Chadda, Sarwat – Teufelskuss

Das Genre Fantasy lebt zurzeit von Romanen, in denen zumeist Vampire die tragenden Rollen spielen. Doch was wird als nächster Trend die romantischen, nahezu unsterblichen Blutsauger ablösen? Die Weichen sind derweil schon gestellt: Engel und Dämonen stehen derzeit im Wartesaal und lauern nur auf ihren literarischen Eintritt.

Fantasy und Mystik sind eng miteinander verbunden, und oft werden Fakten mit Fiktion verbunden, besonders dann, wenn es sich um Gruppierungen und Personen handelt, bei denen sich immer ein Hauch von Geheimnissen und dunklen Legenden hinzugesellte.

Im Verlag |Penhaligon| ist dieses Jahr zu diesem Themenkreis der Debütroman „Teufelskuss“ von Sarwat Chadda erschienen.

_Inhalt_

Die Welt von Billi SanGreal hat aufgehört, sich zu drehen, als sie gerade erst fünf Jahre alt war. Ihre Mutter wurde von Ghulen getötet und einige Jahre später offenbart sich ihr Vater Arthur als Großmeister der Tempelritter, die es sich zum Ziel gemacht haben, alles Dämonische zu töten. Dazu gehören bekanntermaßen Vampire, Werwölfe, Ghule und noch jede Menge mehr Wesen, die die Menschheit bedrohen.

Seit diesen Jahren lebt Billi SanGreal zwischen den Welten; einerseits geht sie wie jede andere junge Frau von fünfzehn Jahren zur Schule, andererseits wird sie von den Mitgliedern des Ordens der Tempelritter in verschiedenen Kampfkünsten praktisch und theoretisch ausgebildet – nicht unbedingt etwas für eine junge Frau auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Das Doppelleben bringt Schwierigkeiten mit sich; manch blauer Fleck und so manche Schramme oder Prellung bleibt ihren aufmerksamen Mitschülern natürlich nicht verborgen, und so rettet sich Billi in immer neue Ausflüchte und Erklärungen, sodass sie schnell zum Sonderling abgestempelt wird.

Einzig ihr alter Freund Kay, der einige Zeit außerhalb von London lebte und bei den Ordensrittern die Funktion eines Sehers innehat, versteht seine Jugendfreundin. Als Seher der Tempelritter verfügt er über immense geistige Kräfte, wie Telepathie oder Telekinese sowie den Blick in die Zukunft, der die Prophezeiung ausspricht, dass Billi jemanden töten muss, den sie liebt, um viele andere zu retten. Ein Damoklesschwert, das an einem seidenen Faden über dem Haupt der jungen Frau rotiert.

Die kleine Gruppe von Ordensrittern ist inzwischen ratlos. Unheimliches geht in London vor: In den Krankenhäusern erkranken immer mehr Kinder und sterben wenig später an einer mysteriösen Krankheit. Die Ärzte sind ratlos, die Eltern verzweifelt und die Bevölkerung schon alarmiert.

In der gleichen Zeit lernt Billi den attraktiven und charismatischen Mike Omen kennen. Billi fühlt sich hingezogen zum dem verständnisvollen, jungen Mann, der sie als Frau und Person wahrnimmt. In ihrem Träumen stellt sie sich schon lange ein ganz normales, langweiliges Leben vor, ohne Kämpfe und Bedrohungen durch dämonische Wesen, das ihr Gelegenheit gibt, Freunde zu finden und vielleicht eine Familie zu gründen. Sie fühlt sich alleine und einsam; das Verhältnis zu ihrem Vater ist angespannt: Scheinbar liebt Arthur seine Tochter nicht, und nicht selten zeigt er ihr die kalte Schulter, wenn sie Fragen oder Ängste hat.

Doch Billis Hoffnungen zerplatzen, als sich Mike Omen ihr offenbart. Mike ist ein Engel, gar der Erzengel Michael, bei Gott in Ungnade gefallen und zusammen mit einigen anderen Engeln aus dem Himmel verbannt worden. Michael will alle Erstgeborenen töten lassen, so wie damals im alten Ägypten, weil der Pharao Ramses nicht auf Moses‘ Bitten reagierte. Michael möchte erreichen, dass die Menschen Gott wieder achten und ihn preisen und er dadurch wieder in den Himmel aufgenommen werden kann. Billi soll für Michael die anderen Engel, die in ein Spiel aus Salomos Zeiten gebannt wurden, befreien.

