Zeilinger, Anton – Einsteins Spuk

Der bekannte Physiker und Nobelpreisträger [Richard Feynman]http://de.wikipedia.org/wiki/Richard__Feynman prägte einst den Satz „Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass niemand die Quantenmechanik versteht“ und brachte damit die Schwierigkeiten der Quantenphysik auf den Punkt. Dennoch birgt dieses Teilgebiet der Physik eine Faszination, welche sogar auf Nicht-Wissenschaftler überspringt. So wird beispielsweise in |Star Trek|-Newsgroups heftig über Quantenmechanik diskutiert, denn dort gibt es zahlreiche Tüftler, die sich Gedanken darüber machen, unter welchen Bedingungen die Warp-Geschwindigkeit doch möglich ist, obwohl bereits Einstein feststellte, dass Lichtgeschwindigkeit die begrenzende Geschwindigkeit ist (zumindest für Materietransport).

Mit diesen Fragen und noch vielen anderen mehr beschäftigt sich der nicht minder berühmte [Anton Zeilinger,]http://de.wikipedia.org/wiki/Anton__Zeilinger der insbesondere bekannt ist für das Phänomen der „Quantenteleportation“ und der erst kürzlich mit der Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität Berlin ausgezeichnet wurde. Ein besonderes Anliegen ist dem österreichischen Physiker aber auch die populärwissenschaftliche Vermittlung schwieriger quantenmechanischer Fragen, die sich oftmals dem gesunden Menschenverstand entziehen. So durfte ich selbst auf einer Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft erleben, wie der große Anton Zeilinger mit strahlenden Augen und einigen Geschichten aus dem Nähkästchen einem teilweise fachfremden Publikum seine Forschungsarbeit vorstellte, sodass jeder einzelne Zuhörer seine Aha-Erlebnisse hatte. Beeindruckt von dieser Leistung, freute ich mich umso mehr auf „Einsteins Spuk“, welches beginnend bei den Grundlagen der Quantenphysik das Feld aufrollt, bis Zeilinger sich auch komplizierten Vorgängen der Verschränkung widmet.

In „Einsteins Spuk“ beginnt Anton Zeilinger tatsächlich bei den grundlegenden Prinzipien der (Quanten-)Physik, er erklärt ausführlich den Welle-Teilchen-Dualismus des Lichtes und stellt dabei die bahnbrechenden Experimente vor. Einen besonderen Schwerpunkt legt Zeilinger auf das Doppelspaltexperiment, welches er seine zwei imaginären Physikstudenten Alice und Bob auch durchführen und diskutieren lässt. In Exkursen erzählt Zeilinger über Glasfasertechnik oder auch die [Unschärferelation,]http://de.wikipedia.org/wiki/Heisenbergsche__Unsch%C3%A4rferelation die sich nicht ohne weiteres auf makroskopische Objekte wie ein Auto anwenden lässt. Später erklärt der Autor, was man sich unter der Polarisation von Licht vorzustellen habe und taucht dabei immer tiefer in die Physik ein.

Das Besondere an diesem Buch ist allerdings nicht nur der Inhalt an sich, welchen wohl jeder einigermaßen kundige Physiker hätte erklären können, sondern die Art, wie Zeilinger uns sogar schwierigste Physik präsentiert. In vielen Situationen lässt er seine jungen Studenten Alice und Bob zum Experiment treten und erzählt eigentlich „nur“ die Geschichte dieser beiden neugierigen jungen Studenten. Alice und Bob hören eine spannende Vorlesung bei Prof. Quantinger – dessen Name wohl nicht nur zufällig dem des Anton Zeilinger ähnelt – und führen angespornt von dem neuen Wissen eigene Experimente durch. Angeleitet durch Quantinger und seine Mitarbeiter arbeiten Alice und Bob an verschiedenen Versuchen und diskutieren die Erkenntnisse miteinander. Und genau dies sind die spannendsten Stellen im Buch. Anfangs wissen Alice und Bob nicht viel über die Probleme der Quantenmechanik, doch anhand von ausgewählten Experimenten kommen sie nach und nach der Natur des Lichtes und der [Quantenverschränkung]http://de.wikipedia.org/wiki/Quantenverschr%C3%A4nkung auf die Spur, die Einstein einst „spukhafte Fernwirkung“ genannt hat.

