Guillaume Prévost – Der magische Reif (Das Buch der Zeit, Band 3)

Frech wie Sam: Besuch bei Kaisern und Päpsten

Wer Bücher liebt, lebt gefährlich. Das hätte sich der 14-jährige Sam niemals träumen lassen, als er eines Tages auf der Suche nach seinem verschwundenen Vater ein mysteriöses Buch entdeckt. Seltsam: Seine Seiten sind alle gleich. Doch als Sam auf einen Stein, in den ein Sonnensymbol eingeritzt ist, eine Münze legt, wird er in eine andere Zeit transportiert.

Sieben Münzen, verstreut über Länder und Zeiten, müssen Sam und seine Cousine Lili in Band zwei zusammentragen, um Sams Vater aus Vlad Tepes‘ Gefangenschaft zu befreien. Aber sie werden offenbar von einem Mitglied der Geheimorganisation Akreos verfolgt, der alle Sonnensteine zerstört. Zum Glück werden die beiden Zeitreisenden vom Hüter der Sonnensteine, dem ägyptischen Priester Setni, in die Hintergründe eingeweiht. Nun erfährt Sam endlich, was sein gefangener Vater eigentlich in Draculas Burg Bran wollte: einen Armreif mit ganz besonderen Eigenschaften …

In Band drei wird Sams Freundin Alicia entführt, und nur gegen den magischen Armreif sowie ein wertvolles Buch über Magie will der Entführer sie wieder freilassen. Doch nicht irgendwo, sondern im Rom des Jahres 1527, als die Ewige Stadt von kaiserlichen Truppen erobert und gebrandschatzt wird!

Der Autor

Guillaume Prévost, geboren 1964 auf der Insel Madagaskar, ist ein Geschichtsprofessor, der unter anderem ein Werk über den Zweiten Weltkrieg veröffentlichte. Er hat mehrere Romane veröffentlicht, in denen er Fiktion und historische Persönlichkeiten kombinierte, darunter die „Die sieben Verbrechen von Rom“ (2000), in dem Leonardo da Vinci auftritt, sowie „Das Geheimnis der verborgenen Kammer“ (die deutschen Titel stammen von mir).

„Das Buch der Zeit“ ist eine Jugendbuch-Trilogie, in der Prévost seine Hauptfigur in verschiedene Zeiten und Schauplätze schickt, wie es vor ihm Madeleine L’Engle [(„Die Zeitfalte“) 5081 getan hat.

1) [Die steinerne Pforte 3595
2) [Die sieben Münzen 5666
3) Der magische Reif

Vorgeschichte

Der 14-jährige Samuel Faulkner ist ein ganz normaler Schüler in einer ganz normalen Stadt in Kanada. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem er versucht, eine Spur auf den Verbleib seines seit 13 Tagen verschollenen Vaters Allan zu finden. Sams Mutter ist vor drei Jahren gestorben, und so lebt er nun bei seinen Großeltern, neben dem Zimmer seiner fast zwölfjährigen Cousine Lilli.

Sam stibitzt die Schlüssel zum Antiquariatsbuchladen seines Vaters, der sich in einem heruntergekommenen Stadtviertel befindet, und stößt auf Vaters Anrufbeantworter auf eine ominöse Warnung des Nachbarn Max. Nach einer Weile des Suchens findet Sam hinter einer sehr guten getarnten Wand ein kleines Kämmerchen, in dem sich ein kleines rotes Buch und eine niedrige Steinstele befinden. In diesen Steinsockel ist eine sechsstrahlige Sonne eingraviert.

Leider gibt es keinen Hinweis, keinen Brief oder dergleichen, der Sam helfen würde, diese Funde zu verstehen. Aber er kann kombinieren – und legt eine Münze mit einem Loch darin auf die Vertiefung in dem Stein, in die sie zu passen scheint. Eine sengende Hitze scheint seinen Arm zu verbrennen, dann erwacht er an einem anderen Ort …

Nach Reisen, die ihn nach Irland, Nordfrankreich, Ägypten und Brügge führen, macht sich Sam auf den Weg, um seinen Vater aus dem Kerker von Vlad Tepes zu befreien, des Woiwoden der Walachei, den die Welt als Dracula kennt. Auf Burg Bran findet Sam den goldenen Armreif, aber auch die Armbrust des Tyrannen auf seine Brust gerichtet …

Handlung

Sams Vater ist unter den Strapazen, die ihm sechs Monate Kerkerhaft und die Zeitreise aus dem Rumänien des 15. Jahrhunderts angetan haben, zusammengebrochen. Sam besucht ihn im Krankenhaus, bemitleidet von seinen Großeltern, aber misstrauisch befragt von seiner Jugendliebe Alicia Todds. Obwohl er sie gerne zurückgewinnen möchte, kann er ihr doch sein größtes Geheimnis nicht anvertrauen: seine Zeitreisen mit Hilfe der Sonnensteine.