Als sich Billi den Tempelrittern und ihrem Vater anvertraut, ist es fast schon zu spät, und ausgerechnet Satan, der gefallene Engel, bietet Billi einen Handel an, doch der Preis dafür ist ein Leben …

_Kritik_

Dass „Teufelskuss“ der Debütroman des Autors Sarwat Chadda ist, merkt man schon nach wenigen Kapiteln. Chadda bedient sich hier ziemlich vieler Mythen, und manche seiner Ideen sind nicht gerade neu. Fangen wir beim Namen an: SanGreal = der heilige Gral, eine Querverbindung zu recht vielen Legenden um die Tempelritter, dicht gefolgt von „Arthur“, dem Vater Billis, der recht viel Ähnlichkeit mit dem legendären König Arthur hat, und natürlich spielt hier ein berühmtes Schwert eine nicht unbedeutende Rolle. Es gibt noch die eine oder andere inhaltliche Verwandtschaft, über die der Leser stolpert. Die Tempelritter selbst, denen sowieso so manches nachgesagt wird, dürfen hier natürlich nicht fehlen. Ein kleine elitäre Gruppe mit einer Aufgabe, bei der sie sich glorreich opfern müssen, um die Welt einmal mehr zu retten.

Der Kampf im Himmel, gleichbedeutend mit dem Sturz Luzifers, ist auch kein neues Thema; ebenso die Rolle eines ‚gestrauchelten‘ Erzengels, der um die Liebe Gottes buhlt und die Menschen als niedere Wesen ansieht. Dass die vermeintlichen guten Engel in diesem Fall die bösen sind, birgt eigentlich ziemlich viel Potential, aber der Autor nimmt diese Chance vor seinen müden Augen wohl nicht wahr. Viel zu schnell sind die Szenenwechsel, zu flüchtig die Erklärungen, die dem Leser ansatzweise aufzeigen wollen, wie das Verhältnis Billis zu ihrem Vater und den anderen Rittern des Ordens ist.

Zwar fängt der Roman recht spannend an, aber was nach wenigen Seiten folgt, wirkt dann doch eher enttäuschend. Das Tempo ist, gemessen an der Handlung, viel zu schnell, die Dialoge sind nicht ausgereift genug und die Charaktere lassen wirklich inhaltliche Tiefe vermissen. Eingepackt in eine komplizierte Vater-Tochter-Beziehung, in der sich die Tochter überfordert, nicht geliebt und nicht verstanden fühlt, ist all das zwar nett zu lesen, doch nicht gerade überzeugend.

Sarwat Chadda hätte gerade mit seinen Protagonisten, allen voran der Erzengel Michael, vieles interessant und spannend erzählen können, stattdessen konzentriert er sich manchmal auf actionreiche Waffengänge mit konventionellen historischen Waffen, die zudem etwas zu deplatziert wurden.

„Teufelskuss“ ist trotz all der angerissenen Themen keinesfalls spannend, sondern vor allem eine Aneinanderreihung von phantastischen Personen, Wesenheiten, Gegenständen und Prophezeiungen. Sicherlich kommt im Laufe der Handlung so manche erzählerische Gelegenheit an die Oberfläche, die, wenn sie weiter verfolgt worden wäre, für Überraschungen hätte sorgen können, aber auch diese Möglichkeit wird schlicht nicht genutzt.

Interessant für alle jugendlichen Leser ist sicherlich die Figur von Billi, die auf ihrem Weg zur erwachsenen Frau ihre Stellung im Leben sucht und sich später in ihrer Rolle als Schlüsselperson ihrem Schicksal zu stellen weiß, aber auch hier vermisst man noch so manches Mal inhaltliche Tiefe, obwohl sie wie viele andere junge Menschen an der Schwelle zur Verantwortung steht und etwas Angst davor hat, den nächsten Schritt zu tun, um sich ihrem Schicksal zu stellen. Doch manchmal ist es dann das Schicksal, das den notwendigen Schritt tut …

Die Religion spielt in dieser Geschichte eine tragende Rolle. In diesem Fall jongliert jedoch der Autor gleich mit dreien der großen Weltreligionen: Christentum, Islam und der jüdische Glaube (als Wurzel dieser drei Religionen). Doch wie bei den anderen Zutaten auch, bleibt in diesem Fall ein bitterer Nachgeschmack zurück, denn auch hierbei gelingt es dem Autor nicht, mit einer stimmigen Zubereitung zu überzeugen.

Was übrig bleibt, ist eine kurzweilige Geschichte, mit der sich gerade jugendliche Leser identifizieren können, die sich vielleicht vor ähnliche Herausforderungen und Probleme gestellt sehen wie Billi in „Teufelskuss“. Aber viele andere Leser werden von der wenig spannenden Handlung und den noch weniger anzufindenden Überraschungen und Wendungen enttäuscht sein.

„Teufelskuss“ ist als Debüt zwar kein allzu gelungenes, aber ich hoffe, dass sich der Autor beim nächsten Roman mehr Zeit nimmt, um seine Erzählung konzentriert niederzuschreiben, sodass wirkliche Spannung aufkommt und man mit den Protagonisten mitfiebern kann. Der Autor hat viel gewollt, sein Ziel jedoch zu hoch gesteckt und ist dabei mehrfach deutlich von seiner Marschroute abgekommen.

|Originaltitel: The Devil’s Kiss
Deutsch von Maike Claußnitzer
318 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-7645-3031-0|
http://www.penhaligon.de
http://www.sarwatchadda.com

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