Adamczak, Bini – Kommunismus – Kleine Geschichte, wie endlich alles anders wird

Während die Buchhändlerin auf die Kasse eintippt, weiß ich nicht so recht, was ich mit dem kostenlosen Lesezeichen anfangen soll. Neugierig wende ich den kleinen Streifen Papier hin und her. Auf einer Seite springt mir eine Karikatur ins Auge: eine Frauenfigur in einem Arbeitskittel. Sie hebt die rechte Hand zur Faust und stützt die linke in die Hüfte. Darunter steht das Wort »Kommunismus«. Arbeiter aller Länder, vereinigt euch! Es lebe die Revolution!

Das Lesezeichen mit der Figur ist ein Werbemittel aus dem |Unrast|-Verlag. In dem sozial motivierten und gesellschaftskritischen Verlagsprogramm findet sich schnell das entsprechende Buch. Auf dem Cover des Bändchens erkenne ich die trotzige Frauenfigur wieder. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen und blättere los.

Die ersten zwei Drittel lesen sich wie im Flug. In kurzen Abschnitten führt Adamczak in die Kritik der politischen Ökonomie ein, erklärt dabei, was Arbeit ist, was der Markt und was eine Krise. Marx für Anfänger. Dabei klingen die Worte so, als wären sie für ein neugieriges Kind bestimmt. Ganz klar, ganz einfach, ohne Schnörkel. Ich fühle mich wie bei der »Sendung mit der Maus« und stelle fest, dass mich diese Textform amüsiert. Schriften über den Kommunismus gelten doch gemeinhin als staubtrocken oder ideologisch verseucht. Das letzte Drittel liefert dann den notwendigen ernsthaften Ansatz, in dem sich Adamczaks eigentliches Anliegen verbirgt. Ein bisschen Ideologie muss dann doch sein. Sie stellt fest, dass die Zeiten, in denen der Kommunismus als alternatives Gesellschaftssystem diskutiert wurde, vorbei sind. Die Intellektuellen sind frustriert, der Kapitalismus hat gewonnen. Und nun?

Neben dem Anspruch des Kommunismus, ein zum Kapitalismus alternatives Gesellschaftssystem zu entwerfen, wird leicht vergessen, dass der Kommunismus dem Kapitalismus entspringt – und zwar als dessen kritischer Gegenentwurf. Diese Kritik verändert sich gemeinsam mit dem Kapitalismus und darf nicht einschlafen. Kommunist zu sein, ist anachronistisch. Stattdessen gilt es, sich kritisch mit dem Kapitalismus auseinanderzusetzen. Das kapitalistische System ist schließlich noch immer nicht gerecht und daher kritikwürdig. Ungerechtigkeiten aufzeigen, erklären und über alternative Lösungen nachdenken – das ist ein hehrer Weg in die Zukunft. Adamczaks Buch appelliert an den Leser, nicht wegzuschauen und zu schweigen, wenn durch eine allzu freie Marktwirtschaft Not und Elend entstehen. Adamczak wünscht sich mehr Diskussion und Offenheit im Umgang mit gesellschaftskritischen Fragen.

Adamczaks Anspruch in allen Ehren, aber im Grunde führt sie den Begriff des Kommunismus ad absurdum. Ihr Bemühen, das politisch vorbelastete Wort auf eine neue Bahn zu lenken, schlägt fehlt. Ihr Text entspringt dem so genannten »Trauma 89«, das intellektuelle Bücherstuben heimgesucht hat. Sie wünscht sich eine regere Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus, keine Stagnation und kein sehnsüchtiges Revolutionsgehabe. So weit, so gut. Doch die Autorin scheitert an einem Spagat. Auf der einen Seite beerdigt sie den Kommunismus von gestern, auf der anderen Seite spielt sie Geburtshelfer des Kommunismus von morgen. So verfängt sie sich manchmal in der einen, manchmal in der anderen Argumentationslinie. Warum macht sie es sich eigentlich so schwer und schleppt das politisch vorbelastete Wort »Kommunismus« mit sich herum? Eigentlich geht es ihr doch um etwas anderes.

Ich lege das Buch zur Seite und wende wieder das Lesezeichen zwischen meinen Fingern. Die Frauenfigur darauf blickt mir jetzt mit anderen Augen entgegen. Die kleine Arbeiterin erscheint nun eher verträumt und hoffnungsvoll, weniger kämpferisch und revolutionär. Wahrscheinlich wünscht sie sich eine gerechtere Welt für alle. Um solch eine Welt möglich zu machen, beginnt sie zu erklären, was genau ungerecht ist und welche Ursachen es dafür gibt. Sie argumentiert auf der Grundlage von Marx. Sie möchte die Welt verbessern. Aber eine Kommunistin – das ist sie nicht.