Eric Van Lustbader – Father Night (Jack McClure 4)

Im Jahr 2012/2013 schwappt die Welle des Arabischen Frühlings über Nordafrika hinweg. Für manche Leute ist dies die Gelegenheit, Macht und Einfluss zu gewinnen. Auf der einen Seite agiert der Syrer, den wir schon aus „Blood Trust“ kennen, und auf der anderen ein mysteriöser Mann, der von seinen Geschöpfen „Vater Nacht“ genannt wird. Diese Geschöpfe sind allesamt Zwillinge, entdeckt Jack McClure, der für den amerikanischen Heimatschutz arbeitet. Sein Schützling Allison Carson, die Tochter des toten US-Präsidenten, fällt genau diesem Mann in die Hände…


Der Autor

Eric Van Lustbader, geboren 1946, ist der Autor zahlreicher Fernost-Thriller und Fantasyromane. Er lebt auf Long Island bei New York City und ist mit der SF- und Fantasylektorin Victoria Schochet verheiratet. Sein erster Roman „Sunset Warrior“ (1977) lässt sich als Science Fiction bezeichnen, doch gleich danach begann Lustbader, zur Fantasy umzuschwenken.

1980 begann Lustbader mit großem Erfolg seine Martial-Arts & Spionage-Thriller in Fernost anzusiedeln, zunächst mit Nicholas Linnear als Hauptfigur, später mit Detective Lieutenant Lew Croaker: The Ninja; The Miko; White Ninja; The Kaisho usw. Zur China-Maroc-Sequenz gehören: Jian und Shan; selbständige Werke sind: Black Heart; French Kiss; Angel Eyes und Black Blade. Manche dieser Geschichten umfassen auch das Auftreten von Zauberkraft, was ihnen einen angemessenen Schuss Mystik beimengt.

Die Kundala-Trilogie ist Fantasy: „Der Ring der Drachen“, „Das Tor der Tränen“ und „Der dunkle Orden“. Da diese Fantasy ebenfalls in einem orientalisch anmutenden Fantasyreich angesiedelt ist, kehrt der Autor zu seinen Wurzeln zurück, allerdings viel weiser und trickreicher. Kürzlich hat er noch einmal eine Wendung vollziehen und schreibt nun die Thriller seines verstorbenen Kollegen Robert Ludlum fort, so etwa „Die Bourne-Verschwörung“. 2007 erschien der Mystery-Thriller „Testamentum“ in der Art von Dan Browns „The Da Vinci Code“. Danach veröffentlichte Lustbader Fortsetzungen von Robert Ludlums BOURNE-Serie.

Die Jack McClure-Serie

1) First Daughter
2) Last Snow
3) Blood Trust
4) Father Night
5) Beloved Enemy

Handlung

Nach den gewalttätigen Erlebnissen, die Jack McClure und sein Schützling Allison Carson hinter sich haben (vgl. „Blood Trust“), müssen sich beide neuen Gefahren stellen. Allison ist die Tochter des tödlich verunglückten US-Präsidenten Edward Carson und trainiert in einer Anstalt des Secret Service, eine künftige Agentin zu werden. Ihre beste Freundin hier ist die geheimnisvolle und nicht immer ehrliche Vera Bard, die so wie sie ihre Freundin Emma McClure kannte, die Tochter von Jack McClure.

Schrecken der Vergangenheit

Es ist Vera, die eine Website entdeckt, die Allison in demütigenden Stellungen darstellt – die Bilder wurden natürlich mit Photoshop manipuliert. Darauf wird Allis Todestag genannt, der 20. Dezember. Vor genau fünf Jahren wurde sie von dem Psychopathen Morgan Herr entführt. Es ist ein zusätzliches, winziges Detail, das Alli in Panik versetzt: dass sie auf einem Stuhl einer Gehirnwäsche unterzogen wurde.

Ihr Folterer Morgan Herr ist längst tot (vgl. „First Daughter“), aber es ist, als wäre er wiederauferstanden. Um sich zu schützen, muss sie herausfinden, wer auf dieses streng geheime Material Zugriff gehabt hat. Auch hier hilft Vera. Caroline Carson ist Allis Cousine, die Tochter ihres Onkels Henry Holt Carson, eines Industriemagnaten, der den Präsidenten in der Hand hatte. Was keiner weiß; Caro ist auch Veras Halbschwester.

