Bradby, Tom – Gott der Dunkelheit, Der

Wer bei seiner Lektüre gerne auf Spannung, Exotik und Historie setzt, der findet bei einem Autor ganz bestimmt den passenden Schmöker: Tom Bradby. Hat der Engländer bereits mit seinem 2004 in Deutschland erschienenen Werk „Der Herr des Regens“ bewiesen, dass er sich auf historischem Terrain an exotischer Stätte pudelwohl fühlt, so setzt er dies auch in seinem aktuellen Roman (mittlerweile sein insgesamt fünfter) „Der Gott der Dunkelheit“ fort.

[„Der Herr des Regens“ 2117 spielt 1926 in der pulsierenden Metropole Shanghai. „Der Gott der Dunkelheit“ ist in Kairo im Jahr 1942 angesiedelt. So wie Bradby sich für seinen Shanghai-Roman eine Zeit politischer Brisanz ausgesucht hat (Aufkommen des Kommunismus, blutige Niederschlagung der Studentenproteste), hat er das auch für sein aktuelles Werk wieder getan.

Rommel steht mit seinen Truppen vor den Toren Kairos. Alexandria wird bereits evakuiert, während man in Kairo noch beunruhigt auf jede Neuigkeit und jedes neue Gerücht von der Front wartet. Stets sucht Bradby sich Zeiten, in denen die Zeichen auf Veränderungen stehen, und so weiß auch in Kairo niemand, was der nächste Tag, die nächste Woche, der nächste Monat für Veränderungen bringen wird.

Es ist zu dieser unruhigen Zeit, als die Leiche eines ermordeten britischen Offiziers gefunden wird. Ein Offizier, der noch dazu an militärisch empfindlicher Stelle gesessen hat. Er hatte stets den Überblick über sämtliche Truppenbewegungen, Nachschubwege und die Gesamtlage der Armee. Über seinen Schreibtisch gingen jeden Tag Dutzende sensibler Daten. Und so verwundert es nicht, dass die Briten in dem Mord ein politisches Attentat vermuten – Stichwort Spionage.

Doch Joe Quinn, ein in Kairo gestrandeter ehemaliger New Yorker Polizist, ermittelt auch noch in eine andere Richtung. Da wäre beispielsweise Amy White, die hübsche Nachbarin des britischen Offiziers, die irgendetwas zu verbergen scheint. Hatten die beiden eine Affäre und Amys eifersüchtiger Ehemann hat den Nebenbuhler ausgeschaltet?

Doch dann geschehen zwei weitere Morde nach gleichem Muster. Allen drei Opfern wurde eine Abbildung von Seth, dem Gott der Dunkelheit, in die Brust geritzt. Quinn sucht weiter nach einer Spur des Täters und muss schon bald erkennen, dass es bei diesem Fall um mehr geht als um Liebe und mörderischen Hass. Was Quinn mit seinen Ermittlungen heraufbeschwört, ahnt er erst, als es für ihn selbst fast zu spät ist. Er gerät mitten in eine Verschwörung, und irgendjemand scheint es darauf anzulegen, Quinn von weiteren Ermittlungen abzuhalten – notfalls mit allen Mitteln …

Tom Bradby setzt mit „Der Gott der Dunkelheit“ das fort, was er in „Der Herr des Regens“ schon so wunderbar lesenswert angefangen hat. Er hat wieder einmal einen vielschichtigen und interessanten Thriller abgeliefert, der in fast noch höherem Maße als das Vorgängerwerk vor Spannung nur so strotzt. Temporeich und mit einer Prise Exotik spinnt er seinen Plot und lässt Zeit und Ort lebhaft vor dem Auge des Leser auferstehen.

Bradby schafft es auf besonders spannende Weise, die Historie aufzuarbeiten und in einen interessanten Plot zu packen. Besonders interessant ist dabei auch, dass er sich bevorzugt Orte heraussucht, die literarisch noch nicht ganz so abgegrast sind, und so wird der Pulsschlag der exotischen Metropolen in seinen Romanen zum Salz in der Suppe.

