Schüller, Maria Franziska / verschiedene Autoren – Stunde Null in Deutschland, Die

_Außen- und Innenansicht von Katastrophe und Neuanfang_

Deutschland in Trümmern, hunderttausende sind vom Hungertod bedroht, Millionen irren auf der Suche nach Heimat umher. Befreier und Befreite stehen sich gegenüber in einem Land, das sich nicht befreit, sondern besiegt fühlt, das großteils die Gräuel des Naziregimes verleugnet und Verantwortung und Demokratie erst noch lernen muss.

Das Hörbuch umfasst Augenzeugenberichte, Reportagen, Verlautbarungen und literarische Erinnerungen aus und über die Jahre 1944 bis 1948. Ein Hörbild aus der Zeit, als Deutschland auch psychisch in Trümmern lag, eine akustische Reise in eine Zeit, in der sich Wut, Erschrecken, Verdrängung und Scham mit Überlebenswillen, Hoffnung und bisweilen Galgenhumor mischte. (Verlagsinfo) Die vielfältige Musik ergänzt die Wortbeiträge.

_Die Autoren_

Heinrich Böll ist einer der wenigen deutschen Nobelpreisträger für Literatur gewesen und stets ein Mahner für Ehrlichkeit, Misstrauen gegen Mächtige und für den aufrechten Gang. Er protestierte ca. 1982 gegen den Nachrüstungsbeschluss der NATO und gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in Mutlangen. Seine Romane „Ansichten eines Clowns“ (mit Helmut Griem) und „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (mit Angela Winkler) wurden erfolgreich verfilmt. Sein wichtiges Oeuvre ist noch wesentlich umfangreicher und gerät zunehmend in Vergessenheit.

Hans Werner Richter gründete zusammen mit Böll und Grass den literarischen Zirkel „Gruppe 47“, die für die deutsche Nachkriegsliteratur von größter Bedeutung war. In ihrem Umfeld tauchen auch die im Hörbuch repräsentierten Autoren Ilse Aichinger, Georg Stefan Troller und evtl. Dieter Forte auf. Günter Lamprecht (Sprecher, s. u.) schrieb seine Memoiren relativ spät, wohingegen Wolfgang Borchert zu den wichtigsten Nachkriegsautoren zählt. Sein Stück „Draußen vor der Tür“, das das Schicksal eines Kriegsheimkehrers erzählt, wurde sofort verfilmt.

_Die Sprecher_

Claudia Amm: arbeitete u. a. am Schauspielhaus Bochum und am Deutschen Schauspielhaus Hamburg mit Regisseuren wie Dieter Dorn und Claus Peymann. Seit Jahren ist sie auch im TV zu sehen, so etwa im „Tatort“ und in Michael Verhoevens „Gegen die Regel“.

Sascha Icks: geboren 1967. Sie ist eine der wandlungsfähigsten Sprecherinnen für Film, Funk und Hörspiel. Zurzeit spielt Icks am Schauspiel Frankfurt/M.

Rudolf Kowalski: geboren 1948 im Ruhrgebiet. Er wurde durch Filme wie „Der Campus“ von Sönke Wortmann und „Echte Kerle“ von Rolf Silber bekannt. Bekannt wurde er vor allem als Lebensgefährte von Kommissarin „Bella Block“.

Günter Lamprecht: Geboren 1930, wurde er am Max-Reinhardt-Seminar ausgebildet und spielte am Theater in Bochum, Hamburg und Berlin. Im TV war Lamprecht u. a. als Franz Biberkopf in Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ zu sehen und als SFB-„Tatort“-Kommissar Franz Markowitz.

Josef Tratnik: Geboren 1947, studierte er Theaterwissenschaften, Philosophie und Germanistik in Köln. Nach dem Staatsexamen war er als Deutschlehrer tätig. 1977 kehrte er zum Theater zurück und ist seitdem von der Bühne, aus Film und Fernsehen und als Sprecher bei TV-Dokumentationen, Hörspielen und Hörbüchern nicht mehr wegzudenken.

Regie führte Maria Franziska Schüller, und als Tonmeister fungierte Jürgen Garbitowski. (Alle Angaben sind dem Booklet entnommen.)

|Das Booklet|

… stellt die Sprecher einzeln vor (s.o.), listet die wichtigsten (aber nicht alle) Beiträge der zwei CDs auf und schließt mit zwei Seiten „Rechtenachweise“ für die Wort- und Musikbeiträge ab. Außerdem ist eine Reihe von Interviewpartnern aufgeführt, unter denen besonders eine „Frau Wucherpfennig“ hervorsticht.

