Apperry, Yann – zufällige Leben des Homer Idlewilde, Das

Kuriose, liebenswerte, naive Verlierertypen mit Heldenmut müssen sich stets mit einem messen: Forrest Gump. Auch Homer Idlewilde wird sich wohl bei manchem Leser damit vergleichen lassen müssen. Parallelen gibt es sicherlich, dennoch ist Homer Idlewilde kein zweiter Forrest Gump. Auch er ist ein reichlich naiver Typ, der sich zum Helden mausert, dennoch trennt ihn einiges von Forrest Gump. Er macht zwar auch einen eher kindlichen Eindruck, entzieht sich dem Erwachsenwerden aber nicht durch sein geistiges Niveau, sondern eher durch seinen Hang zu Streichen und kleineren Sabotageakten. Homer ist eine kauzige, aber ebenso liebenswürdige Vagabundenfigur, deren Schicksal vielleicht nicht so rührend ist wie das von Forrest Gump, dessen Geschichte aber dennoch zu unterhalten weiß und zu Herzen geht. Wer will auch schon einen zweiten Forrest Gump …

Homer Idlewilde, Findelkind und Waisenjunge, wächst in Farrago, im Norden Kaliforniens auf. Schon in jungen Jahren zieht er vagabundierend übers Land, um sich dem Zwang der Schulpflicht zu entziehen. Nachdem er seinem schulpflichtigen Alter entronnen ist, zieht es ihn zurück in seine Heimat Farrago. Es ist Anfang der Siebzigerjahre, ob es das Jahr 1971 oder vielleicht 1973 ist, weiß Homer genauso wenig, wie den Tag, an dem er geboren wurde. Homer vertreibt sich die Zeit mit Träumereien und Gelegenheitsjobs. Er vertändelt seine Zeit auf dem Schrottplatz bei seinem Freund Duke, bei dem Taugenichts Elijah, der schon seit 15 Jahren eine Schmiede eröffnen will, oder im Lebensmittelladen seines Freundes Fausto.

Eines Nachts, als Fausto ihm erzählt, wie es ihn nach Farrago verschlagen hat, und Homer staunend feststellt, dass Fausto das hat, was er selbst nicht hat, nämlich eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden, tut sich auch für Homer eine neue Perspektive auf. Eine Sternschnuppe fällt vom Himmel und Homer wünscht sich ein Schicksal, eine eigene Geschichte, die ihn aus der Bedeutungslosigkeit seines Daseins heraushebt. Und noch bevor Homer begreift, was überhaupt vor sich geht, nehmen die Dinge ihren Lauf. Homers Schicksal entwickelt sich …

Mit „Das zufällige Leben des Homer Idlewilde“ hat der Franzose Yann Apperry einen sympathischen Roman abgeliefert. Es ist sein zweiter Roman, nachdem er, erschreckt durch den Medienrummel um seinen Debütroman, aus Frankreich in die USA geflohen und dort zwei Jahre vagabundierend durch die Lande gezogen ist. Ein bisschen Homer scheint also auch in Yann Apperry zu schlummern.

Mit viel Herz erzählt er die Geschichte seiner Hauptfiguren, die allesamt ein wenig schräge Vögel sind. Homer und Duke, zwei Vagabunden, die zusammen auf dem Schrottplatz über das Leben philosophieren; Elijah, der von seiner Schmiede träumt, aber geistig nicht ganz auf der Höhe ist; Fausto, der ein trauriges Dasein im Lebensmittelladen von Farrago fristet, obwohl er eigentlich mehr aus seinem Leben machen könnte. Und dann wäre da noch Ophelia, die im Puff von Farrago arbeitet und Homers heimliche Geliebte ist und ihn vor die größte Herausforderung seines Lebens stellt.

Homer ist sympathisch und schlitzohrig zugleich. Vom Sheriff wird er ständig wegen irgendwelcher kleineren Delikte gesucht, gleichzeitig aber auch wegen seiner Ortskenntnisse in den Wäldern um Farrago geschätzt. Im Grunde ist Homer ein außerordentlich naiver Kerl, mit einer ausgeprägten kindlichen Ader, die ihn immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Ein Träumer, der sich durchs Leben treiben lässt – zumindest bis zu jenem denkwürdigen Sternschnuppenwunsch. Von diesem Moment an nimmt Homers Leben eine Wendung. Für ihn beginnt eine Odyssee, in deren Kern die Suche nach dem Sinn des Lebens steht. Homer erlebt gleichsam Komisches wie Tragisches, und das Schicksal nimmt schneller seinen Lauf, als Homer es begreifen kann, doch am Ende scheint er begriffen zu haben, worum es im Leben geht und wie er seinem eigenen Leben einen Sinn geben kann.

Rund um die Figur des Homer erzählt Yann Apperry allerhand kuriose, komische und tragische Geschichten über das Leben in Farrago. Er erzählt frei von der Leber weg einfach drauflos, in einem schlichten, aber auch durchaus zu Herzen gehenden Stil. Genau das ist es, was diesen Roman lesenswert macht. Es ist Lektüre, die Spaß macht, sich durch einen sehr feinsinnigen Humor auszeichnet und den Leser einzunehmen versteht.

Man mag dem Autor vorhalten, dass seine Figuren allesamt zu schräg sind, um wirklich realistisch zu erscheinen und wirklich rühren zu können, doch Apperry verpackt seine Geschichte sprachlich so schön, dass man gerne darüber hinwegsehen mag. „Das zufällige Leben des Homer Idlewilde“ hat seine rührenden Momente, die der Leser nicht vergessen wird, auch wenn der Plot mit Blick auf Homers heldenhafte Taten ein wenig zurechtgebogen erscheinen mag.

Ein wenig steht die Geschichte eben auch im Zeichen jener Magie, die mit dem ausgesprochenen Wunsch beim Anblick der fallenden Sternschnuppe verbunden ist. Da kann man eine etwas fantastisch anmutenden Entwicklung des Plots durchaus verzeihen, da sie sicherlich auch genau so beabsichtigt ist. Damit mag sich mancher Leser mehr anfreunden können und mancher eben weniger.

Ganz zufällig stolpert Homer in Situationen, die ihn als Held erscheinen lassen, ohne dass er viel dazu beitragen muss. Er mäandert ein wenig orientierungslos durch sein Schicksal, aber er lernt, das Beste daraus zu machen, und schafft es obendrein, sich der Verantwortung zu stellen, mit der er konfrontiert wird. So zufällig wie Homer in die verschiedensten Situationen stolpert, so stetig reift er heran und entwickelt sich. Es ist kein plötzliches Erwachsenwerden, sondern ein zunächst zaghaftes Sichausliefern gegenüber dem Leben mit allen Schikanen. Und dabei muss eben auch ein Homer Idlewilde erkennen, was es ist, das das Lebens lebenswert macht.

Bleibt abschließend festzuhalten, dass Yann Apperry sich wirklich aufs Geschichtenerzählen versteht. Recht unspektakulär mag sein zweiter Roman „Das zufällige Leben des Homer Idlewilde“ erscheinen, unaufregend und ein wenig zu fantastisch. Aber dahinter verbirgt sich ein wahres Kleinod, das manchmal rührend, manchmal tragisch und manchmal gar komisch ist.

Apperry hat einen feinsinnigen Humor, mit dem er seine Erzählung zu würzen versteht. Wer offen für eine leise, etwas fantastisch anmutende Geschichte mit liebevoll skizzierten, aber gleichermaßen schrägen Figuren ist, der wird an „Das zufällige Leben des Homer Idlewilde“ sicherlich seine Freude haben.

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