Cathala, Bruno / Maublanc, Ludovic – Kleopatra und die Baumeister

_Vorgeschichte_

Kleopatra hat einen Preis für den schönsten Palast ausgesetzt und lockt zahlreiche Baumeister nach Alexandria. Derjenige, der das schönste Modell entwirft, soll in Reichtum baden und die volle Gunst der ägyptischen Königin genießen. Dieser Anspruch entlockt den ansässigen Baumeistern den größten Ehrgeiz; in einer erbitterten Fehde wetteifern sie darum, als der Beste ihrer Art anerkannt zu werden. Dabei ist jedes Mittel recht: nächtliche Orgien, verbotene Rituale und sogar Kontakte zur Unterwelt werden den Baumeistern nachgesagt. Als schließlich auch noch Hieroglyphen und Amulette auftauchen, die dem Krokodil-Gott Sobek geweiht sind, scheint der Skandal perfekt.

Gelingt es den Baumeistern, die Schmach über ihren Ruf auszumerzen und einen unter ihnen auszumachen, der als Bester seines Faches den verdienten Ruhm erlangt? Oder wird die gesamte Gilde in den Mägen der gefürchteten Krokodile landen? Bei so viel Korruption und derart lukrativen Aussichten kann nämlich kaum jemand widerstehen …

_Kleopatra – die neue Zugkraft von |Days of Wonder|?_

Auf der letzten Spielmesse in Essen dominierten auf der großen Ausstellungsfläche zwei brandneue Titel aus dem Verlagsprogramm; zum einen das heiß ersehnte, jedoch nur in einer Rohfassung spielbare Tabletop „Battlelore“, und zum anderen das frischeste Familienstrategiespiel „Kleopatra und die Baumeister“. Während sich die beiden Spiele inhaltlich noch sehr weitläufig voneinander unterscheiden, hatten sie gerade letzten Oktober in Essen eines gemeinsam: Beide waren sie unheimliche Publikumsmagneten und auf den Spieltischen stets ausgebucht. Drei Tage lang habe ich beharrlich versucht, zumindest einmal einen aktiven Überblick über das Spielprinzip des Pyramidenspiels zu erhaschen, doch leider vergeblich. Es scheint also so, als ob |Days of Wonder| neben (im wahrsten Sinne des Wortes) zugkräftigen Titeln wie [„Zug um Zug“ 3128 mal wieder ein echtes Saisonhighlight aufgenommen haben, das – so durfte ich nun endlich auch selber feststellen – jeglichen Zuspruch auch völlig verdient hat.

_Worum es geht_

Kleopatra ruft ihre Baumeister zum Wettbewerb auf und fordert einen kompletten Neubau ihres Palastes. Insgesamt fünf Artefakte, bestehend aus unterschiedlichen Bauelementen, müssen angebracht werden, um die Königin zufrieden zu stellen. Allerdings ist Eile angesagt, denn die Konkurrenz schläft nicht und sammelt ebenfalls wichtige Talente, die schließlich auch für den Sieg ausschlaggebend sind. Sobald nämlich der Rahmen des Palastes mit sämtlichen Verzierungen, der Sphinx und zu guter Letzt dem Königinnenthron erbaut wurde, zählt nur noch der gesammelte Reichtum. Wer nämlich mit der Zeit die meisten Talente angesammelt hat, wird am Ende zum Sieger erklärt. Es sei denn, er ist das schwarze Schaf unter den korrupten Baumeistern. Derjenige nämlich, der im Laufe der Bauphase die meisten Korruptionsmarker entrichtet hat, wird von der Königin verstoßen und den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen.

