Rowling, Joanne K. – Harry Potter and the Deathly Hallows

Der Titel des siebten und finalen Potter-Bandes war bereits einige Zeit durchgesickert: „Deathly Hallows“. Insbesondere die deutsche Fangemeinde rätselte und diskutierte sich ob der möglichen Mehrfachdeutungen in diversen Internet-Foren unter dem Spitzhut heiß. Tödliches Helloween? Todgeweihte Hallen oder irgendwelche ominösen Heiligen? Nun, mit der langerwarteten Veröffentlichung der englischen Fassung am 21. Juli anno domini 2007 war dann glasklar, dass diejenigen, die unter „Hallows“ nicht nur Allerheiligen oder Halloween (von: all hallows eve), sondern auch (heilige) Reliquien sahen, Recht hatten. Warum „Heiligtümer des Todes“ (so auch der offizielle Titel für die im Oktober ’07 erscheinende deutsche Fassung) eine sehr subtile – auch grammatische – Hintersinnigkeit beinhaltet, erschließt sich jedoch erst mit Kenntnis des Inhalts des wieder einmal gut 600 Seiten starken Wälzers aus der Feder J. K. Rowlings.

Über sieben Brücken musst du geh’n,
sieben dunkle Jahre übersteh’n …
(|Karat|)

_Vorgeschichte_

Harry hatte bereits kurz nach der Beerdigung seines großen Mentors Dumbledore angekündigt, nicht nach Hogwarts zurückzukehren. Er sowie Ron und Hermione haben eine Mission zu erfüllen: die Zerstörung der so genannten „Horcruxes“. Trophäen, welche der Dunkle Lord gesammelt und zu Gefäßen von Seelenfragmenten seiner selbst umfunktioniert hat, um im Falle eines körperlichen Todes quasi aus ihnen wieder aufzuerstehen zu können.

Sieben Stück waren es ursprünglich, die Voldemort seinerzeit als Fail-Safe erschuf und versteckte. Der erste Horcrux – Tom Riddles Tagebuch – wurde bereits vor Jahren durch Harry vernichtet (vgl. „Harry Potter and the Chamber of Secrets“). Ein zweiter konnte von Dumbledore kurz vor seinem Tod neutralisiert werden. Ein dritter entpuppte sich als von einem mysteriösen „R.A.B.“ entfernt und durch eine Fake ersetzt (vgl. „Harry Potter and the Half-Blood Prince“). So weit die Ausgangslage zu Beginn von Harrys siebten aktiven Jahr in der Zaubererwelt.

Kein schöner Land in dieser Zeit,
als das uns’re weit und breit …
(|Volkslied|)

_Zur Story_

Die Geschichte startet nicht wie gewohnt am Privet Drive, sondern in Malfoy Manor, dem Anwesen der gleichnamigen Death-Eater-Familie. Hier brütet Lord Voldemort seinen nächsten Schlag gegen Harry aus, gut beraten vom Mörder Dumbledores: Snape, seines Zeichens neuer Schulleiter von Hogwarts. Er berichtet, dass der Orden des Phönix sich darauf vorbereitet, Harry aus dem Haus seiner Pflegeeltern in ein sicheres Versteck zu eskortieren, da dieses nicht mehr lange sicher für ihn sowie die Dursleys ist. Der schützende Zauber, den seine Mutter über ihn und das Haus gelegt hat, erlischt demnächst. Harry wird 17 und ist dann somit volljähriger Zauberer. Während die Evakuierung der Dursleys offensichtlich gelingt, endet das für Harry inszenierte Ablenkungsmanöver beinahe in einem Fiasko. Nur Harrys Zauberstab, welcher sich ohne sein Zutun gegen den Dunklen Lord wendet, verhindert Schlimmeres und sichert das Entkommen.

Im relativ gut abgeschirmten „Fuchsbau“, der Heimat der Weasley-Familie, trudeln die einzelnen Gruppen der Ordensmitglieder nach und nach ein. Doch die Rettungsaktion hat Blutzoll gefordert. Alistor „Mad-Eye“ Moody hat es ebenso erwischt wie Harrys Schneeeule Hedwig. Der berüchtigte Todesfluch. George Weasley hatte mit seinem von Snape abgeschossenen Ohr dagegen noch richtiggehendes Glück. Trotz der düsteren Aussichten laufen die Hochzeitsvorbereitungen von Fleur Delacour (vgl. „Harry Potter and the Goblet of Fire“) und Bill Weasley auf Hochtouren, während Harry, Ron und Hermione ihren Plan, ganz auf sich gestellt die Horcruxes zu finden und zu zerstören, weiter vorantreiben. Wiewohl sie nur von zweien ziemlich genau wissen, wie sie aussehen: Slytherins Halskette und Helga Hufflepuffs Becher. Doch wo danach suchen? Das seltsame Erbe Dumbledores (sein De-Illuminator, ein Märchenbuch und Harrys erster gefangener Snitch) hilft ihnen dabei derzeit nicht weiter.

