Pamela Ball – Erotische Träume und ihre Deutung


Sie haben heute Nacht geträumt, denken darüber nach und wissen nicht, was dieser Traum für Ihr Leben bedeuten kann? Was sagt er über Sie, über Ihre Gefühle, Ihre Ziele und Sehnsüchte aus? Die bekannte Traumspezialistin Pamela Ball gibt Einblick in die große Welt der Träume – damit sie zu wertvollen Hinweisen auf dem Weg zu Ihrer Selbstfindung werden. (Verlagsinfo)

Die Autorin

Pamela Ball arbeitete anno 1998 schon seit 35 Jahren als Therapeutin. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit stellt die Traumdeutung dar. Sie versteht ihr Buch als Einstieg ins Thema, doch in erster Linie als „Arbeitsbuch, das Träumern zu mehr Lebensqualität durch ein Verständnis ihrer erotischen Träume verhelfen will“.

Aufbau und Themen

Den Löwenanteil des Buches bestreitet ein Wörterbuch der Dingsymbole in Träumen, der Orte, der Vorgänge und vor allem der auftretenden Personen oder Wesen. Bei der Einteilung dieser Personen oder Figuren stützt sich Ball einerseits auf Carl Gustav Jungs weibliche und männliche Archetypen. Jeweils acht positive und negative, männliche und weibliche Archetypen wie Priester/Priesterin, Held/Prinzessin, Sirene/Amazone usw. stellen Schlüssel zu verborgenen Bedeutungen von Träumen dar.

Andererseits erklärt Ball auch die Figuren wie König/Königin und natürlich alle Angehörigen eines Familienkreises inklusive Tanten und Onkeln. Hin und wieder illustrieren Beispiele die Bedeutung eines Symbols oder einer Figur. Fachbegriffe wie Animus/Anima oder Fetisch ebenfalls erklärt.

Diesen rund 100 Seiten umfassenden Hauptteil umrahmen zwei praktischer orientierter Abteilungen des Buches. Der letzte Teil befasst sich mit der praktischen Traumdeutung anhand von Beispielen. Diese praktischen Beispiele greifen Hinweise und Themen aus dem ersten Teil auf: der umfangreichen Einführung und Erkundung des Themas. Es ist sicherlich sinnvoll, diese Einführung zuerst zu lesen, um zu erfahren, ob einem das Buch etwas zu sagen hat, was man noch nicht weiß und ob einem der Ansatz der Autorin zusagt.

Pamela Ball ist bescheiden und sagt nicht mehr, als dass Träume dazu beitragen können, uns selbst zu verstehen. Sie liefern jedoch keinerlei Analyse eines aktuellen Problems, sondern geben allenfalls verschlüsselte Hinweise. Allerdings befassen sich bedeutende Träume mit wichtigen grundlegenden Problemen in der Seele des Träumers, so etwa nach einer Trennung von einem wichtigen Partner oder von der Familie, wenn alle persönlichen Beziehungen einer Werterevision unterworfen werden.

Die Madonna und der Schurke

Ein exemplarisches Kapitel befasst sich mit der Sichtweise des einen Geschlechts vom anderen: Madonna versus Hure und Held versus Schurke. Beide Figurenpaare beruhen auf gegensätzlichen, aber übersteigerten Wertungen. Die Madonna ist die selbstlose Mutter ohne Unterleib, der die selbstsüchtige erotische Verführerin gegenübersteht. Dieses Bild der Frau war im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts verbreitet.

Der Held hingegen ist der selbstlose, sich aufopfernde Mann (meist ohne Unterleib), dem der selbstsüchtige, seit erotische Attraktivität missbrauchende Schurke gegenübersteht. Erst wenn beide übersteigerte Gegensatzpaare überwunden sind, meint die Autorin, könne es zu einer realistischen Grundlage für eine stabile Partnerschaft kommen. Im Hinblick auf die meisten Hollywood-Filme ist leider festzustellen, dass die Traumfabrik keinerlei Interesse daran zeigt, diese übersteigerten Bilder von Mann und Frau in Frage zu stellen, geschweige denn, sie abzuschaffen.

Die Autorin erklärt, was Teenagerträume kennzeichnet (Starkult usw.), warnt vor vereinfachenden Bewertungen von Anzeichen für Homosexualität in Träumen, handelt diverse „Abartigkeiten“ wie etwa Masochismus ab und erklärt den Unterschied zwischen Träumen und Fantasien. Fantasien lassen sich erstens wesentlich besser erklären als Träume und zudem sogar vom Fantasierer ein wenig steuern, sozusagen halbbewusst.

Träume hingegen sind dem Bewusstsein vollständig entzogen; sie entstehen in Gehirnregionen, nämlich in Hypothalamus und Limbischem System, welche weit älter sind als die Großhirnrinde, die für bewusste Prozesse zuständig ist. Leider geht die Autorin auf diese physiologischen Aspekte in keinster Weise ein. Es wäre nämlich ganz interessant, ob man seine eigenen Träume durch die Art der Ernährung beeinflussen kann. Diese wiederum beeinflusst die Hormone und Botenstoffe des gesamten Gehirns, also auch Hirnanhangs- und Zirbeldrüse, die wichtige Hormone produzieren. Auch die Frage, inwiefern Frauen und Männer unterschiedlich träumen, scheint Ball nicht zu tangieren. Sie kümmert sich um solche Unterschiede nur auf der Ebene der Trauminhalte und –symbole.

Immerhin geht sie auf Theorien des Unbewussten nur am Rande ein (Freund, Jung), und vermeidet eine Erörterung von Sinn oder Unsinn der Penisneid-Theorie, was nur zu einer fruchtlosen und letztlich unentschiedenen Diskussion geführt hätte.

Unterm Strich

Dieses Buch ist ein recht einfach und verständlich gehaltener Einführungskurs in die Traumdeutung. Für mich war der informativste Teil das Wörterbuch und die Erklärung der Archetypen, nicht zuletzt aus persönlichem Interesse heraus, als Literaturkritiker. Archetypen finden beispielsweise in der Fantasyliteratur und natürlich in Kinderbüchern und –filmen massive Verwendung, allerdings meist von jeder erotischen Bedeutung gereinigt.

Wer mehr über Traumdeutung erfahren will, sollte C.G. Jung lesen und die anderen populärwissenschaftlichen Bücher der Autorin. Diese Werke sind allesamt im Online-Buchhandel zu finden.

Taschenbuch: 224 Seiten
Originaltitel: Your sexual dreams interpreted, 1996
Aus dem Englischen von Ulrike Müller-Kaspar
ISBN-13: 9783442163533

www.randomhouse.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)