_Spielmaterial_

Wie gehabt, wird auch bei „Kleopatra und die Baumeister“ sowohl quantitativ als auch ganz besonders qualitativ ordentlich geklotzt. Die Schachtel ist randvoll gefüllt mit Karten, Bauteilen und Markern. Dies setzt sich wie folgt zusammen:

• Spielplan ‚Der Garten des Palastes‘
• Spielplan ‚Der Platz der Sphinx‘
• 12 Mosaike der Götter
• 9 Säulenwände
• 6 Sphinxe
• 2 Türrahmen
• 2 Obelisken
• 1 Thron & 1 Sockel
• 10 Anubis-Statuen
• 1 Kleopatra-Figur
• 75 Ressourcenkarten
• 25 Korruptions-Ressourcenkarten
• 5 Korruptionspyramiden
• 11 Charakterkarten korrupter Personen
• 89 Korruptionsamulette
• 15 Händler vom Nil
• 108 Talente zu unterschiedlichen Werten
• 1 Altar des Hohepriesters
• 5 Würfel

In Sachen Materialqualität sind |Days of Wonder| derzeit wirklich marktführend. Wo an anderer Stelle empfindliche Plastikminiaturen und leicht biegsamer Pappkarton verwendet werden, setzt der französischstämmige Verlag auf robuste und dennoch sehr schön designierte Spielmittel, die neben den Vorzügen hinsichtlich der Spielbarkeit auch optisch einiges zu bieten haben. „Kleopatra und die Baumeister“ ist in dieser Entwicklung bis dato die Spitze des Eisbergs; tolle Bauelemente, wunderschöne Karten und generell sehr authentisch gestaltetes Material. Wer auf inhaltlichen, systematischen Bombast steht, wird hier zweifelsohne sehr gut bedient!

_Die Vorbereitung_

Entsprechend der Menge des Spielmaterials dauert es eine Weile, bis das Spielfeld komplett aufgebaut ist. Vor der ersten Runde ist man zudem damit beschäftigt, die vielen Pappteile aus den Stanzbögen zu lösen.

Bei „Kleopatra und die Baumeister“ wird die Schachtel ins Spiel integriert. Auch hier wird Wert auf Authentizität gelegt, was man spätestens dann bemerkt, wenn man den Boden der Verpackung umdreht, darauf den Garten platziert und das Gesamtbild mit all den Verzierungen auf dem Karton auf sich wirken lässt. Hat man dies erledigt, platziert man das zweite Spielfeld mit dem Platz der Sphinx vor das Spielfeld auf dem Tichboden und setzt davor den Altar des Hohepriesters.

Um das Spielfeld herum wird schließlich das gesamte Ergänzungsmaterial gelegt, sprich die Talente, Korruptionsamulette, die fünf Würfel und auch die Bauelemente. Die Mosaiken der Götter werden anschließend gemischt und ebenfalls an den Rand der Spielfläche gelegt. Sobald sie später zum Einsatz kommen, ist der aktive Spieler gezwungen, sich von diesem Nachziehstapel das oberste Mosaik zu nehmen, ganz gleich, ob andere vorteilhafter sind. Als Letztes wird nun die Kleopatra-Figur auf das Startfeld am Platz der Sphinx aufgestellt. Sobald ein kompletter Teil des Palastes gebaut wurde, zieht sie schließlich eines der insgesamt fünf Felder vorwärts.

Nun werden die einzelnen Spieler mit Material bestückt. Jeder erhält die beiden Anubis-Statuen sowie die Händler vom Nil in seiner Farbe, eine Korruptionspyramide und fünf Talente. Dann muss nur noch der Kartenstapel gemischt werden. Alle Karten werden in genau zwei gleichwertige Haufen unterteilt, einer offen und einer verdeckt abgelegt. Anschließend werden sie genau so miteinander vermischt, das heißt, offene und verdeckte Karten ergeben genau einen Stapel. Die drei obersten Karten werden nun neben diesen Gesamtstapel gelegt, egal ob verdeckt oder offen. Nach dieser umfassenden Vorbereitung kann es nun endlich vorwärts gehen.

