Oliver Henkel – Wechselwelten

Oliver Henkel ist bisher mit den Romanen „Die Zeitmaschine Karls des Großen“ und „Kaisertag“ in Erscheinung getreten (BoD). Beide Werke beschäftigen sich mit den verwandten Themengebieten Alternativwelten und Zeitreisen. Auch die vorliegende Storysammlung setzt sich einzig mit diesen sich überlappenden Themenkreisen auseinander.

„Wechselwelten“ enthält sieben Kurzgeschichten, ist im momentan gebräuchlichen Taschenbuchformat gedruckt und fällt sehr positiv durch die hervorragende Covergestaltung auf, die professioneller wirkt als bei manchem der etablierten Verlage. Leider kann man dies für die benutzte Schriftgröße der Texte nicht behaupten. Bücher für kleine Kinder weisen manchmal kleinere Schriftgrößen auf, als dies in „Wechselwelten“ der Fall ist (was keine Kritik an Lesebüchern für kleine Kinder sein soll!). Wahrscheinlich hatte Autor Oliver Henkel die Befürchtung, dass kaum Leser 14 Euro für eine Sammlung von Kurztexten ausgegeben hätten, die nur circa 120 statt der nun 250 Seiten umfasst hätte. Diese relative Kürze ist jedoch schon das einzige, was an „Wechselwelten“ auszusetzen ist, denn die enthaltenen Erzählungen sind alle gut lesbar, interessant und, zumindest in zwei Fällen, sogar sehr gut gelungen.

Diese beiden sind „Der Adler ist gelandet“, in der Christoph Kolumbus zwar auch Amerika entdeckt, jedoch andere Förderer hat, die den dortigen Reichtum abkassieren (es wäre unglaublich interessant, aber auch extrem schwierig, sich eine Welt im Hier und Heute vorzustellen, die aufgrund dieser veränderten Ausgangslage hätte entstehen können) und vor allem „Mr. Lincoln fährt nach Friedrichsburg“, in der ein Teil der USA von den Preußen besetzt ist, da der amerikanische Unabhängigkeitskrieg entweder nicht stattfand oder scheiterte. In dieser Erzählung fährt der Sklavereigegner Abraham Lincoln, seines Zeichens Rechtsanwalt und ehemaliger Politiker, in das preußische Protektorat Friedrichsburg (ehemals Charleston), um einen Sklaven zu verteidigen, der ausgeliefert werden soll. Denn in dem von den Preußen beherrschten Teil der USA ist die Sklaverei abgeschafft, weshalb immer wieder Sklaven dorthin entfliehen. Diesen für die Sklavenhalter unhaltbaren Zustand soll nun ein junger Anwalt beenden, während Lincoln dies zu verhindern trachtet …

Auch die fünf anderen Geschichten wissen zu gefallen, wenn sie auch nicht längst so durchdacht oder kreativ sind wie die beiden oben genannten. In der kürzesten Geschichte, „Kalifornia Dreaming“, teilt Joseph Goebbels im Jahr 1955 brieflich Walt Disney seine Bewunderung für dessen Leistungen mit. „Ein neunter Oktober“ zeigt, wie die Stasi auf Befehl Erich Mielkes den Volksaufstand in der DDR blutig niederschlagen lässt. Um einen ehrgeizigen Zeitreisenden, der, um einer Frau zu imponieren, die Vergangenheit manipuliert, geht es in „Die Unsterblichkeit des Harold Strait“. In „… auf dass er die Menschen erlöse“ wird durch das Eingreifen Judas Ischariots die Kreuzigung von Jesus Christus verhindert und dieser somit nicht zum Märtyrer gemacht.

In der letzten Geschichte des Erzählungsbandes berichtet ein reicher Grieche von den Taten Alexander des Großen, der seinen Feldzug gen Westen richtete und schließlich an den Römern scheiterte, deren Weltreich er mit seinem Angriff aber wohl zum Einsturz brachte. Nur durch die Tatsache, dass Alexander grandios auf dem Schlachtfeld starb, so der Protagonist, würde er den Menschen auf ewig in Erinnerung bleiben. Wäre er unwürdiger verschieden, wäre er längst vergessen, so der kluge Grieche (!).

Insgesamt ist „Wechselwelten“ empfehlenswerte Lektüre, trotz der (genau betrachtet) geringen Seitenzahl und des dafür hohen Anschaffungspreises. Wem niveauvolle Spekulationen über Alternativwelten gefallen, für den ist das vorliegende Werk sogar ein Muss. Lesevergnügen stellt es allemal dar.

Taschenbuch: 252 Seiten
Autorenseite: www.oliverhenkel.com

Gunther Barnewald
Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins buchrezicenter.de veröffentlicht.