_Inhalte_

Das Hörbuch behauptet – wie so viele Dokumentationen anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes in Deutschland – dass es eine „Stunde Null in Deutschland“ gegeben habe. War das wirklich der Fall? Was hat man sich aus heutiger Sicht unter einer „Stunde Null“ vorzustellen? Gab es so etwas wie ein menschenleeres Deutschland jemals – oder eine andere Art von Vakuum, etwa des Rechts?

Die Beiträge auf dem Hörbuch sollen diesen Anspruch belegen. Wohlan denn: Stellen wir sie in den thematischen Blöcken vor, in die sie gegliedert wurden.

|“Schuld?“|

Am 8. Mai ’45 verkündeten deutsche und alliierte Sender, dass die deutschen Streitkräfte bedingungslos kapituliert hätten. Seltsamerweise bedeutete dies nicht das Ende von Kampfhandlungen. Offenbar gab es weiterhin Partisanenorganisationen („Werwölfe“), die Sabotageakte verübten und auf die eigene Bevölkerung schossen, ganz besonders dann, wenn diese sich den Alliierten mit aufgezogener weißer Fahne ergaben.

Das muss der Ich-Erzähler in Heinrich Bölls Romanauszug „Wo warst du, Adam?“ am eigenen Leib erfahren. Sein Elternhaus ist das einzige im Dorf mit einer weißen Fahne. Gerade als er aus dem Krieg heimkehrt, geht der Beschuss mit einem Granatwerfer los – es müssen deutsche Partisanen sein. Er wirft sich in Deckung und muss hilflos mit ansehen, wie die sechste Granate ins Dach seines Elternhauses einschlägt und es verwüstet. Die siebte Granate findet ihn. Die weiße Fahne bedeckt seine Leiche.

Georg M. Oswald berichtet in der kurzen Erzählung „Das Loch“, wie der frühere Blockwart „Onkel Otto“ gegen den Protest von Tante Sofie ein Loch im Garten gräbt. Wozu bloß? Nun, es ist der 8. Mai, Hitler ist den „Heldentod“ gestorben, und Otto und Sofie werfen alle Nazi- und Partei- und Blockwartabzeichen ins Loch, decken es schön wieder zu. Nur das Parteigeschenk zur Hochzeit, das will Tante Sofie unbedingt behalten …

Auch der „kleine PG“ (= Parteigenosse) im gleichnamigen Song von Heinz Gase schafft den Übergang offenbar mühelos: „Er war nur von außen braun“, ein scheinheiliger Mitläufer, aber Blockwart gewesen. Auf einmal will niemand ein Nazi gewesen sein, jeder hatte mindestens einen Juden versteckt und selbstverständlich ausländische Sender gehört. Die Redakteurin Martha Gellhorn wundert sich zunehmend über ihre Landsleute.

|“Alltag: Überleben I“|

Die Versorgungslage war für die allgemeine Bevölkerung katastrophal, Hungern an der Tagesordnung, man war von den ausgegebenen Rationen abhängig. Nicht so hingegen die reichen Vorstadtbürger, über die Robert Thompson Bell berichtet: Ihre Villen waren im April ’45 nicht einmal angekratzt, und die Vorratskeller voll – ein krasser Kontrast zu den Szenen in der „Totenstadt“ Frankfurt am Main. Margret Boveri berichtet in „Ich stehle Holz“, auf welche Weise sich das Verhalten ändern kann, wenn man auf illegale Beschaffung angewiesen ist: Man verliert sämtliche Skrupel und allenfalls noch Schicksalsgenossen können auf Rücksichtnahme hoffen. Aber auch das könnte sich ändern.