Caro ist eine Hackerin. In kürzester Zeit hat Caro die verschlungenen Pfade der Website und ihres Betreibers verfolgt – bis sie auf eine Firewall stößt, die sie in Alarm versetzt: Sie gehört dem militärischen Geheimdienst. Nun braucht sie selbst Hilfe. Bei einem Treffen präsentiert Caro Werner Waxman, einem Mann für alle schmutzigen Regierungsgeschäfte, die in Washington, D.C., so anfallen – und das sind eine Menge.

Was weder Caro noch Alli wissen: Waxman arbeitet für einen General, der üble politische Ziele im Nahen Osten verfolgt. Aber was Waxman nicht weiß: Caro ist erst durch ihre Arbeit für terroristische Kreise um den Syrer (vgl. „Blood Trust“) zu einer exzellenten Hackerin und Kämpferin geworden. Der Syrer ist zwar von der Bildfläche verschwinden und sie ihm entkommen, doch sie verfügt immer noch über beste Kontakte, so etwa in die russische Mafia, zu einem Lover namens Grigori Batchuk….

Für ihre Dienste verlangt Caro eine Gegenleistung: Alli soll ihr ein Notizbuch aus dem Haus ihres Vaters Henry Holt Carson beschaffen, ein ganz besonders wertvolles Notizbuch. Und Grigor Batchuk, der Gangster, ist ebenfalls dahinter her.

Nona Heroe

Nona Heroe ist, wie ihr Name schon sagt, eine Heldin der Metropolitan Police von Washington, D.C. Doch nun will ihr Vorgesetzter Leonard Bishop sie in den internen Dienst versetzen. Als sie dies ablehnt, um weiter aktiv bleiben zu können, tappt sie in seine Falle. Sein Preis dafür sind sexuelle Gefälligkeiten: Sie soll seine Mätresse werden. Sie willigt ein, um ihre Karriere zu retten, doch ihr Kollege Alan Fraine hat bereits gemerkt, dass sie sich seltsam verhält, und beschattet sie.

Als sie aus Bishops Haus kommt, lädt er Nona zum Essen ein. Sie schüttet ihm ihr Herz aus. Er hat auch schon einen Helfer parat: den Minister für Heimatschutz (DHS) Dennis Paull. Für Paull ist Bishop kein Unbekannter: Der Mann gehöre zu einem Klüngel von Verschwörern, die schmutzige Geschäfte in Kriegsgebieten betreiben. Paull baut dagegen eine Spezialtruppe auf. Um Bishop aushorchen zu können, soll sie die Beziehung zu ihm fortführen. Was wie Zuhälterei aussieht, versetzt jedoch Nona in die Lage, den Spieß umzudrehen und Bishop für ihre Zwecke zu benutzen…

Jack McClure

Jack hat Alli vor fünf Jahren im Haus ihres Entführers aufgespürt und ihr das Leben gerettet. Er hat gespürt, dass in der Freundin seiner toten Tochter Emma etwas ganz Besonderes steckt und sie mit auf eine Mission nach Albanien genommen („Blood Trust“). Während sie in die USA zurückreisen konnte, machte er sich mit seiner Geliebten Annika Dementieva auf den Weg nach Moskau. Sie ist die Tochter eines psychopathischen Gangsters namens Oriel Batchuk und hat zwei Brüder, darunter Grigori Batchuk. Oriel ist inzwischen tot.

Der einzige Mensch, den sie neben Jack wirklich liebt, ist ihr Großvater, der unvergleichliche Djadya Gurdijeff. Doch nun ist klar, dass sein Leben in Gefahr ist: Er weiß zuviel über die Batchuk-Brüder und ihre Organisation. Deshalb bittet sie Jack, ihr zu helfen, Großvater außer Landes zu schaffen, am besten an Bord der Präsidentenmaschine, die am Moskauer Flughafen streng bewacht wird. Jack ist einverstanden. Großvaters Freundin Katya Tanova hilft ihnen, den alten Mann erst „sterben“ zu lassen und ihn dann mit einem Rettungswagen Richtung Flughafen zu transportieren.

