Helga Glaesener – Die Safranhändlerin

Trier im frühen Mittelalter:

Wir schreiben das Jahr 1327. Marcella Bonifaz, Nichte des Trierer Schöffenmeisters ist eine junge Frau, die sich von niemandem etwas vormachen lässt. Sie ist Krämerin und handelt mit Gewürzen und Farbstoffen – und das in einer Zeit, in welcher der Handel eine Männerdomäne ist. Als sie günstig an toskanischen Safran kommt, schlägt sie zu und investiert fast ihr ganzes Vermögen. Doch der Wagenzug, der den kostbaren Safran liefern soll, wird überfallen und Marcella steht beinahe vor dem finanziellen Ruin. Eine Möglichkeit, allen Sorgen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, wäre es, endlich den Heiratsantrag des reichen Händlers Jacob Wolff anzunehmen. Doch Marcella will nicht heiraten – nicht nur Jacob nicht, sondern überhaupt nicht.

Überraschend wird dann einer der überfallenen Wagen bei einem Trierer Weinhändler entdeckt und dessen Sohn, Damian Tristand, gerade aus Genua heimgekehrt, des Überfalls beschuldigt und verhaftet. Marcella ahnt jedoch, dass Tristand, obwohl er einen schlechten Ruf hat, nicht für den Überfall verantwortlich ist und hilft ihm zu entkommen. Als dann in einem nahen Kloster plötzlich Safran auftaucht, wittert sie eine heiße Spur und gemeinsam mit Tristand, der seine Unschuld beweisen möchte, macht sie sich auf die Suche nach der Wahrheit. Damian und Marcella helfen sich gegenseitig aus so mancher Patsche und der Leser ahnt bereits lange vor Marcella, wohin das führen wird. Unterstützt werden die beiden gelegentlich noch von den unterschiedlichsten Nebenfiguren wie Marcellas Freundin Elsa, dem Ritter Richwin von Mielen und Jacob Wolff, dem Mann, den Marcella auf Wunsch ihres Onkels heiraten soll.

Marcella und Damian agieren vorwiegend von Burg Starkenberg aus, die von Gräfin Loretta von Sponheim geführt wird, einer mutigen, jungen Frau. Doch Marcella trägt finstere Schatten ihrer eigenen Vergangenheit mit sich herum und als die Gräfin den Bischof aufgrund eines Territorialstreits als Geisel nimmt, zieht sich das Netz um Marcella immer mehr zu. Ihr Leben gerät zunehmend in Gefahr und es wird klar, dass es einen Verräter in den eigenen Reihen geben muss.

Zunächst hatte ich Schwierigkeiten, mich an den teilweise von altertümelnder Umgangssprache durchfärbten Sprachstil der Autorin zu gewöhnen. Nach einer gewissen Zeit des Einlesens ging das aber recht gut und danach ist mir die Erzählweise nur noch selten unangenehm aufgefallen.
Insgesamt fand ich das Buch nach einer etwas schleppenden Eingangsphase flüssig zu lesen und spannend erzählt. Es gibt nur wenige Längen, an denen das Tempo etwas stockt oder die Geschichte gar etwas langweilig wird, was man aber bei einem Buch von über 400 Seiten schon mal verzeihen kann, besonders wenn es wie hier wirklich nicht übermäßig häufig vorkommt. Etwas unangenehm aufgestoßen ist mir, dass Helga Glaesener wiederholt zu einer starken Schwarz-Weiß-Malerei greift; die Helden sind alle hübsch, intelligent und charmant und die Fieslinge schmutzig, hässlich und dumpfbackig. Aber am Ende löst sich dieses Schubladendenken wieder auf, Gut und Böse vermischen sich und daher kann ich es insgesamt sehr gut verzeihen.

Die Personen der Geschichte sind gut gezeichnet, wenn auch nicht brillant. Marcella, aus deren Augen wir die Geschichte erleben (aber nicht in der ersten, sondern in der dritten Person), ist eine sympathische, starke Frau mit ebenso sympathischen kleinen Macken, in die ich mich gut hineinversetzen konnte. Dies ist unter anderem sicherlich dadurch bedingt, dass Marcella keine typische Vertreterin der Gruppe Frau im Mittelalter ist, aber die wenigsten Hauptfiguren von historischen Romanen dürften typische Vertreter ihrer Zeit sein.
Vielleicht könnte man auch kritisieren, dass das Geheimnis um Marcellas Vergangenheit nur bruchstückhaft aufgeklärt wird. Da jedoch genau dies Thema der bereits erschienen Fortsetzung „Safran für Venedig“ sein soll, fällt auch dieser Kritikpunkt für mich aus.

Sehr hilfreich fand ich, dass die Autorin im Nachwort auch darauf eingegangen ist, welche der handelnden Personen und Ereignisse historisch und welche fiktiv sind. Das Mittelalter in Trier fand ich jedenfalls sehr gut geschildert. Die Autorin hat eindeutig fleißig über den Handelsaufbau in dieser Zeit recherchiert und ihre Ergebnisse gut in das Buch einfließen lassen. Gleichzeitig ist die Erzählung aber auch nicht so überladen mit historischer Korrektheit, dass die fiktive Geschichte darunter litte.
Es handelt sich meiner Meinung nach um ein Zwischengenre aus historischem Kriminalroman und Historienroman. Zwar ist die Suche nach dem verschwundenen Safran und den Beweisen für Damians Unschuld das zentrale Thema des Buches, es gibt aber immer wieder längere Exkurse, in denen die Geschichte vom Thema abschweift, sich entweder der sehr unaufdringlich entstehenden Liebesgeschichte widmet oder einfach der Darstellung des bürgerlichen Lebens in der behandelten Zeit. Das Ende ist mit einigem Geschick konstruiert und lässt sich auch nicht zu früh erahnen – wenngleich es natürlich bereits im Vorfeld den einen oder anderen eher versteckten Hinweis auf die Lösung gibt.

Das Buch hat mir insgesamt gut gefallen, der Krimiplot ist spannend, die Charaktere sind interessant, der historische Hintergrund wirkt authentisch und die Liebesgeschichte ist nicht zu aufdringlich. Im Gegenzug ist der Schreibstil ein wenig gewöhnungsbedürftig und es fehlt auch einfach das gewisse letzte Quentchen Genialität. Alles in allem aber ein historischer Kriminalroman, den ich guten Gewissens empfehlen kann.

Die 1955 geborene Helga Glaesener hat Mathematik studiert, ist Mutter von fünf Kindern und lebt heute in Aurich/Ostfriesland. Sie hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, dabei umfasst ihr Publikationsgebiet nicht nur historische Romane, sondern auch Fantasy und eine Weihnachtsgeschichte.

Taschenbuch: 431 Seiten
www.helga-glaesener.de