Das Stehlen erstreckt sich auf das so genannte „Ährenlesen“ bei der Ernte, und entsprechende Appelle der Behörden werden zitiert. Der Schleich- und Tauschhandel greift rasend schnell um sich, besonders als auch noch die Flüchtlingsströme aus dem Osten eintreffen. Doch wie dem Chaos Herr werden, fragt sich Pell. Seltsamerweise haben die überlebenden Deutschen den Dreh mit der Organisation des Chaos heraus. Auf dem Gelände der IG-Farben-Fabrik übernehmen die ehemaligen Direktoren wieder das Kommando, und die Amis müssen zusehen, dass sie dort wieder – oder vielmehr: noch – etwas zu sagen haben!

|“Befreite“|

Apropos Flüchtlinge. Selbst wenn es sich um Leute handelt, die von den Alliierten aus einem KZ oder Gefängnis befreit worden sind, muss das noch nicht bedeuten, dass die Befreiten auch überleben. So berichtet Martha Gellhorn aus Dachau im Mai 45, dass sich die Überlebenden vor Freude in den noch geladenen Elektrozaun geworfen hätten, um die Amis zu begrüßen, oder sie haben sich an den ersten Rationen so den Bauch vollgeschlagen, dass ihr geschwächter Körper das nicht aushalten konnte. Viele von ihnen waren Opfer medizinischer Experimente, von denen Gellhorn ein polnischer Arzt berichtet. Jedes Experiment forderte Hunderte von Todesopfern.

Andrzej Szypiorski berichtet in „Meine drei Kriegsenden“, wie es ihm nach der Befreiung aus dem KZ Sachsenhausen erging. Nur wegen einer Verletzung musste er nicht auf den Todesmarsch mit, sondern konnte die Russen begrüßen. Er wanderte nach Berlin-Köpenick, wo man ihm schnellstens aus dem Weg ging, war er doch jemand, dem man Unrecht getan hatte – wer weiß, wie er sich rächen würde?

|“Auf der Suche“|

Millionen von Menschen irren in ganz Europa umher, auf der Suche nach ihren Verwandten oder Lieben. Nach einer Vermisstenmeldung beschreiben Hans Werner Richter und Stig Dagermann, welche überragende Bedeutung auf einmal Zügen zukommt. Sie seien die sichtbaren Zeichen für die Mentalität eines Volkes, meint Richter. Erinnerungen an die Züge voller Juden auf dem Weg in die Vernichtungslager kommen auf. Und Dagermann erzählt, dass die bayerischen Behörden sogar andere Deutsche von bayerischem Staatsgebiet ausgewiesen hätten. Diese Züge landeten dann wieder auf gut Glück irgendwo im nichtbayerischen Raum. Davon erzählt der schwarzhumorige Song „Zug nach Kirchenroda“, der mit der flotten Melodie von „Chattanooga Choo Choo“ die erste CD beschließt.

|“Begegnung“|

Schwarzhäutige Menschen sehen die meisten Deutschen zum ersten Mal in ihrem Leben. Das trifft auch für die Hauptfigur in Dieter Fortes Erzählung „Der Junge mit den blutigen Schuhen“ zu. In der CD-Sektion „Hunger nach Kultur“ erfahren wir, was der Junge bei den fremden Besatzern noch alles findet: nicht nur Schokolade in Form von Hershey Bars (die lernte sogar ich noch in den Sechzigern kennen), sondern auch Zigaretten und vor allem Kinofilme und Jazz-Musik. Günter Lamprecht erzählt wehmütig von Glenn Miller und Konsorten. Neben jenem seltsamen neuen Ding namens „Frieden“ brachten die Fremden aber auch „Demokratie“.

|“Alltag: Überleben II“|

Der „Frieden“ sah zunächst so aus, dass jeder offenbar alles zu klauen versuchte, was nicht niet- und nagelfest war und sich somit zu Geld machen ließ. Dabei lief Günter Lamprecht einmal sogar einer Sowjetpatrouille in die Arme, die sich über seine amerikanischen Präservative wunderten. Er kam aber noch einmal mit einem blauen Auge davon.

Eines der düstersten Kapitel ist jedoch die weithin verbreitete Ausnutzung der schutzlosen Lage deutscher Frauen. Ihre Männer waren entweder gefallen oder in Gefangenschaft und die Kinder waren noch nicht groß genug, um sie zu verteidigen. So kam es, dass zahlreiche alliierte Soldaten die günstige Lage ausnutzten, und zwar nicht nur die Russen, sondern auch Briten, wie eine Quelle bezeugt.