Doch jemand muss sie verraten haben, denn nicht nur der medizinische Betreuer des Krankenhauses, sondern auch der Fahrer des Rettungswagens erweisen sich als Agenten der Batchuk-Brüder. Es kommt zu einem blutigen Kampf – dem ersten von vielen. Als er wieder „lebt“, schlägt Großvater einen anderen Weg vor, und Jack hat eine verwegene Idee: Wie wäre es inmitten eines Zirkus, der gerade nach St. Petersburg unterwegs ist?

Mein Eindruck

Ich habe diesen actionreicher Thriller in wenigen Tagen gelesen. Fast jedes der kurzen Kapitel endet mit einer Überraschung und/oder einem Cliffhanger, und so kam ich nicht umhin, gleich weiterzublättern, um zu erfahren, wie die Geschichte weiterging. Die Szene wechselt zudem ständig zwischen den drei oder vier verschiedenen Handlungssträngen hin und her, so dass für jede Menge Abwechslung gesorgt. Das erfordert es aber auch, ständig am Ball zu bleiben, um den Faden nicht zu verlieren. Lustbader ist ein routinierter Erzähler und weiß genau, wie man das macht.

Zunächst dachte ich, dass es darum geht, Jack McClure mit Annika, seiner Freundin, und deren Großvater neue Großtaten vollbringen zu lassen. Doch der Kern dieses Handlungsstrangs besteht lediglich darin, mit heiler Haut aus Russland zu entkommen. Das gelingt dem Trio unter abenteuerlichen Umständen, wenn auch unter Verlust von Katya. Während Annika und ihr Opa, dem alten Gauner, nach Rom abdüsen, folgt Jack einem Befehl seines Chefs Dennis Paull, der ihn in die USA beordert: Alli ist entführt worden. Man kann also sagen, dass das erste Drittel dieses Romans lediglich ein actionreiches Vorspiel darstellt.

Interessanter ist dann schon Jacks Begegnung mit Werner Waxman, einem höchst mysteriösen und gefährlichen Mann. Aber wer verbirgt sich hinter diesem geradezu lächerlichen Namen? Die Hackerin Caro findet heraus, dass sich inter dem Codenamen „Acacia“, mit dem Waxman in Verbindung gebracht wird, ein altes Programm des CIA-Vorläufers OSS verbirgt. Es hatte am Ende des Zweiten Weltkriegs zum Ziel, „nützliche“ Nazi-Topleute in die USA zu schmuggeln (vgl. auch den Film „Das Haus in der Russell Street“ mit Jeff Daniels). Der Bekannteste unter diesen Leuten war sicherlich der Raketenbauer Wernher von Braun – der möglicherweise Werner Waxman seinen Vornamen geliehen hat.

Aber „Acacia“ ist nur die Spitze des Eisbergs: Das Programm wurde reaktiviert. Nona Heroes Bruder Frank, der seit Monaten im Wachkoma liegt, hat daran teilgenommen und ihr ein verborgenes Dokument hinterlassen: Diese nie abgeschickten Emails enthüllen die schreckliche Zielrichtung von Acacia – und eine Verbindung, die nur Unheil bedeuten kann….

Nonas Freund und Kollege Alan Fraine wird – wie so viele Figuren – erschossen, und zwar von keinem anderen als seinem Zwillingsbruder Chris. Jack fällt auf, dass auch Oriel Batchuk Zwillingssöhne hatte – und dass Morgan Herr, Allis Folterer, einen Zwillingsbruder hat. jack glaubt nicht an Zufälle. Vielmehr scheint sich hier ein unheimliches Muster zu offen. Doch wer ist der Puppenspieler, der für all diese Zwillinge verantwortlich ist? Wieder fällt der Name Werner Waxman. Höchste Zeit, diesem Schurken das Handwerk zu legen, findet Jack.

Schwächen

Ich habe die Leichen nicht gezählt, die sich in diesem Roman anhäufen, aber der Body Count dürfte an die 20 oder 30 erreichen. Das wäre vielleicht nicht so schlimm, wenn der Leser wüsste, dass diese Tötungen halbwegs sinnvoll wären. Im ersten Drittel des Romans, das als Vorspiel dient, muss die Gewalt lediglich zur Unterhaltung herhalten. Der Leser weiß aber von vornherein, dass das zentrale Trio stets mit heiler Haut davonkommen wird. Das nimmt der ganzen Sache etwas die Würze.