_Ein Spielzug_

Das Spiel wird im Grunde genommen nur an zwei Orten ausgetragen, nämlich auf dem Markt und im Steinbruch. In jedem Spielzug muss sich der Spieler entscheiden, wo er nun aktiv wird, und ist sogar verpflichtet, eine Aktion auszuführen.
Fällt die Entscheidung auf den Markt, geht man wie folgt vor:

Zunächst wählt er einen der drei Marktstände und nimmt alle dort befindlichen Karten auf die Hand. Zu Beginn des Spiels befindet sich dort jeweils eine Karte, doch sobald man an einem Marktstand nachgezogen hat, wird jeder einzelne um eine Karte erweitert. Es ist also möglich, dass zu einem späteren Zeitpunkt recht viele Karten in einer solchen Aktion verfügbar sind, was jedoch nicht dringend von Vorteil sein muss. Wichtig ist nämlich, dass man nur maximal zehn Karten zur gleichen Zeit besitzen darf. Wird diese Zahl überschritten, muss man seine Kartenhand wieder auf das Höchstlimit reduzieren und ein Korruptionsamulett in seine Pyramide werfen, oder aber man behält alle gewünschten Karten und zahlt für jede überschüssige eines dieser Amulette.
Wurde nun ein Marktstand geleert und anschließend alle wieder aufgefüllt, ist der Zug bereits zu Ende.

Im Steinbruch kann der Spieler indes Bauelemente des Palastes erwerben und sie anschließend auch sofort anbringen. Hierzu benötigt er individuell verschiedene Ressourcenkarten bzw. Händler vom Nil, denen eine Jokerfunktion zukommt, und legt sie nach dem Kauf auf den Ablagestapel am Markt. Das erworbene Element wird nun an die vorhergesehene Stelle angebaut. Taktieren kann man dabei mit den einzelnen Säulenwänden. Sie bringen zwar anfangs nur wenige Talente ein, erbringen aber noch Zusatzpunkte, wenn sie an ein bereits angelegtes Mosaikstück angrenzen. Lukrativ wird es, wenn man gleich mehrere Elemente erwirbt und anbaut: dann werden nämlich noch weitere Bonustalente vergeben, nämlich zwei für ein zweites Bauteil und gleich fünf für ein drittes Element.

Sollte ein angelegtes Bauelement das letzte seiner Art sein, ist ein Hauptteil des Palastbaus abgeschlossen, und Kleopatra wird ein Feld weiter vorgesetzt. Eine besondere Regel gilt für den Bau der Mosaikstücke; der aktive Spieler ist verpflichtet, das obere Mosaikteil vom Stapel zu verwenden, wenn er ein solches bauen möchte. Wenn es ihm dabei gelingt, mit diesem Moaik ein Feld so einzugrenzen, dass dort kein weiteres Mosaik mehr eingesetzt werden kann, darf er eine Anubis-Statue auf die freie Fläche des Palastgartens setzen und dort ein Heiligtum errichten. Dies ist besonders für das Ende des Spiels wichtig, denn für jedes freie Feld eines Heiligtums darf man später wieder ein Korruptionsamulett aus seiner Pyramide entfernen.

Zum Abschluss des Steinbruchbesuchs wird schließlich noch mit allen fünf Würfeln gewürfelt. Jeder Würfel, der das Symbol des Hohepriesters anzeigt, wird sofort auf den Altar des Hohepriesters gelegt. Wenn dann im Laufe des Spiels irgendwann alle Würfel dort gelandet sind, muss ein Opfer dargebracht werden. Jeder Spieler nimmt nun verdeckt eine von ihm bestimmte Anzahl von Talenten in die geschlossene Faust. Gleichzeitig werden nun alle Angebote aufgedeckt und miteinander verglichen. Jeder Spieler verliert sofort die eingesetzten Talente, jedoch wird derjenige mit dem höchsten Einsatz auch wieder belohnt; er darf nämlich gleich drei Korruptionsamulette abgeben. Die Spieler auf den nachfolgenden Rängen müssen hingegen je nach Gebot eines oder mehrere Amulette in ihre Pyramide zahlen. Die Würfel werden daraufhin wieder ‚befreit‘ und ab der nächsten Runde erneut verwendet.