Andererseits hatten die Frauen, die auf diese Weise ausgenutzt wurden, ein wenig Glück, weil sie im Ausgleich für ihre „Dienste“ Lebensmittel und zahlreiche Importartikel wie Strumpfhosen aus Nylon von den Soldaten („Fräuleins im Gelände“ von Ottmar Katz) erhielten. Ja, diese Frauen wurden sogar von ihren Familien oder Nachbarn dazu angehalten, so zum Überleben der Gemeinschaft beizutragen. Am eindrucksvollsten sind die Erzählung einer anonymen Berliner Frau, die sich in dieser Lage befindet, und Wolfgang „Draußen vor der Tür“ Borcherts Geschichte „Die drei dunklen Könige“.

|“Neuanfang?“|

Und wie steht es um die junge Demokratie? Nicht allzu gut, sollte man meinen, wenn man den Einlassungen der diversen Zeugen zuhört. Laut Hans Werner Richter verachtet man die Demokratie und fühlt sich als gedemütigter Deutscher auch noch im Recht. Demokratie steht für Bürokratie, Hunger und alles Schlechte; man kennt das ja von der Weimarer Republik. Der Begriff „Entnazifizierung“, der wichtige Prozess der Verfolgung von Kriegsverbrechern und Nazimitläufern, klingt wie „Entlausung“, also das, was einem in einem Lager widerfährt. Siehe auch den Abschnitt „Schuld?“

Diese Entnazifizierungsverfahren sind eine einzige Farce, denn die Zeugen, die für den Angeklagten eintraten, sind alle für ein paar hundert Mark pro Nase gekauft, die „kleinen Männer“ kommen alle frei. Und wie Stig Dagermanns Erzählungen bezeugen, werden allzu häufig private Fehden vor einer solchen „Spruchkammer“ ausgetragen: Denunziantentum ergänzt die Korruption. Immerhin droht einer der im Hörbuch zitierten Bürgermeister damit, Hakenkreuz-Schmierereien mit der Todesstrafe zu ahnden. Das tut er sicher nicht ohne Grund. Die Demokratie hat es schwer.

Gemäß Georg Stefan Troller schwanken die Deutschen zwischen mehrere widerstreitenden Gefühlen: Man darf keinen Stolz aufs Deutschsein zeigen, will sich aber auch nicht so richtig schämen für die Gräueltaten, die im Namen dieses Volkes begangen worden sind. Selbstmitleid greift um sich, das eine ganze Menge Arschkriechertum rechtfertigt.

Während die Amis noch vor „fanatischen Deutschen“ warnen, ruft Ilse Aichinger anno ’46 zum Misstrauen auf. Aber gegen wen oder was? Fazit: „gegen uns selbst“! Denn in den Menschen warte die Bestie, die Schlange darauf, die Oberhand zu gewinnen. Um überhaupt noch vertrauenswürdig erscheinen zu können, so Aichinger, müssten wir wachsam gegen unsere eigenen Schwächen sein.

_Mein Eindruck_

Manche Beiträge machen betroffen, andere wieder wütend – es ist das reinste Wechselbad. Aber so ist das eben mit dem Wechsel zwischen Außen- und Innenansicht. Das eine relativiert das andere, setzt es in einen anderen Zusammenhang, wirft ein anderes Licht darauf. Merkwürdigerweise verliert dadurch aber sogar das leidvolle Schicksal mancher deutschen Frau, die sich – aus welchen Gründen auch immer – prostituiert hat oder (immer wieder) vergewaltigt wird, an Gewicht und Bedeutung, weil schon das nächste Schicksal wartet, beachtet zu werden, vielleicht ein hungerndes Kind, ein verlorener Kriegsheimkehrer. Ich kann daher nur empfehlen, immer wieder mal eine Pause einzulegen, um das Gehörte in seiner Besonderheit wirken zu lassen.

Bis auf ein einziges Beispiel – Ilse Aichingers Appell – bleiben wir von Texten mit erhobenem Zeigefinger verschont, die es natürlich ebenfalls massenhaft gegeben hat. Die erzählten Schicksale und Beobachtungen sprechen für sich – mehr als beredt. Politisch gefärbte Texte sind praktisch keine zu finden – ich wüsste keinen, den ich eindeutig einem politischen Spektrum zuordnen könnte (stand Böll automatisch links, nur weil er in Mutlangen protestierte?).

