Eines Tages werden wir frei sein…
Ost-Berlin nach dem 2. Weltkrieg. Von ihrem geliebten Vater, einem überzeugten Sozialisten und Lehrer, hat Susanne gelernt, an eine bessere Welt zu glauben. Ohne je das Vertrauen in die Menschheit zu verlieren, hat er gegen das Naziregime gekämpft – und wurde vor den Augen seiner sechzehnjährigen Tochter kurz vor Kriegsende erschossen.
Um sein Vermächtnis zu erfüllen, widmet sich Susanne von ganzem Herzen dem Aufbau eines neuen Deutschland.
Erst als sie den lebenslustigen Koch Kelmi kennen – und lieben lernt, beginnt sie allmählich zu begreifen, was um sie herum passiert. Zu tief jedoch ist der Glaube an den Sozialismus in ihr verwurzelt, zu stark das Band, das sie mit dem toten Vater verbindet.
Dann kommt der 13. August, und plötzlich verstellt die Mauer Susanne jegliche Möglichkeit einer Alternative… ( Verlagsinfo)
Inhalt und Eindrücke:
Charlotte Roths neuer Roman spielt mal wieder in Berlin und wie es im Vorwort so treffend heißt, genau genommen damit gleich in drei Städten: „In der Swing tanzenden (…) Metropole der Weimarer Republik, In der weltweit verhassten Machtzentrale des Naziterrors, Und in einer geteilten Stadt.“ Den Leser erwartet also eine ziemlich große Zeitspanne, über die sich dieser Roman erstreckt.
Berlin, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Stadt ist geteilt und alles ist im Umbruch. Die angehende junge Lehrerin Susanne lebt im Ostteil der Stadt und ist vom Sozialismus so überzeugt wie ihr Vater Volker, ebenfalls ein Lehrer, der gegen das Nazi-Regime kämpfte und kurz vor Kriegsende vor den Augen seiner Tochter erschossen wurde. Ein Ereignis, welches das Leben von Susanne entscheidend prägen wird.
Sie setzt sich engagiert für den noch jungen Staat ein – ganz so, wie es ihr Vater gerne gesehen hätte.
Dann begegnet ihr Kelmi, ein lustiger und lebensfroher Koch aus dem Westen, der eigentlich zunächst so gar nicht dem entspricht, was Susannes Männerbild ausmacht. Dennoch erwischt es sie vollkommen. Liebevoll nennt er sie „Susu“, wartet regelmäßig sonntags „Unter den Linden“ auf sie, und kocht schon mal eine Zwiebelsuppe mitten auf der Straße für seine Angebetete. Sanne und Kelmi verlieben sich ineinander, doch keiner weiß, ob ihre junge Liebe eine Zukunft hat. Sollte sich das Schicksal wiederholen? Ihre Mutter, einst ein gefeierter Revue-Star, brachte vor vielen Jahren den Lehrer Volker mit ihrer unkonventionellen Art auf ganz ähnliche Weise liebevoll um den Verstand.
Doch die politische Situation in Deutschland verändert sich zunehmend. Während die Rede bereits vom „Kalten Krieg“ ist, flüchten immer mehr Menschen aus der noch jungen DDR hinüber in den Westen. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass eine Mauer gebaut werden soll, um das Volk in der DDR einzusperren.
Kelmis Pläne, in Ost-Berlin ein Restaurant zu eröffnen, legt er zunächst ad acta und beginnt, sich aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen anders zu orientieren. Die Verunsicherung ist bei ihm und vielen Berlinern groß. Das wiederum kann die überzeugte Sozialistin Susanne nicht nachvollziehen – ein Thema, was auch in ihrer Beziehung mit dem Koch immer wieder für Konfliktpotential sorgt. Und dann kommt der 13. August 1961, der Tag des Mauerbaus…
Im Roman geht es aber nicht nur um Susanne und Kelmi. Da ist auch noch Sannes Mutter Ilona, eine etwas exzentrische Künstlerin, die ihre großartige Schauspielkarriere für ihre Familie aufgegeben hat, um nach der Ermordung ihres Mannes in eine tiefe Depression zu fallen. Sido, ihre beste Freundin, die Jüdin ist und Eugen, der frühere Manager Ilos. Anhand der Lebensgeschichten der von Roth erschaffenen Protagonisten wird auf schmerzliche Weise deutlich, welche Spuren der Krieg und das Nazi-Regime hinterlassen haben.
Der Roman ist in acht Teile mit jeweils nummerierten Unterkapiteln gegliedert. Die Teile sind jedoch nicht chronologisch aufeinander folgend, sondern mitunter mit Zeitsprüngen dazwischen.
Passend ausgewählte Zitate bekannter Persönlichkeiten oder aus anderen Werken stimmen jeweils die Abschnitte ein.
Am Ende des Buches werden in einem ausführlichen Glossar wichtige Begriffe und Namen näher erläutert.
Mein Fazit:
Mit „Wir sehen uns unter den Linden“ beweist Autorin Charlotte Roth wieder einmal ihr großes erzählerisches Talent und Einfühlungsvermögen. Sie entführt uns abwechselnd in die Jahre 1945, 1928, 1952, 1933, 1935 und 1956 – wohlgemerkt in dieser Reihenfolge. Mir waren diese ständigen Zeitsprünge ein bisschen zu anstrengend und machten es meiner Meinung nach unnötig schwer, die Gesamthandlung richtig einzuordnen.
Allerdings bringt der Roman dem Leser ein wichtiges Stück jüngster deutsch-deutscher Geschichte nahe, die in den Kontext einer Familiensaga und gleichzeitig einer Liebesgeschichte eingebettet ist. Trotz einiger Längen ist die Story berührend und die geschichtlichen Hintergründe werden anschaulich erzählt.
Broschiert: 528 Seiten
ISBN-10:3426522357
www.droemer-knaur.de
Der Autor vergibt: