Kevin Major – Two for the Tablelands. Der zweite Fall für Sebastian Synard

Ein Detektiv in der Honigfalle

Der ehemalige Lehrer Sebastian Synard hat drei große Leidenschaften: Whiskey, Bücher und seine Heimat Neufundland. Mit seinem kleinen Tourismus­unternehmen »On the Rock(s)« macht er die Hobbys zum Beruf. Die exklusiven Touren über die Insel kommen gut an und er plant bereits für die nächste Saison.

In den neufundländischen Tablelands gibt es viel zu sehen: malerische Natur, jahrtausendealte Gesteinsschichten und – eine Leiche. Schnell wird klar, dass es sich bei dem toten Studenten um ein Mordopfer handelt. So stürzt Synard, mittlerweile ein zugelassener Privatdetektiv, in seinen nächsten Fall.

Doch er ist nicht der Einzige, der an der Aufklärung interessiert ist: Die Tante des Opfers kommt mitsamt heißer Spur aus Mexiko angereist. Sie besteht darauf, dass der Stiefvater der Täter sein muss. Mit Entschlossenheit und luftiger Kleidung im Gepäck nimmt Synard den nächsten Flieger vom windzerzausten Neufundland ins warme Mexiko. Doch was ihn dort erwartet, bringt ihn einmal mehr in große Gefahr.
(Verlagsinfo)

Der Autor

Kevin Major wurde 1949 in Stephenville  auf Neufundland geboren. Einige seiner Werke wurden verfilmt, fürs Theater bearbeitet und übersetzt. 1992 wurde er mit dem Vicky Metcalf Award ausgezeichnet. „Kevin Major is a Canadian author who lives in St. John’s, Newfoundland and Labrador with his wife. He writes for both young people and adults, including fiction, literary non-fiction, poetry, and plays.” (fantasticfiction.co.uk)

Mit seiner Frau und seinem Hund lebt Major in St. John’s, im Osten von Kanada. 2020 erschien sein Roman „Caribou“ bei Pendragon, mit „One for the Rock“ startete seine Krimireihe. Als nächster Band ist „Two for the Tablelands“ erschienen.

Die Location

Zu Neufundland findet sich in der Wikipedia folgender bemerkenswerte Hinweis: „Neufundland (engl. Dominion of Newfoundland) existierte von 1907 bis 1934 als eigenständiges Dominion innerhalb des Britischen Reiches. Am 31. März 1949 wurde Neufundland eine Provinz von Kanada.“ Auf diesen Sachverhalt spielt der Autor Kevin Major manchmal an. Vielleicht will er erklären, dass die Neufundländer ein besonderer Menschenschlag sind. Auch ihre Sprache, die vielfach zitiert wird, unterscheidet sie von den Kanadiern, die entweder feines Französisch (in Quebec) oder feines Britisch sprechen – oder eine indigene Sprache.

Sebastian Synard Reihe

„One for the Rock“ (2019; dt. 2023)
„Two for the Tablelands“ (2020, dt. 2024)
“Three for Trinity” (2021)
“Four for Fogo Island” (2022)
“Five for Forteau” (2023)

Romane

Hold Fast (1978)
Far From Shore (1980)
Thirty-Six Exposures (1984)
Dear Bruce Springsteen (1987)
Blood Red Ochre (1989)
Eating Between the Lines (1991)
No Man’s Land (1995)
Gaffer (1997)
Ann and Seamus (2004)
Found Far and Wide (2016)
Land Beyond the Sea (2019) (dt. als „Caribou“, 2020)

Bilderbücher

Eh? to Zed (2001)
Aunt Olga’s Christmas Postcards (2005)

Sachbücher

Diana (1993)
As Near to Heaven By Sea (2000)

Handlung

Sebastian Synard, mittlerweile zum Privatdetektiv ausgebildet, unternimmt mit seinem 13-jährigen Nick eine Wanderung auf dem Tafelland Neufundlands. Der höchste Gipfel ist immerhin rund 800 Meter hoch. Wandern macht auch am zweiten Tag durstig und heiß. Eine Abkühlung im Wasser endet jedoch in einer schrecklichen Entdeckung, die Nick macht. Unter Steinen ist ein nackter junger Mann lediglich notdürftig zugedeckt.

Weil seine Kehle durchschnitten ist, bietet sich Nick ein schauerlicher Anblick. Sebastian versucht ihn gleich zu trösten, bevor er die Polizei anruft. Zuerst kommt die Royal Canadian Mounted Police, dann die medizinischen Assistenten, die den nackten, ausgiebig fotografierten Körper auf eine Trage verfrachten und nach St. John’s oder Crooked Point fahren, da ist sich Sebastian nicht so sicher. Auch er hat sein Mittagessen wieder von sich gegeben, kaum dass er ein paar Fotos machen durfte. Die Polizistin ist käsebleich geworden, bevor sie die Kamera an ihn überreichte.