Man müsste von einer apolitischen Präsentation reden, wäre nicht von vornherein klar, dass das Ganze an sich eine politische Botschaft ist. Eine politisch korrekt zusammengestellte Botschaft, die sich an das Erinnerungsvermögen der Gegenwart wendet. Ob die alten Kampfgenossen aus der Waffen-SS wohl diesen Appell vernehmen? Ich bezweifle es. Möge er zumindest die junge Generation erreichen.

Eine Präsentation wie diese ist stets eine Auswahl und als solche bis zu einem gewissen Grad subjektiv gefärbt. Um einen möglichst objektiven bzw. vollständigen Eindruck zu erhalten, was damals als „die Wirklichkeit“ und als „die Wahrheit“ galt, müsste so ein Hörbuch ja mindestens zehn CDs umfassen – man denke nur mal an Kempowskis „Echolot“-Projekt. Das ist nicht gerade eine attraktive Größe für das Hörpublikum. Eine Auswahl auf nur zwei CDs unterzubringen, ist ein wagemutiges Kunststück.

Ist es geglückt? Ich denke, ja, wenn man die Einschränkungen berücksichtigt. Und als Zeitdokument kann es die junge Generation vielleicht mehr als die Erinnerungen der wegsterbenden Kriegs- und Nachkriegsgeneration über das damalige Geschehen informieren. Wir erfahren nichts über die Einrichtung der Besatzungszonen und über die Gründung der Bundesrepublik Deutschland sowie der Deutschen Demokratischen Republik. Das steht auf einem anderen Blatt: auf dem der Stunde Eins.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

Die oben genannten Sprecher sind allesamt kompetente Vortragende, doch einer der Text ragt aus der Menge heraus, der von Günter Lamprecht. Er singt den „Chattanooga Choo Choo“, als hätte er gestern den Song zum ersten Mal gehört, und die Freude ist ihm anzumerken. Ein anderer Text, der mir im Gedächtnis blieb, ist „Die drei dunklen Könige“ von Wolfgang Borchert. Er wird von Kowalski oder Tratnik vorgelesen. Borchert wendet die bedrückende Lage einer deutschen Familie auf das Fest der drei Könige an, doch in diesem Winter kommen die Könige aus der Fremde nicht um zu verehren, sondern um zu vergewaltigen. Der Schrei des Kleinkindes vereitelt dieses Vorhaben.

Es gibt noch mehrere O-Töne, die wirklich zu Herzen gehen, aber man muss wohl einiges Leid selbst erlebt haben, um nachfühlen zu können, was diese Menschen damals durchgemacht haben. Dass sie es immer wieder durchgestanden haben, nötigt höchsten Respekt ab.

_Unterm Strich_

Ist das jetzt der notwendige Nachhilfeunterricht in Sachen „Stunde Null“? Oder doch nur ein kleiner illustrativer Splitter im großen Gemälde jener Zeit? In Ermangelung von Vergleichsmöglichkeiten nehme ich keine Wertung vor. Ich kann nur sagen, dass die vielfältigen Beiträge, die ich oben näher beschrieben habe, einen guten Eindruck von den Verhältnissen in der einfachen Bevölkerung vermitteln. Politik wird links liegen gelassen, dieses Feld zu beackern, ist offensichtlich Sache von Historikern.

Doch das, was viele Deutsche damals erlebten, ist heute unvorstellbar. Wenn man heute von Krieg redet, so stellt man sich Stellvertreterkriege in Irak oder Afghanistan vor, nicht irgendwo mitten im dicht besiedelten Europa. Das Hörbuch macht zumindest erahnbar, welche verheerenden Folgen ein moderner Krieg hat, nicht nur direkt im Kampfgeschehen, sondern vor allem im Nachhinein.

Und das Hörbuch macht auf die seltsamen Praktiken während der „Denazifizierung“ aufmerksam, bei denen die Verhandlungen unter anderem wie Reality-Shows genossen wurden. Ein „Neuanfang“ mit Bekenntnis zu „Schuld“ und „Demokratie“? Man wundert sich, dass die Bundesrepblik überhaupt aus der Taufe gehoben werden konnte – und vor allem, wer ihre „Paten“ waren. Wahrscheinlich gab es „Angebote, die man nicht ablehnen konnte“.

Als Zeitdokument ist das Hörbuch sehr zu empfehlen, als Unterhaltung nur bedingt, denn es ist selten spannend und nie actionreich. Dafür überwiegen die bewegenden Szenen umso mehr.

|156 Minuten auf 2 CDs|