Drei Tage sind vergangen, als Alicias Mutter weinend bei seinen Großeltern auftaucht und ihn fragt, ob er einen Hinweis habe, wo sich Alicia sich befinde: Sie sei verschwunden. Sam fährt der Schrecken in die Glieder und er hat eine Vorahnung. Auf seinem Handy ist keine SMS von dem Mädchen, doch auf seinem Computer befindet sich eine Mail von Ratewer@arkeos.biz. Darin teilt ihm der Tätowierte, den er im Museum beim Münzenraub störte, mit, dass er Alicia entführt habe. Schließlich liege Sam ja so viel an ihr, oder? Er bietet Sam eine Partnerschaft und die Freilassung Alicias an – im Austausch für den magischen Armreif und ein paar andere Dinge, auf die er ein Auge geworfen habe.

Sam bleibt nichts anderes übrig, als zähneknirschend zuzustimmen und sich auf den Handel einzulassen. Während Lili im Ferienlager ist und seine Großeltern seinen Vater besuchen, macht er sich auf den Weg, um gegen den Entführer zu ermitteln. Sonnenstein, Armreif und sechs Münzen führen Sam jedoch nicht nach China, sondern nach Ägypten vor 20 Jahren.

In Theben, wo sein Vater an Ausgrabungen teilnahm, wird er fündig. Er nimmt den Expeditionsleiter Daniel Chamberlain in die Mangel, der ihm einige erstaunliche Informationen zu seinen Münzen preisgibt. So führt die goldene Münze ins Jahr 1527, als kaiserliche Truppen Karls V. die Ewige Stadt plünderten und brandschatzten. Genau dort ist Alicia gefangen, hat der Entführer angedeutet. Und eine graue Münze führt ins alte China des ersten Kaisers Qin bzw. in dessen monumentales Grabmal. Das blaue Buch aus dem alten Rom, das Sam dort besuchen soll, befindet sich in Chamberlains Besitz: Doch zu früh gefreut! Dieser Kopie fehlen die entscheidenden letzten Seiten.

Als Sam wieder zurück zum Sonnenstein am Grund des Grabmals von Hohepriester Setni klettert, hört er wütende Stimmen: Es sind sein Vater, 20 Jahre jünger, und dessen Gegenspieler, der Allan zum Komplizen machen wollte. Sam schlägt den Mann nieder, als dieser Allan erwürgen will, und rettet seinem Vater so das Leben. Allan macht sich jedoch wegen Verständigungsproblemen aus dem Staub. Während Sam den Sonnenstein für die nächste Etappe aktiviert – er hat jetzt alle sieben Münzen beisammen -, erblickt er das Gesicht des Mannes, den er niedergeschlagen hat. Er traut seinen Augen kaum – seine Familie ist in höchster Gefahr!

Mein Eindruck

Diesmal begibt sich Sam auf eine Reise durch mehrere Epochen, um besondere Fähigkeiten und Erkenntnisse zu erwerben. Die zunächst wichtigste Station ist das Grabmal des ersten chinesischen Kaisers. Der Zugang ist gespickt mit tödlichen Fallen, die bereits einem Bekannten Sams aus Brügge, dem Magier Klugge, zum Verhängnis geworden sind. Doch mit seiner Kombinationsgabe gelingt es Sam, auch dieses Hindernis zu überwinden. Schließlich gelangt zu jenem unterirdischen Gebäude, in dem der Kaiser bestattet ist. Doch was tot sein sollte, lebt!

Der ehrwürdige und autoritäre Kaiser Qin Shi-Huangdi der auf diesen besonderen Gast lange gewartet hat, hat eine ganz besondere Geschichte zu erzählen, aber wichtiger noch ist, dass Sam die besondere Fähigkeit erwirbt, die es Qin erlaubt hat, die Wartezeit zu überleben. Die Fähigkeit besteht darin, den eigenen Herzschlag an den Puls der Sonnenstein anzupassen, bis die Resonanz zu einem Gleichklang geworden ist. Wenn Herz und Sonnenstein synchron langsam schlagen, kann sich Sam so schnell bewegen, dass ihn andere nur als eine Art hellen Schatten wahrnehmen können.

Eine zweite Aufgabe besteht darin, einen eigenen Sonnenstein zu meißeln. Auch dies gelingt nur durch die neu erworbene Synchronharmonie. Bevor Sam weiter ins Rom des Jahres 1527 reist, um Alicia zu holen, gibt ihm der ungewöhnlich gütige und gnädige Kaiser eine Warnung Setnis, des Hüters der Sonnensteine, auf den Weg: „Zwei Sonnen können nicht zur gleichen Zeit scheinen!“

Mit seiner neuen Fähigkeit ist es Sam ein Leichtes, das verbotene Buch der Magie (die Abhandlung Klugges aus Brügge) aus einem Geheimversteck der Vatikansbibliothek zu stibitzen. Damit soll er bei einem Söldnerführer, der in Diensten von Alicias Entführer steht, seine Freundin auslösen. Leichter gesagt als getan – der Söldnerführer ist schlau und fragt sich, warum er die Macht über die Zeit wieder abgeben soll, wo er sie doch gerade in Gestalt des Buches und des kundigen Zeitreisenden Sam in Händen hält!