Außerdem wird ihnen ein Erbstück vorenthalten. Das Schwert Godric Gryffindors, mit welchem man die verwunschenen Seelengefäße Voldemorts penetrieren kann, wurde vom Ministerium für Magie nicht zur Herausgabe freigegeben, da das mächtige Artefakt Allgemeingut sei. Probleme über Probleme also. Zumal an Dumbledores weißer Weste Zweifel auftauchen, welche auch an Harry zu nagen beginnen. Obwohl er auf die gewohnt verleumderische Feder von Rita Skeeter nichts gibt, mehren sich die Hinweise, dass Dumbledores Vergangenheit gewisse Fragen aufwirft und dass er Harry nicht immer die volle Wahrheit erzählt hat. Doch zunächst heißt es für ihn, Ron und Hermione sich auf die Flucht zu begeben, denn sowohl das Ministerium als auch Hogwarts wurden in einem Handstreich von den Death Eatern usurpiert und ein faschistoides Regime installiert, welches reines Magier-Blut propagiert und dieses Ziel auch gewaltsam durchsetzt.

Alles hat ein Ende,
nur die Wurst hat zwei …
(|Karnevalslied|)

_Eindrücke_

J. K. Rowling hat es sich selbst nicht leicht gemacht, indem sie die düstere Prophezeiung installierte, nach welcher einer der beiden Antagonisten ins Gras beißen muss (vgl. „Harry Potter and the Order of the Phoenix“). Somit ist klar, dass es wie weiland beim Highlander nur einen geben kann. Oder keinen, denn ein Teil von Voldemort steckt ja auch in Harry. Kann dieser Teil vernichtet werden, ohne dass er dabei auch draufgeht? Über Harrys quasi unausweichlichen Tod wurde ja bereits lange vor Erscheinen des Bandes lang und breit debattiert. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, zuvor lässt Rowling den Sensenmann jedoch erst einmal die ein oder andere fette Beute anderswo machen. Das ist überaus konsequent und verdeutlicht, dass es sich hier um ein Finale ohne Samthandschuhe handelt – es beginnt schon auf den ersten Seiten mit dem Tod Mad-Eye Moodys, und er soll nicht das einzige prominente Opfer des letzten Kampfes Gut gegen Böse sein.

Leider bremst sie das rasante Anfangstempo aber alsbald wieder runter. Die mehrere Monate währende Flucht der drei sowie das pubertierende Gerangel zwischen den unübersehbar ineinander verliebten Ron und Hermione schlauchen den Leser, wiewohl natürlich bei diesen Exkursionen auch wieder durch einige Informationshappen Licht ins Geschehen gebracht wird, sodass sich langsam das rätselhafte Puzzle um das Leben und Leiden des jungen Harry James Potter vervollständigt. Zwischendurch zieht die Action dann doch noch einmal an, ebbt wieder ab und gipfelt dann nach dieser seichten Phase in einem finale furioso. Ab hier sind die „Hallows“ dann das, was der der Brite schlicht einen Page-Turner nennt. Ganz Hogwarts im offenen Krieg mit den Todessern, da schluckt der Leser schon ein paar Mal trocken und verquetscht sich die ein oder andere pathetisch herbeigeführte Träne. Und blättert fiebrig weiter.

Allerdings wird sowohl ihm – dem Leser – als auch dem namensgebenden Hauptcharakter klar, dass es kein Entrinnen geben kann. Die letzten Mosaiksteinchen fallen ins Bild, was viel mit Snape und seiner Vergangenheit zu tun hat, die zum Teil auch Harrys Eltern betrifft – und natürlich Dumbledores. Mit Harrys kalter, logischer Entscheidung, zu tun, was getan werden muss, geht man konform. So und nicht anders, auch wenn’s noch so schmerzlich ist. Ein wenig dick aufgetragen und arg heroisch das Ganze, doch bitteschön, dies ist ein Potter-Band, da muss sowas irgendwie sein, sonst fehlt etwas. Leider bleiben so einige halboffene Handlungsfäden bzw. Figuren zu guter Letzt etwas im Dunklen. Die Dursleys etwa, die Malfoy-Familie oder auch das Schicksal der impertinenten, opportunistischen Dolores Umbridge. Dort hätte man sich vielleicht ein wenig mehr gewünscht – und dafür im Gegenzug gern auf Teile der etwas zähen Mitte verzichten können.

Lebt denn der alte Holzmichl noch?
(|De Randfichten|)

_Fazit_

Es ist ein rundes, überaus würdiges Finale und es dürfte auch kaum vernünftige Argumente für Fortsetzung(en) oder Prequels geben. Wiewohl der Epilog – so viel sei verraten – eine neue Generation Zaubererkinder auf den Weg nach Hogwarts beschreibt. Doch hoffen wir, dass es bei den sieben bisherigen Bänden bleibt, mit denen sich J. K. Rowling endgültig in den Olymp der fantastischen Literatur eingeschrieben hat. Die magische Nummer sieben ist vielleicht nicht der beste Band der Reihe, was natürlich reine Geschmackssache ist, dafür aber der mit Abstand ernsteste. Das Lesealter sollte dementsprechend ungefähr dem der Hauptakteure entsprechen, als Kinderbuch geht dieser Abschluss nicht mehr durch.

http://www.jkrowling.com/de

|Siehe ergänzend dazu unsere Rezensionen zu:|

[„Harry Potter und der Stein der Weisen“ 139
[„Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ 140
[„Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ 797
[„Harry Potter und der Orden des Phönix“ 141
[„Harry Potter and the Half-Blood Prince“ 1505
[„Harry Potter und der Halbblutprinz“ 1932