namensgebung. Ich meine, ein Staat namens Scientia, in dem hauptsächlich Wissenschaftler leben bzw. an der Macht sind, und der eine Hauptstadt namens Logika hat, ist beileibe nicht der Höhepunkt kreativer Ergüsse! Allerdings ist das eher lustig als störend, denn ansonsten sind die Länder sehr interessant gestaltet.

So ist LoD eine Freihandelzone, in der fast alles verkehrt, vom reichen Händler bis zum letzten Abschaum, am BFS hätte George Orwell („1984“) seine wahre Freude gehabt, und die Piratenjägernation Arbiträa ist allemal für etliche Abenteuer zu gebrauchen. In fast jedem Land gibt es entweder soziale oder ethische Probleme, die ein anspruchsvolles Rollenspiel ermöglichen. Sehr positiv sind auch die „weißen Flecken“. Diese sind zum Teil Lokalitäten oder Personen in „LodlanD“, die in keiner folgenden Publikation beschrieben werden und so dem Spielleiter völlig zu freien Entfaltung zur Verfügung stehen.

Die Aufmachung ist gut, wenn auch nicht gerade überragend. Äußerst vorbildlich ist auch der Online-Support der „LodlanD“-Crew. Jedes Grundregelwerk enthält einen Code, mit dem man sich unter http://www.lodland.de als Spielleiter registrieren und somit das umfassende, kostenlose Downloadangebot (Abenteuer, Regelergänzungen, Charakterbögen etc.) nutzen kann. Die Homepage ist auf jeden Fall einen Besuch wert.

_Fazit:_ Starkes neuartiges Rollenspiel, das mit wissenschaftlicher Fundiertheit und originellen Ideen glänzt. Für Anfänger und Fortgeschrittenen gleichermaßen geeignet. Wer mal etwas jenseits der typischen Fantasy-Rollenspiele ausprobieren möchte, dem ist „LodlanD“ wärmstens zu empfehlen.