Wird es Sam gelingen, Alicia zu befreien und seine Mutter vor dem sicheren Tod am 11. Juni zu bewahren? Elisa Faulkners Tod war beileibe kein Unfall, wie Sam zu seinem Entsetzen herausfindet, sondern ein Unfall mit nachfolgendem Mord. Doch wer ist dieser skrupellose Mörder, der die heiligen Sonnensteine zu seiner persönlichen Bereicherung benutzt und anschließend zerstört?

Um diesen Schurken zu bezwingen, muss Sam auch eine Reihe von menschlichen Eigenschaften hinzugewinnen und bis zur Selbstaufgabe gehen. Er ist bereit, sich selbst zu opfern, um das Leben seiner Lieben zu gewinnen. Ohne diese Opferbereitschaft wäre Sams Entwicklung zu einem Supermann auch völlig unglaubwürdig und moralisch verwerflich – er wäre dann keinen Deut besser als sein skrupelloser, völlig egoistischer Gegenspieler. Ja, am Schluss kann er sogar spielerisch mit seiner neuen Rolle als Hüter der Sonnensteine umgehen. Wir wollen es ihm gnädig durchgehen lassen. Und was es mit dem Ring der Ewigkeit auf sich hat, soll hier nicht verraten werden.

Die Aufmachung

Das Buch ist ganz in edlem Gelb und Gold gehalten, das Cover sieht aus, als sei das „Buch der Zeit“ bereits zur Hälfte zerstört worden. Denn die obere Schließe ist bereits abgegangen und nur noch der Abdruck ist zu sehen. Der Prägedruck vermittelt zusätzlich den Eindruck, man halte ein uraltes Buch in Händen. Hinzukommt noch, dass der Buchrücken aussieht, als sei er bereits abgenutzt und abgestoßen – genau so, wie ein antiquarisches Buch eben aussehen würde.

Ein goldfarbenes schlüsselförmiges Ornament im unteren Drittel von Vorder- und Rückseite (das obere fehlt, wie gesagt) legt den Schluss nahe, dass es sich hier um einen Verschluss handeln könnte, der das Buch, wenn es wirklich ein altes wäre, zusammengehalten hätte. Auf der Vorderseite ist der titelgebende Armreif abgebildet, ebenfalls tief eingeprägt. So viel Design- und Druckaufwand ist sehr sympathisch und hebt das Buch aus der Masse der Jugendbücher heraus.

Diesmal enthält das Buch auch eine Information über den Autor, die mir im Startband noch gefehlt hat.

Unterm Strich

Für junge Leser um 14 Jahre ist dieses Buch ein rundum gelungenes Leseerlebnis. Der Held ist sympathisch und sehr menschlich: Er weiß auch nicht mehr als du und ich, geht mit Computern Foto-Handys und E-Mails um wie alle Jugendlichen, hat aber ein gewisses menschliches Verständnis zu entwickeln. Diesmal geht seine Liebe zu Alicia und zu seiner Mutter so weit, dass er bereit ist, für sie sein Leben hinzugeben, denn er weiß, dass nur so auch sein Vater vor dem Tod bewahrt werden kann. Denn was wäre das Leben wert, wenn er alle verlöre, nur weil er nicht bereit war, alles, was er draufhat und erwarb, für sie zu geben? Er könnte sich ja nicht mehr in die Augen sehen.

Doch mit Mut und Geistesgegenwart sowie der Hilfe Alicias gelingt es ihm, den Kampf gegen seinen Gegenspieler zu seinen Gunsten zu wenden. Doch das heißt noch längst nicht, dass der Sieg nahe ist. Denn auch sein Gegner hat große Pläne, um Ruhm, Reichtum und Ansehen zu gewinnen, wie ein Trip in die Zukunft zeigt. Feststeht, dass es bis zum Schluss spannend bleibt.

Erst wenn alle Lieben Sams beisammen sind, können wir uns entspannt zurücklehnen. Doch bis dahin ist es ein weiterer und verschlungenerer Weg als sonst – das Buch hat rund hundert Seiten mehr als die Vorgängerbände. Die zusätzlichen Seiten sind auch nötig, um all die Wunder und Kämpfe zu schildern, die Sam erlebt. In einem regelmäßigen Rhythmus von Aktion, Überlegung, Wandlung (oder Erkenntnis) und wieder Aktion bewegt sich die Handlung ihrem Ziel zu. Wie dieses aussieht, soll nicht verraten werden. Auf jeden Fall setzt Band drei die Kenntnis der Vorgängerbände voraus.

Wem dieses Abenteuer gefällt, der sei auf die ähnlichen Zeitreiseabenteuer „Die Zeitfalte“ von Madeleine L’Engle und die Serie um Justin Time von Peter Schwindt hingewiesen (1. Zeitsprung; 2. Der Fall Montauk; 3. Das Portal; 4. Verrat in Florenz). Die Rezensionen hierzu findet ihr auf unseren Magazinseiten.

Hardcover: 426 Seiten
Originaltitel: Le livre du temps; Le cercle d’or, 2008
Aus dem Französischen von Anke Knefel
ISBN-13: 9783401060729

http://www.arena-verlag.de

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