_Ende des Spiels_

Wenn alle Bauelemente an den Palast angebracht wurden und Kleopatra auf ihrem Weg zum Thron bis zum Ende vorangeschritten ist, endet das Spiel. Nun wird als Erster derjenige mit den meisten Korruptionsamuletten ausfindig gemacht. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Amuletten erhält man für jede Korruptions-Charakter- und –Ressourcenkarte, die sich noch im eigenen Besitz befindet, ein zusätzliches Amulett. Unabhängig von der Anzahl seiner Talente wird der korrupteste Spieler sofort disqualifiziert, weil Kleopatra mit solchen Schergen nichts zu tun haben möchte. Erst anschließend werden die Talente miteinander verglichen und dadurch auch der Sieger ermittelt.

_Meine Meinung_

Was soll ich sagen: Die beiden Spieldesigner Bruno Cathala und Ludovic Maublanc haben wirklich jeden Aspekt bedacht, der das Spiel zum einen taktisch und strategiebetont erscheinen lässt, andererseits aber auch vollkommen familientauglich macht. „Kleopatra und die Baumeister“ ist nämlich recht leicht zu verstehen und auf den ersten Blick gar nicht mal so komplex, in Anbetracht der vielen Zugalternativen und all der Dinge, die man bei der langfristigen Planung berücksichtigen muss, aber dennoch recht anspruchsvoll. Blind sammeln und bauen ist zum Beispiel nicht die siegbringende Strategie, weil man auch immer die Korruptionsamulette vor Augen haben muss, die einem beim sicher geglaubten Sieg noch das Genick brechen können.

Doch all das Taktieren beginnt schon beim ‚Einkauf‘ auf dem Markt. Soll man einfach den großen Haufen nehmen und dabei auch eventuelle Schäden in Kauf nehmen, oder doch lieber geduldig Schritt für Schritt die benötigten Ressourcen aufgreifen? Lohnt es sich, einen korrupten Charakter aufzunehmen? Oder riskiert man lieber doch nicht zu viel?

Im Steinbruch sieht es im Grunde genommen ähnlich aus: Man kann sicherlich sofort die tollsten Dinge bauen, aber es lohnt sich ebenso, abzuwarten und möglicherweise doppelt oder gar dreifach zuzuschlagen. Dies geht zwar meist mit dem Einsatz von Korruptionsamuletten einher, lohnt aber bei entsprechender Risikobereitschaft bei der Vergabe von Talenten ungemein.

Natürlich ist auch der Faktor Glück nicht zu unterschätzen, denn schließlich hängt viel davon ab, wie der Markt bestückt ist, wenn man selber am Zuge ist. Möglicherweise hat der Vordermann einem schon die am meisten erforderlichen Karten weggeschnappt, was sich partiell gleich verheerend auswirken kann. Spart man zum Beispiel auf das letzte Teil eines spezifischen Bauteils und muss dann realisieren, dass jemand anders schneller ist, kann das schon ziemlich ärgerlich sein. Aber es sind ja schließlich auch solche Momente, die Spiele wie dieses beleben.

Das Schöne ist indes, dass jede Partie komplett anders verlaufen kann, weil es unheimlich viele mögliche Strategien gibt und man genau abwägen muss, wie viel Risiko man spielen kann bzw. wann besser Vorsicht geboten ist. Man geht nämlich häufig erst mal vom Irrglauben aus, dass lediglich die Talente entscheiden, und rennt dann ins offene Messer wegen einer zu großen Zahl Korruptionsamulette. Übervorsichtig zu sein, bringt hingegen auch nichts, denn so wird man nie sonderlich viele Talente ergattern. Der Langzeitspaß ist jedenfalls gesichert, zumal eine Partie in rund einer Dreiviertelstunde gespielt sein kann und man „Kleopatra und die Baumeister“ somit sowohl als Vorspeise als auch als Hauptgang servieren kann. Für meinen Geschmack hat der Verlag mal wieder genau den Nerv des Publikums und im Speziellen natürlich meinen eigenen getroffen und ein in jeglicher Hinsicht großartiges Spiel in den Vertrieb genommen. Unter all den Neuheiten der Spiel ’06 gehört dieser Titel jedenfalls ganz sicher zu den Schmuckstücken und wird dementsprechend ohne jedwede Einschränkung empfohlen.

http://www.cleopatragame.com/

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