Es gibt dabei unverkennbare Parallelen zwischen „Der Gott der Dunkelheit“ und „Der Herr des Regens“. In beiden Romanen fällt Bradbys Figurenzeichnung recht vielschichtig aus. Es scheint, als habe es zur damaligen Zeit vor allem Polizisten in die Kolonien verschlagen, die irgendeinen dunklen Punkt ihrer Vergangenheit hinter sich zu lassen versuchen. Und so flieht auch Quinn vor seiner Vergangenheit in New York und sucht in Kairo einen neuen Anfang. Doch auch dort schlägt er sich mit neuen Problemen rum. Ein Jahr zuvor wurde sein Sohn überfahren und Quinn sucht verzweifelt den Schuldigen. Das belastet sowohl seine berufliche Arbeit als auch das Verhältnis zu seiner Frau Mae. Bradby verknüpft seine Thrillerhandlung auf irgendeine Weise auch stets mit persönlichen Schicksalen. Er verwebt das Personengeflecht eng mit der Handlung und erzeugt dadurch ein hohes Maß an Spannung.

In „Der Gott der Dunkelheit“ trifft der mit Bradby vertraute Leser dann auch ein paar alte Bekannte aus Shanghai wieder. Wer zuvor „Der Herr des Regens“ gelesen hat, der weiß die Loyalitäten dieser beiden Personen gleich richtig einzuschätzen, hat aber gegenüber dem unbedarften Leser dennoch kaum einen Vorteil. Bradby lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er mit MacLeod und Lewis zwei Personen aus Shanghai importiert hat, die schon früher eine recht zwielichtige Rolle eingenommen haben. Und auch im aktuellen Romanen tauchen sie wieder in mächtigen Positionen auf und hegen teils recht zweifelhafte Motive. Die weit verstreuten britischen Kolonien bieten halt immer irgendwo einen Schlupfwinkel für einen Neuanfang.

So wie bereits in „Der Herr des Regens“, lebt auch bei „Der Gott der Dunkelheit“ ein Teil der Spannung davon, dass man ahnt, dass der ermittelnde Held drauf und dran ist, in ein Wespennest zu stechen. Eine unterschwellige Bedrohung ist allgegenwärtig und man wartet als Leser förmlich darauf, dass der Gute sich schließlich im Räderwerk der Bösen verfängt.

Düster und beklemmend wirkt der Plot dadurch immer wieder. Mit Quinn setzt Bradby auf eine Hauptfigur, die sich nicht nur den kriminellen Elementen der Stadt stellen muss, sondern auch immer ihren eigenen Dämonen ins Auge blickt. Der Plot nimmt dadurch mitunter schon mal recht düstere und dramatische Züge an, die auch vor allem durch die kontrastierende Exotik Kairos unterstrichen werden.

Wie schon „Der Herr des Regens“, ist auch „Der Gott der Dunkelheit“ wahres Kopfkino. Bradby schreibt atmosphärisch dicht und zieht kontinuierlich die Spannungsschraube an. Wie schon den Vorgängerroman, mag man auch „Der Gott der Dunkelheit“ kaum zur Seite legen, wobei ich bei diesem Roman den Eindruck hatte, dass er noch spannender und dichter erzählt ist. Bradby schafft mit seinen historischen Thrillern Spannungslektüre allererster Güte.

Lediglich zum Ende hin schwächelt er ein bisschen. Besonders auf den letzten 50 bis 60 Seiten überschlagen sich die Ereignisse förmlich und die Auflösung, die Bradby am Ende parat hält, ist zwar größtenteils durchaus überzeugend, die Täterschaft an den Morden gerät darüber aber ein wenig ins Hintertreffen.

Dennoch bleibt der Roman als ausgesprochen hohes Lesevergnügen im Gedächtnis. Bradbys historische Thriller sind temporeich und vielschichtig erzählt, skizzieren eine interessante Epoche vor exotischer Kulisse und sind überaus spannend und mitreißend geschrieben. Wer historische Thrillerkost mag und mal zu etwas anderem als Ken Follett greifen will, dem sei Tom Bradby ausdrücklich ans Herz gelegt. Wer’s spannend mag, macht mit „Der Gott der Dunkelheit“ absolut nichts verkehrt.

http://www.heyne.de

Schreibe einen Kommentar