Die Nachricht von dem Fund macht schnell die Runde, nicht zuletzt weil Nick ständig an seinem iPhone Nachrichten verbreitet. Ein Journalist ruft unterwegs an, denn Samantha, Sebastians Ex, hat ihm seine Nummer gegeben. Der Anrufer wird abgewimmelt. Das Erlebnis muss erst verdaut werden.

Weil der Staff Sergeant von der RCMP Sebastian von der Ermittlung ausschließt, ermittelt er auf eigene Faust. Als das Radio verkündet, dass es sich bei dem Toten um Simón Torres, einen Geowissenschaftler aus Mexiko handelt, wird auch klar, wo er studiert hat. Sebastian hat überall Bekannte, und so findet er Zugang zum Institut, an dem Torres studierte und seinen zweiten Abschluss machen wollte. Den ersten machte er an einer Uni in Texas. Das ist wohl auch der Grund, warum ein großer Texaner namens Troy Foster auf dem Symposium auftaucht, an dem Torres teilnehmen sollte.

Dem Gedenken an den Toten folgt eine gedrückte Stimmung. Sebastian stellt sich drei Studenten vor, die bereit zu sein scheinen, etwas über Torres zu sagen: Mark aus Neufundland, Jón aus Island und Katharina aus Deutschland. Jón kannte Simón offenbar am besten. Sebastian bietet ihm an, mit ihm zum Fundort draußen auf dem Tafelland zu fahren, und Jón nimmt das Angebot an.

Intermezzo

Bevor sie auf Tour gehen können, trifft die Tante des Verstorbenen aus Mexiko ein. Sebastian holt Gabriela Ojeda zwar am Flughafen ab, doch sie will nicht zum Abendessen, sondern erst zur Polizei, um die Formalitäten zu erledigen. Schon zwei Tage später will sie die Urne des eingeäscherten Körpers mit nach Hause nehmen. Als sie erfährt, dass er Simón gefunden und bereits ermittelt hat, engagiert sie ihn vom Fleck weg. Schon ist das Leben wesentlich leichter. Allerdings soll er weg später nachkommen, um den wahrscheinlichen Auftraggeber des Mordes kennenzulernen, Simóns Stiefvater Antonio, einen skrupellosen Bauunternehmer.

Die zweite Tour

Als er mit Jón endlich die lange Tour zum Fundort antreten kann, findet er endlich etwas mehr Kontakt zu dem verschlossenen Isländer. Als sich herausstellt, dass Jón ein großer Freund von Craft Beer aus lokalen Mikrobrauereien ist, findet er einen Weg zu Jóns Herz. So lässt sich einiges über den ermordeten jungen Geologen aus Mexiko herausfinden.

Aber eine Frage wirft Jón auf: Wenn Simón in jenem Teich gebadet hat, in dem auch Sebastian und sein Sohn badeten, als sie die Leiche entdeckten, dann muss Simón seinen Mörder schon von weitem gesehen haben: Es gibt ja keinerlei Vegetation. Wie konnte sich dann erwürgen lassen? (Der Kehlschnitt wurde erst nachträglich zugefügt.) Und jemand hat Simóns Basecap gefunden. Die Fotos, die die RCMP gemacht hat, weisen sie eindeutig als die des Geologen aus, bestätigt Jón.

Mexiko

Die schöne Tante holt ihn am Flughafen ab und fährt ihn in den sehr sauberen Touristenort San Miguel de Allende. Nach einem Begrüßungsfick stellt sie ihn ihrer Schwester, Simóns Mutter, und deren Mann vor, dem gefürchteten Antonio. Der macht sich auf verschiedene Weise über den Kanadier lustig und zeigt – halb im Scherz – seine scharfen Hunde. Sebastian versteht die Botschaft sehr gut. Gabriela widmet sich ihren Marketinggeschäften, die sich offenbar v.a. um Tequila drehen. Dem Agavenschnaps kann der Whiskyliebhaber Synard allerdings nichts abgewinnen. Aber was tut man nicht alles für eine zahlende Kundin. Er deutet an, die Ermittlung in Sachen Simón weiterführen zu wollen, und das erweist sich wohl als Fehler.