Während Alice und Bob also ihren Lernprozess durchmachen, haben wir teil an ihren Fragen und Gedankengängen. Durch gezielte Fragen und Versuche durchschauen die beiden Physikstudenten immer besser, was bei Quantingers Experimenten wirklich passiert. Und obwohl die beiden natürlich deutlich schneller lernen als der normale Student, helfen sie den Lesern dabei, selbst neue Erkenntnisse zu gewinnen. Alice und Bobs Fragen und Diskussionen sind es, an denen wir uns inhaltlich und fachlich entlang hangeln können und somit schließlich selbst der Quantenmechanik auf die Spur kommen. Fast schon wie ein Roman wird uns hier die Geschichte der Quantenphysik erzählt, sodass man bei der Lektüre zwischendurch sogar vergisst, dass man hier ein populärwissenschaftliches Buch in der Hand hält.

Doch Zeilinger erzählt mehr als nur diese Geschichte, in welcher Alice und Bob zwischen Vorlesung und Experiment hin- und herpendeln. Zwischendurch wohnen wir selbst Quantingers Vorlesung über die [Polarisation]http://de.wikipedia.org/wiki/Polarisation bei und lernen somit zeitgleich mit unseren beiden Protagonisten einiges mehr über das Licht. Methodisch erweist Zeilinger sich als sehr vielfältig, sein populärwissenschaftliches Buch wird aufgepeppt durch Cartoons und nette Anekdoten, außerdem helfen uns viele Bilder dabei, die teils komplizierten Gedankengänge Zeilingers nachzuvollziehen. Dennoch wird es wohl für jeden Leser irgendwann einen Punkt im Buch geben, an dem er fachlich aussteigen muss. Speziell die Bell’sche Ungleichung eignet sich wohl nicht sonderlich gut für die Vermittlung an fachfremdes Publikum.

Aber nichtsdestotrotz schafft Zeilinger es nicht nur, dem geneigten Leser inhaltlich eine Menge neues Wissen mit auf den Weg zu geben, er regt darüber hinaus zum verstärkten Nachdenken über philosophische Konsequenzen der Quantenmechanik an. So wird sich der Leser sicher einige Gedanken darüber machen, was bei der Teleportation eines Menschen passieren könnte oder was wäre, wenn wir wirklich alle keinen freien Willen hätten. Und wer am Ende immer noch nachvollziehen kann, was Anton Zeilinger hier schreibt, der wird sogar erfahren, wie Zeilingers Verschränkungsexperimente im Detail funktionieren und wie Quantenkryptografie prinzipiell abläuft. Inhaltlich hat der Autor hier also eine Menge hineingesteckt, was auf den ersten Blick vielleicht gar nicht auffallen mag. Doch „Einsteins Spuk“ ist nicht nur unglaublich lehrreich, sondern macht darüber hinaus richtig Spaß zu lesen, weil Physik hier nicht nüchtern dargeboten wird, sondern eingepackt wird in eine nette Geschichte, an der jeder interessierte Leser Gefallen finden wird.

So steigt am Ende meine Hochachtung vor Anton Zeilinger noch weiter an, denn wer ein so kompliziertes Teilgebiet der Physik wie die Quantenmechanik so lebendig und interessant darstellen und eingängig erklären kann, der beweist, dass er nicht nur ein begeisterter Physiker ist, sondern sein Wissen auch gerne an andere weitergeben möchte. In diesem Sinne freue ich mich auf seine weiteren populärwissenschaftlichen Werke, die sicherlich nicht minder spannend ausfallen werden!

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