Peace, David – 1980

Nach [„1974“ 1483 und „1977“ liegt mit „1980“ mittlerweile der dritte Teil des „Red Riding Quartett“ von David Peace vor. Mit dieser Reihe hat der in Tokio lebende Engländer für einigen Wirbel auf dem Krimimarkt gesorgt. Ian Rankin bezeichnete Peace einmal als |“die Zukunft des Kriminalromans“| und die Vielzahl der Preise, die der Autor für sein Werk bisher bekommen hat, scheint dessen Wichtigkeit zu bestätigen. Für „1974“ bekam Peace den |Deutschen Krimi-Preis 2006|.

„1980“ setzt kontinuierlich fort, was die beiden Vorgängerromane angefangen haben: Die Geschichte des Yorkshire Rippers, der in den Siebzigern und Anfang der Achtziger mindestens dreizehn Frauen ermordet und neun verletzt hat. Mittlerweile schreiben wir also das Jahr 1980. Die Polizei tappt noch immer im Dunkeln, die Öffentlichkeit lebt noch immer in Angst und Schrecken. Der Unmut in der Bevölkerung wächst und die Polizei muss dringend ihre Bemühungen intensivieren. Aus diesem Grund soll Peter Hunter auf Anordnung von ganz oben in die Ermittlungen einsteigen.

Hunter soll nicht nur die Suche nach dem Ripper zu einem Erfolg führen, er soll auch zum Hausputz bei der Yorkshire Police blasen und korrupte Kollegen ans Messer liefern. Das macht den Polizisten aus Manchester bei den Kollegen in Leeds logischerweise nicht gerade beliebter. Je tiefer Hunter gräbt, desto eisiger wird auch die Stimmung auf dem Revier für ihn. Und der Yorkshire Ripper bleibt inzwischen auch nicht untätig …

Dass David Peace keine Kriminalromane von der Stange schreibt, hat er mit seinen beiden Vorgängerwerken „1974“ und [„1977“ 2287 hinlänglich bewiesen. Er hat seinen ganz eigenen Stil, der sehr intensiv, aber auch gleichermaßen gewöhnungsbedürftig ist. Im Stakkatotakt haut er dem Leser die Sätze um die Ohren. Er pflegt einen außerordentlich knappen Satzbau, kommt teilweise gar mit nur einem Wort aus. Immer wieder streut er Zeilen aus Songs im Radio ein oder auch Schlagzeilen, und immer wieder werden wichtige, markante Sätze wiederholt. So beschwört Peace eine Atmosphäre herauf, die auch den Geist der Zeit aufleben lässt.

Auch wenn im Angesicht von Peaces Stakkatorhythmus seine sprachlichen Mittel und die teils etwas ermüdenden Wiederholungen sehr schlicht und nüchtern wirken, so ist die Atmosphäre dennoch dicht und komplex. Peace verlangt dem Leser in vielerlei Hinsicht einiges ab. Schnelle Schnitte, viele Namen – da kann man bei der Lektüre schon mal ins Straucheln kommen. Das Figurengefüge ist dicht und verschachtelt und gerade auch durch Peaces harten, schnellen Schreibstil muss man hochkonzentriert lesen, um folgen zu können.

Das Positive dieses Stils ist die hohe Emotionalität, die stets zu spüren ist. Peace lässt in Interviews immer wieder anklingen, dass er sich mit dem Red Riding Quartett ein persönliches Trauma von der Seele schreibt. Der Yorkshire Ripper trieb zu der Zeit sein Unwesen, als Peace in Yorkshire seine Kindheitstage verbrachte. Peace schreibt mit einer ständigen Wut im Bauch, als würde er permanent unter Strom stehen. Auch das macht „1980“ zu einem intensiven Leseerlebnis.

Wie schon „1977“, ist auch „1980“ nichts für Quereinsteiger. Die Romane bauen aufeinander auf, wechseln dabei aber die Perspektive und lassen auch die Geschehnisse des Vorgängerbandes in neuem Licht erscheinen. Manches, was nach dem Ende des zweiten Bandes noch in der Schwebe hing, wird aufgeklärt, so dass sich der Gesamteindruck der Reihe zunehmend vervollständigt. Und auch am Ende dieses Bandes hängt man wieder in der Luft, wird mitten aus der Handlung herausgerissen, so dass manches ungeklärt bleibt, das vielleicht im vierten Band zu Ende geführt wird.

Was sich seit dem ersten Band ebenfalls kontinuierlich fortsetzt, ist die düstere Atmosphäre. Hart, brutal und ungeschönt wird die Geschichte erzählt und auch bei den Gewaltdarstellungen hat Peace keine Gnade mit dem Leser. Er will nicht, dass die Gewaltszenen dem Leser Vergnügen bereiten, und daran lässt er zu keiner Sekunde Zweifel aufkommen. „1980“ ist genauso harter Tobak wie schon die Vorgängerbände.

Obendrein erweckt die Atmosphäre zunehmend den Eindruck von Perspektivlosigkeit. |“Mord und Lügen. Lügen und Mord.“| Dieser Satz geht Protagonist Peter Hunter während seiner Ermittlungen immer wieder durch den Kopf und er steht symptomatisch für das gesamte bisherige „Red Riding Quartett“. Ein Netz aus Intrigen, Halbwahrheiten und versteckten Interessen offenbart sich dem Leser. Eine klare Einteilung in Gut und Böse gibt es da nicht. Peace zeichnet nicht schwarz/weiß, sondern in Grauschattierungen. Jeder hat einen dunklen Fleck auf der Seele und wie im wahren Leben gibt es die uneingeschränkt Guten nicht. Peter Hunters Spitzname bei den Kollegen ist nicht umsonst „Das Heilige Arschloch“.

Angesichts dieser düsteren Atmosphäre, aus der es kein Entrinnen gibt, ist man am Ende auch ein bisschen froh, wenn das Buch zu Ende ist. Es ist eine intensive Leseerfahrung, die aber so roh und brutal geschildert wird und ein solches Gefühl der Ausweglosigkeit vermittelt, dass man schon ein wenig aufatmet, wenn dieser knallharte Stakkatotakt zu Ende ist. Nichtsdestotrotz bin ich gespannt, wie Peace im nächsten Band seine Geschichte zum Abschluss führen wird, auch wenn jegliche Hoffnung auf einen halbwegs glücklichen Ausgang wohl vergebens sein wird.

Bleibt unterm Strich ein Eindruck gemäß der Erwartungen zurück. Man weiß inzwischen, was man von David Peace erwarten darf und er führt mit „1980“ kontinuierlich fort, was er mit „1974“ und „1977“ angefangen hat. War gerade „1977“ auch eine etwas undurchdringliche und teils verwirrende Geschichte, so ist „1980“ wieder etwas gradliniger und klarer erzählt. Man darf gespannt sein, wie der Schlussakt dieser ungewöhnlichen Krimireihe mit dem nächsten Band ausfallen wird.

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