Diana Wynne Jones – Fauler Zauber

Es ist wieder soweit, in wenigen Tagen werden die ersten Pilger vor der Tür stehen, um ihre spannende Fantasy-Tour anzutreten. Doch die Bewohner der Welt, die Mr. Chesney dazu auserkoren hat, der Schauplatz seines Touristenspektakels zu sein, haben die Schnauze voll davon, sich über Wochen hinweg in Arbeit zu stürzen, nur damit ein paar Fremdweltler ihre Plünder- und Zerstörungsquest im richtigen Ambiente mit mörderischen Drachen, hinterlistigen Elfen, betörenden Zauberinnen und einem bösen dunklen Fürsten durchziehen können! Also befragen sie das Orakel, wie sie Mr. Chesney samt seinen Touristen endgültig loswerden können. Allerdings … die Antwort scheint ziemlich zweifelhaft, denn die beiden Personen, die das Orakel auserkoren hat, sind nicht unbedingt für ihre Kompetenz bekannt!

„Fauler Zauber“ ist ein wahres Feuerwerk an Ideen! Das gilt zum einen für die Figuren:

Blade, der laut Orakelspruch die Führung übernehmen soll, ist ein vierzehnjähriger Bursche mit einer starken, aber nicht ausgebildeten magischen Begabung, viel Improvisationstalent und ansonsten der üblichen Neigung eines Teenagers, sich vor Arbeit und Verantwortung zu drücken.

Seine Schwester Shona will Bardin werden, hat aber außer ihrem musikalischen Talent und ihrer Gabe, Geschichten zu erzählen, vor allem einen Hang dazu, sämtlichen Leuten, die sie in einem Zustand der Untätigkeit antrifft, Arbeit anzuschaffen, kombiniert mit einer Menge Durchsetzungsvermögen.

Außerdem wären da noch weitere Geschwister: die technisch begabte Callette, der draufgängerische Kit, die dicke Lydda, die hervorragend kochen kann, und das Nesthäkchen Elda. Allerdings sind sie alle Greifen!

Denn Vater Derk, der in diesem Jahr dazu verdonnert wurde, den dunklen Fürsten zu spielen, beschäftigt sich nahezu ausschließlich damit, sich neue Geschöpfe auszudenken, und diese dann zu züchten. Gleichzeitig ist er ein freundlicher und gutmütiger Mann, der alle seine Züchtungen liebt wie seine eigenen Kinder, ganz gleich ob Tier oder Pflanze.

Schon allein diese Großfamilie liebenswerter Individuen ist wunderbar gezeichnet, dazu kommen noch ebenso gelungene, amüsante Nebenfiguren wie der dicke Priester Umru, die Hochkanzlerin der Universität oder die Herrin der Pferde.

Und dann wären da natürlich noch Derks übrige Züchtungen, wie die fliegenden Schweine, die fleischfressenden Schafe, das geflügelte Hengstfohlen und die hochintelligenten, aber arroganten Gänse, die im Zaum gehalten werden müssen, was den Halbwüchsigen nur mäßig gelingt, sodass immer wieder turbulentes Chaos ausbricht.

Im Grunde aber sind Blade und seine Geschwister hervorragend gerüstet für die Herausforderungen der diesjährigen Pilgerfahrten, denn ihre Fähigkeiten ergänzen sich sehr gut. Allerdings ist es nicht einfach, Mr. Chesneys hohen Ansprüchen zu genügen, denn Mr. Chesney hat sehr genaue Vorstellungen davon, wie die Touren abzulaufen haben, und wie das Setting auszusehen hat. Die Autorin zieht dabei mit Genuss sämtliche Klischees des Rollenspiel-Genres und der Fantasy-Computergames durch den Kakao, von magischen Artefakten bis hin zum Aussehen des dunklen Fürsten und seiner Behausung.

Während Derk und seine Kinder sich also abrackern, um all die Auflagen zu erfüllen, die mit der Durchführung der Touren verbunden sind, werden sie gleichzeitig von den Gegnern der Pilgerfahrten massiv sabotiert; der Dämon, den Derk beschworen hat, weil Mr. Chesney darauf bestand, macht sich einfach aus dem Staub, um sein eigenes Ding zu drehen; und die Kriminellen, die Mr. Chesney in Derks Welt geschickt hat, damit sie dort als Soldaten in der Armee des dunklen Fürsten verheizt werden können, sind alles andere als kooperativ.

Der Showdown, in den dieses wachsende Chaos mündet, ist dann auch nicht das typische Duell zwischen Gut und Böse, sondern etwas viel Schrägeres, die absolute Krönung einer Handlung, die die Absurdität dieser Pilgerfahrten nur allzu deutlich gemacht hat. Denn bei allem Augenzwinkern und selbst im Hinblick auf den Fantasycharakter der Geschichte ist es dem typischen Pauschaltouristen kaum möglich, sich in diesen Pilgern nicht wiederzuerkennen!

Unterm Strich war dieses Buch nicht nur hervorragende Unterhaltung mit einer ganzen Riege an interessanten und sympathischen Figuren, viel Situationskomik und einem wahren Kaleidoskop voll bunter Details, es war auch eine Satire. Hinter der Maske der Rollenspielverulkung findet sich auch eine feine Satire auf den Massentourismus, und wer will, kann sogar sozialkritische Aspekte im Hinblick auf die Ausbeutung anderer Länder darin finden. Da es sich jedoch um ein Jugendbuch handelt, ist das Letzte vielleicht doch ein wenig weit hergeholt. Oder doch nicht?

Diana Wynne Jones war Engländerin und wurde vor allem durch ihren Chrestomanci-Zyklus bekannt und durch ihren Roman „Sophie im Schloss des Zauberers“, der unter dem Titel „Das wandelnde Schloß“ als Anime verfilmt wurde. Für ihr Lebenswerk erhielt sie den World Fantasy Award. 2011 verstarb sie 76-jährig in Bristol. „Fauler Zauber“ ist eine deutsche Neuauflage von „Einmal zaubern, Touristenklasse“.

Broschiert 480 Seiten
Originaltitel: “The Dark Lord of Darkholm”
Deutsch von Eva Bauche-Eppers
ISBN-13: 978-3-426-52290-5

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