Wohlgethan, Achim / Schulze, Dirk – Endstation Kabul

Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 befinden sich die Vereinigten Staaten von Amerika im Krieg. Nach sieben Jahren und über 5.000 toten Soldaten auf Seiten der amerikanischen Koalition sowie unzähligen zivilen Opfern unter den Afghanen und Irakern ist ein Ende des Krieges gegen den Terror nicht wirklich abzusehen.

Auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich offiziell an diesem Krieg. Allerdings nimmt sie laut unserer Regierung nicht an aktiven Kampfhandlungen teil. Einzig das KSK (Kommando Spezialkräfte), eine Elite-Einheit, die für Aufklärungseinsätze ausgebildet ist, könnte sich an Kämpfen beteiligen. Eine konkrete Stellungnahme unserer Regierung zu diesen Einsätzen dringt allerdings bislang nicht an die Öffentlichkeit, auch die Beteiligung des BND (Bundesnachrichtendienstes) an Geheimdienstaktionen und eine Zusammenarbeit mit der CIA bleiben unklar und liefert zusätzlichen Gesprächsstoff für waghalsige Vermutungen und Verschwörungstheorien. Immer wieder fordern die anderen an diesem Krieg beteiligte Nationen, dass die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland sich ihrer Verantwortung in Europa und der Welt bewusst sein und sich demnach auch aktiver an Kampfaktionen beteiligen sollten.

Über das tägliche Leben der Deutschen Soldaten in ihren Stützpunkten ist nicht viel dokumentiert worden. Die engsten Angehörigen der Männer und Frauen, die in Afghanistan stationiert sind, wissen sicherlich mehr als wir, die ihre Berichte und Erlebnisse nur den Medien entnehmen müssen. Und auch diese haben spätestens seit dem bedenklichen Informationsfluss zum Terrorakt 9/11 und dem angeblichen Atomprogramm des Irak längst verstanden, dass Kriegsberichterstattung sich offiziell den Interessen des Staates unterzuordnen hat.

Den Soldaten in der Fremde sind ist es mit Eid und Vertrag verboten worden, über Einzelheiten und Details zu berichten – als Teil militärischer Geheimhaltung durchaus nachvollziehbar. Die Probleme der Bundeswehr, aber auch ihre Stärken sind bekannt; die Kampfausrüstung und Bewaffnung liegt hinter den Möglichkeiten der amerikanischen Waffenbrüder, das durch Ausbildung und Training vermittelte Wissen ist überdies wohl nicht zeitgemäß, doch der Bundeswehr kann man hierbei keinen Vorwurf machen, denn sie blickt nicht wirklich auf Erfahrungen zurück. Nur die medizinische Ausrüstung und die Logistik gehören der Oberklasse an.

Jetzt tauchen allmählich sogenannte Erfahrungsberichte auf, geschrieben von ehemaligen Soldaten, die ihre Erlebnisse offenbar der Allgemeinheit zugänglich machen wollen, um darüber aufzuklären, welchen Risiken und Gefahren sich der einfache Soldat bei diesen Einsätzen täglich stellen muss.

_Inhalte_

Achim Wohlgethan ist ausgebildeter Hubschrauberpilot und war als Stabsunteroffizier Soldat auf Zeit. In seinem ersten Afghanistan-Einsatz gehörte er zu einer Fallschirmspringereinheit mit dem Namen „Division Spezielle Operationen“.

Vorab sei bereits angemerkt, dass sein Buch eher einer gut erdachten Räubergeschichte gleicht und mit der Realität nicht viel zu tun haben scheint. Ich kenne selbst Offiziere und Unteroffiziere, die einige Zeit in Afghanistan gedient haben und derartige Berichte nicht bestätigen können. Sicherlich hat Achim Wohlgethan sechs Monate seinen Dienst in Afghanistan getan und ebenso sicher gab es dabei auch unerfreuliche Vorfälle, Missstände und Anschläge durch die Taliban oder andere aufständische Volksgruppen, vielleicht hat er wirklich etwas von dem hier beschriebenen so erlebt, aber es dürfte schwierig werden, diese Fakten ohne Zeugenbestätigungen zu verifizieren.

Achim Wohlgethan war zur fraglichen Dienstzeit Mitte dreißig und vom Rang her Stabsunteroffizier, also im unteren Dienstgradbereich angesiedelt. In seinem Buch beschreibt er, dass er eine Ausbildung zum Hubschrauberpiloten genossen hat (die allerdings vor der Bundeswehrzeit zivil erfolgte), überdies eine Fachausbildung für Scharfschützen und eine Kampfausbildung absolvierte – das erscheint mir bereits fraglich genug. Als Stabsunteroffizier stellt er das unterste Glied der Befehlskette und zudem wenig qualifiziert für eine solche Spezialausbildung. Auch zeitlich gesehen wirft diese Karriere Fragen auf.

„Endstation Kabul“ enthält trotz der rot umrahmten Aufschrift „TOP SECRET“ keine Geheimnisse, keine wohlgehüteten Aktionen der Bundeswehr gelangen hier an die Öffentlichkeit. Stattdessen begegnet uns bereits auf den ersten Seiten ein Super-Soldat mit heroischen Idealen und wir betrachten die Geschehnisse aus einer emotional stark eingefärbten Sicht. Schon bei der Ankunft in Afghanistan trifft er einen alten Freund, der ihn für einen besseren Posten innerhalb des Camps einsetzt, wodurch er in der inneren Rangordnung höher aufsteigt. Im Laufe der nächsten Wochen und Monate ist Herr Wohlgethan umsichtig und mitfühlend, er schafft es sogar, ein fast erblindetes Kind nach Deutschland zu schicken, um es dort behandeln zu lassen! Zudem unternimmt er Spezialeinsätze und wird zu einer Vertrauensperson für Soldaten nationaler und internationaler Herkunft. Und immer weiß er sich in jeder kritischen Situation zu helfen. Natürlich begegnet er auch Geheimdienstagenten und erhält Einblick in verschiedene Operationen, die einem einfachen Soldaten scheinbar leicht zugänglich waren.

Auch über das tägliche Leben im Camp wird berichtet; vielen Soldaten fällt der räumliche Abstand zur Familie und Freunden natürlich schwer, und es gibt immer Offiziere, deren Verhalten fragwürdig erscheint. Doch auch hierbei weiß Herr Wohlgethan stets Rat und hat die Situation zusammen mit seinem Freund problemlos unter Kontrolle, egal wie dramatisch sie auch immer gewesen sein soll.

_Kritik und Fazit_

„Endstation Kabul“ ist ein Epos der Selbstbeweihräucherung, eine Kette von Halbwahrheiten und offenen Fragen, die einen schon auf den ersten Seiten klarmachen, dass es haltlos übertrieben ist, was den Lesern hier vor Augen geführt wird. Manche Situationen hat es sicherlich so gegeben, auch dass es Raketenangriffe gegeben hat, bezweifelt niemand, wohl aber, dass ein Unteroffizier zum Geheimnisträger wird und im Einsatz derart überdurchschnittliche Leistungen zeigt.

Das Buch enthält keine Enthüllungsdramen oder Ereignisse, die es zu verstecken gilt. Die internationalen Verbände unter Führung der Amerikaner sind durchorganisiert und die jeweiligen Rollen sind jeder Nation ihren Fähigkeiten entsprechend zugeteilt. Dass das Elitekommando KSK mehr Einblick in die derzeitigen Kämpfe und Situationen hat, an denen nicht nur das Militär, sondern auch die verschiedenen Geheimdienste involviert sind, steht außer Frage, aber einem Zeitsoldaten unteren Dienstgrades sind solche Informationen nicht zugänglich. Die Häufung von gefährlichen Situationen und aufreibenden Einsätzen erinnert zudem eher an Hollywood-Kriegsdramen als an die reale Situation der Bundeswehrhandlungen in den Krisengebieten.

Verfasst ist das Buch in einem recht eingebildeten Stil; die Hauptrolle spielt stets der Protagonist Wohlgethan, und nicht die Bundeswehr als Verband, der schützt, aufbaut und humane Hilfestellung leisten soll. Beim genauen Lesen ergeben sich Widersprüche und man muss nicht bei der Bundeswehr gewesen sein, um festzustellen, dass die Fantasie des Stabsunteroffizier Wohlgethan hier eine tragende Rollen spielt. Probleme und Sorgen, Nöte und Ängste der Soldaten gehen nahezu unter. Auch das Schicksal der einheimischen Bevölkerung wird zwar rührend angerissen, aber nicht zu Ende gedacht und erzählt. Was zählt, sind die ‚Heldentaten‘ eines Einzelnen, der sich hier gerne profiliert und auf Kosten anderer eine Geschichte erzählt, die indes nicht glaubhaft auf den Leser wirkt.

Vermisst habe ich die wirklichen Helden in diesem Konflikt. Was leisten die Ärzte der Bundeswehr in den Krisengebieten? Das wäre mal einen Bericht wert gewesen. Stattdessen werden die täglichen Probleme der Bundeswehr propagiert, die nun wirklich keine Geheimnisse sind und es auch niemals waren. Stattdessen sollte sich Herr Wohlgethan daran erinnern, dass er einen Eid geleistet hat und laut Gesetz zum Schweigen verpflichtet ist, auch dann, wenn er kein Angehöriger der deutschen Streitkräfte mehr ist. Ein solch idealistischer Charakter, als den er sich selbst so gern darstellt, sollte derlei eigentlich ernst nehmen.

„Endstation Kabul“ lässt sich nicht empfehlen. So viele Widersprüche und eine satte Packung purer Profilneurose bilden keine Dokumentation und geben auch nichts an den Leser weiter, was in irgendeiner Art und Weise für diesen neu oder interessant sein könnte.

_Die Autoren:_

Achim Wohlgethan ist ausgebildeter Hubschrauberpilot und kam 1995 als Zeitsoldat zu einem Fallschirmjägerbataillon nach Oldenburg. Nach seinem ersten Afghanistan-Einsatz wurde er Angehöriger eines Fallschirmjäger-Spezialzuges der Division Spezielle Operationen der Bundeswehr. Nach seinem Dienstzeitende arbeitete er weltweit als selbständiger Sicherheitsberater und lebt heute als Autor in Wolfsburg.

Dirk Schulze (Koautor) trat 1992 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr ein und verpflichtet sich auf 14 Jahre. Er schlug die Offizierslaufbahn ein und nahm an mehreren Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil. Er war auch Angehöriger der ISAF-Vorauskräfte in Afghanistan und zuletzt als Hauptmann und Presseoffizier tätig. Nach seinem Austritt aus der Bundeswehr arbeitete er als Rechercheur und lebt heute als Autor in Hamburg.

|ISBN-13: 978-3430200431
304 Seiten|
http://www.endstation-kabul.de/
http://www.ullsteinbuchverlage.de/econ/

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