An einem der nächsten Tag nimmt sie ihn am frühen Morgen mit in eine Wellness-Oase. So früh schon, wundert sich Sebastian, und kein Wunder ist kaum jemand in den Pools und Saunen. Er schwimmt so vor sich hin, als sich zwei starke Hände um seinen Hals legen und kräftig zudrücken…

Mein Eindruck

Diesmal ist Kontrastprogramm angesagt: Vom kahlen Tafelland Neufundlands geht’s ins heiße Mexiko. Doch Privatschnüffler Synard hat stets die passende Kleidung dabei. Eben treibt er sich noch mit seinem Sohn Nick und mit dem isländischen Studenten Jón in kühlen Gefilden herum, dann holt ihn eine schöne Mexikanerin in den Swimmingpool des Todes.

Doch wie so häufig gelingt dem entschlossenen Kanadier auch diesmal die Flucht. Doch als Olsen von Constabulary ihn bittet, weiter nach Verdächtigen Ausschau zu halten, hilft nur ein guter Whisky – und die Zuwendung seines Sohnes. Was ihn zunehmend befremdet, ist das Verhalten des Isländers. Als der ihn in eine Falle lockt, die im Institut aufgestellt worden ist, gerät Synard erneut in eine lebensgefährliche Klemme. Nur die Hilfe seines Sohnes bewahrt ihn vor dem endgültigen Exitus. Der Krimifreund könnte sich kein packenderes Finale wünschen.

Und warum das alles, fragt sich der unbedarfte Privatschnüffler. Wie sich herausstellt, befindet sich in den Flaschen, die Tante Gabriela Ojeda bewirbt und Troy Foster verschickt, nicht bloß mexikanischer Agavenschnaps alias Tequila, sondern auch eine Droge, die in den USA ziemlich begehrt ist. Der Autor stellt diesmal Synards Schwärmerei für das Naturschutzgebiet – Weltnaturerbe! – Tafelland der bitteren Wirklichkeit des Drogenhandels gegenüber, die kleine Welt der großen. Warum Simón Torres, Tante Gabis Neffe, sterben musste, wird ebenfalls geklärt. Glücklicherweise aus ganz anderen Gründen.

Die Übersetzung

Diese Übertragung wurde von Norbert Jakober angefertigt, einem erprobten Vollprofi, der schon viele gute SF-Romane übersetzt hat.

S. 13: „noch einen Leib von dem selbstgebackenen Brot“: Brotlaibe werden in Deutschland immer noch mit „ai“ geschrieben.

S. 97: “Ich meine Ihr Instagram-Profil, nicht ihr Gesicht…“: Das erste „ihr“ sollte ebenfalls kleingeschrieben werden, sondern wäre es eine Anrede.

Unterm Strich

Wie schon beim ersten Streich Sebastian Synards fühlte ich mich nicht nur spannend unterhalten, sondern auch beiläufig bestens informiert. Der Autor führt seinen Leser durch die Spezialitäten wie etwa Craft Beer und durch landschaftliche Schönheiten. Und damit sind nicht nur die Hügel und Täler an Tante Gabrielas Astralkörper gemeint. Dort darf Sebastian zwar ebenfalls die atemberaubende Aussicht in dieser Honigfalle genießen, doch wo viel Licht ist, wartet auch viel Schatten: Dem Würgegriff im Pool entkommt er nur mit knapper Not. Die lehre: Bleib lieber beim Whisky, als der Verlockung des Tequila zu erliegen!

Eine ganz persönliche Note trägt die Figur Sebastian durch seine Beziehung zu seinem Sohn Nick und dessen „Zweitvater“ Olsen bei. Nick hängt ständig am Handy und zeigt Dad, wie man gutes Essen zubereitet – besonders Dad mal wieder krankenhausreif ist: Beim letzten Fall brach sich Sebastian die Hüfte, diesmal ist der Thorax fällig. Offenbar besitzt er ein ungeahntes Talent dafür, sich selbst zu malträtieren.

Offenkundig bringt der Autor zahlreiche Erfahrungen aus seiner eigenen Familie und seinen Erlebnissen als Vater in die Geschichte ein. Das macht uns seine Hauptfigur nicht nur sympathisch, sondern bringt sie uns auch viel näher. Er ist kein kalter Noir-Typ wie Philip Marlowe, sondern ein durchschnittlicher Lebenskünstler um die Fünfzig, der voller Schwächen und Fehler ist. Nun droht ihm auch noch der Diabetes einzuholen. O Schreck: Sebastian soll auf seinen geliebten Whisky verzichten? Nur über seine tote Leiche!

Wie diese Sache ausgeht, erfahren wir hoffentlich bald in der Fortsetzung mit dem Titel „“Three for Trinity”.

Taschenbuch: 264 Seiten,
O-Titel: Two for the Tablelands; 2020
Aus dem Englischen von Norbert Jakober.
ISBN 9783865328601

www.pendragon.de

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