Dass auch Dyadya Gurdjieff sang- und klanglos abserviert wird, hat mich dann doch etwas überrascht – der Autor hatte keine Mühen gescheut, dem Leser diesen alten Gangster sympathisch darzustellen. Dyadya erhält nicht mal eine eigene Sterbeszene, wie sie jeder Topfigur zukommt, sondern wird nur in einem Nebensatz als ermordet („a hit and run act“) erwähnt. Ich kann mir das nur damit erklären, dass dem Autor a) anderes wichtiger war oder b) diese Szene gekürzt werden musste, um einen Maximalumfang nicht zu überschreiten.

Was dem Autor wichtiger war, ist die extrem spannende Szene, als Waxmans Schergen in das schwer bewachte Militärhospital eindringen, um Caro Carson, die weiterhin aktive Hackerin des Syrers, ebenso abzuservieren wie ihren Vater. Allerdings stoßen die Kämpfer dabei auf unerwarteten Widerstand in Gestalt der (inzwischen längst von Jack auf spektakuläre Weise befreiten) Alli Carson und ihrer Cousine Vera Bard. Das ist Allis Feuertaufe.

Wirklich gruselig für den deutschen Leser sind Lustbaders Versuche, Deutsch zu schreiben: So ziemlich jeder „deutsche“ Satz auf den Seiten 420 bis 425, den Werner Waxman von sich gibt, ist falsch. Daneben fällt schon gar nicht mehr der Fehler ins Gewicht, dass Lustbader wie in seinen BOURNE-Romanen „ISP-Adresse“ statt „IP-Adresse“ schreibt.

Unterm Strich

Ich habe mich an keiner Stelle gelangweilt. Aber nach einer Weile, in der sich die Leichen nur so stapelten, kam ich mir vor wie in einem Egoshooter-Game: Hauptsache, es passierte ständig etwas. Das Mittel-Spiel in einem Labyrinth von Korridoren, in dem einst die herausgeschmuggelten Nazis untergebracht worden waren, erinnerte mich dann ganz besonders an jene Shooter-Szenen, in denen hinter jeder Ecke ein Feind lauert, den es abzuknallen gilt. Sonst heißt es GAME OVER.

Das Thema der Nazis wird nicht ohne Hinterlist weiterentwickelt. Nazis scheinen sich in den Augen von Amis stets bestens als Oberschurken zu eignen. Hier wird nicht nur der Geheimorden „Die Nornen“ vorgestellt, sondern auch noch dessen Geheimprogramm, das Experimente an Zwillingen ausführte. Dem Naxi-Experten fällt in diesem Zusammenhang der Name Josef Mengele ein, der im KZ Auschwitz solche Experimente durchführte. Und tatsächlich: Es tritt Mengeles Sohn auf – und sofort in Papis Fußstapfen. Doch auch er erhält seinen verdienten Lohn.

Dass der Autor inzwischen eine gehörige Portion Selbstironie entwickelt hat, zeigt sich in Vera Bards abfälliger Bemerkung über Jason Bourne auf S. 142: „Christ, don’t go all Jason Bourne on me! Everything’s under control.“ Hier nimmt der Autor seine eigene Sklavenarbeit im BOUNRE-Franchise auf die Schippe. Er hat seit 2014 keine BOURNE mehr verfasst, sondern sich vielmehr wieder seinem ersten Helden Nicholas Linnear („Der Ninja“, 1980) zugewandt.

Kurzum: So unterhaltsam dieser Thriller auch ist, so zeigen sich doch zahlreiche Ermüdungserscheinungen sowie Anzeichen für Zeitmangel, wie etwa das falsche Deutsch Werner Waxmans. Höchste Zeit, diese Reihe zu beenden, dachte sich wohl auch der Autor und verfasste nur noch einen Jack McClure Thriller: „Beloved Enemy“. Denn ein Problem muss Jack noch lösen: Annika, seine Freundin, ist zum Feind übergelaufen…

Taschenbuch: 453 Seiten
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0765369482

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