Cornwell, Bernard – Wanderer, Der (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 2)

Band 1: [„Der Bogenschütze“ 3606

Der Hunderjährige Krieg zwischen England und Frankreich forderte viele Opfer. Auf beiden Seiten wurde ein Zermürbungskrieg mit unvorstellbarer Brutalität geführt, und Opfer waren nicht nur die Soldaten und Ritter, sondern vielmehr die zivile Bevölkerung, die in wenigen Augenblicken alles verlor, oftmals das Leben selbst.

Der größte Truppenanteil des englischen Heeres kämpfte in Frankreich gleich an verschiedenen Fronten, in der Bretagne, der Normandie und natürlich wurde auch daran gedacht, Paris zu belagern. Diese vermeintliche Schwächung des englischen Königreiches brachte beim schottischen König David II. den Plan hervor, England zu überfallen, um mehrere große und einflussreiche Städte zu plündern und zu erobern. Dies geschah nicht zuletzt auf das Drängen der Franzosen.

Doch diese Schlacht hatte für die Schotten einen katastrophalen Ausgang; durch die hervorragenden Bogenschützen aus England wurde das schottische Heer vernichtet und selbst ihr König und Anführer David II. geriet in Gefangenschaft. Die einzige Möglichkeit, sich dieser unerfreulichen Lage wieder zu entziehen, war eine Lösegeldzahlung des schottischen Adels, und diese war gewaltig für die damalige Epoche. Außerdem mussten bei solchen Verhandlungen im Austausch Geiseln gestellt und eine „Ratenzahlung“ vereinbart werden. Das Absurd-tragische an dieser Begebenheit war aber: Als für den König das Lösegeld aufgebracht wurde, stand zu diesem Zeitpunkt Schottland im Krieg an der Seite Englands. Die Fronten wurden also
gewechselt.

Das ist nur eine Nebengeschichte des Fortsetzungsromans von „Der Bogenschütze“. Im zweiten Roman „Der Wanderer“ aus dieser Trilogie von Bernard Cornwell geht es wieder um die Suche nach dem Heiligen Gral und die Identität des Thomas von Hookton, der noch immer seine Vergangenheit und die seiner Familie erforscht.

_Die Geschichte_

1346: Inmitten des Hundertjährigen Krieges zwischen den Königreichen England und Frankreich kämpft Thomas von Hookton noch immer als Bogenschütze auf der Seite des englischen Königshauses. Die Jahre des Krieges haben ihn geformt und seelisch altern lassen. Der Krieg ist ein sehr guter Lehrmeister, wenn es darum geht, Mord, Vergewaltigung und Plünderung als legitim und rechtens anzuwenden. Die Erlebnisse sind nicht spurlos an dem jungen Mann vorübergegangen.

Inzwischen hat auch der englische König davon gehört, dass der legendäre Gral irgendwo in greifbarer Nähe liegen muss, und natürlich will er sich die Reliquie für seinen Feldzug nutzbar machen. Auch der Erzfeind und Vetter von Thomas, der schwarz gekleidete und gerüstete Ritter mit dem Namen „Harlekin“, sucht nach dem Heiligen Gral und ebenso nach seiner eigenen Vergangenheit, denn seine Familie hat ihre Wurzeln im Glauben der Katharer, die Hüter des Grals waren und von der päpstlichen Macht vernichtet wurden.

Im Auftrage des Königs wird Thomas auf die Suche nach dem Heiligen Gral geschickt. Doch Thomas, den die Gräuel des Krieges nicht ruhen lassen, wird von Zweifeln geplagt. Kann ein Gott solche Grausamkeit auf dem Schlachtfeld akzeptieren? Und kann der Gral, wenn er tatsächlich existiert, dieser grausamen Welt Erlösung bringen? Als Sohn eines Priesters, aber auch als Bogenschütze existiert er zwischen den Glaubenswelten.

Thomas weiß, dass sein Vater der älteste Sohn des Grafen von Astarac war und seine Familie als die Hüter des Grals galt, bis sie dem Glauben der Katharer abschworen. Seine Zweifel beginnen zu verschwinden, als er sich den persönlichen Aufzeichnungen seines Vaters widmet, doch eine unheilvolle Begegnung mit der päpstlichen Inquisition und durch Folter erpressten Geheimnissen lässt Thomas wieder an Gott und dem Gral zweifeln.

Genesen und von Rachsucht geplagt, trifft er seinen Vetter, den Harlekin, auf dem Schlachtfeld wieder und dieser bittet Thomas darum, sich ihm anzuschließen, um gemeinsam der Welt den Gral und mit diesem Frieden und Freiheit zu bringen …

_Meine Meinung_

„Der Wanderer“ ist solide recherchiert, stützt sich aber hauptsächlich wie sein Vorgänger auf die Techniken, Strategien und Taktiken des Krieges zur damaligen Zeit. Das bunte Leben und Treiben der spätmittelalterlichen Bevölkerung findet leider kaum die Beachtung des Autors. Dadurch wirkt die Story nicht unbedingt ganzheitlich ansprechend und die Wirrungen und Irrungen der Protagonisten allein konnten die Erzählung nicht bereichern. Einzig und alleine der Lebenslauf des Hauptcharakters Thomas von Hookton wurde erzählerisch umfassend ausgearbeitet. Seine Zweifel und Gewissenskonflikte retten den zweiten Teil der Gralstrilogie über seine Längen hinweg und lassen den Leser mit der dürftigen und auch wieder zu vorhersehbaren Handlung fiebern.

Eher unglaubwürdig und ein wenig verwirrend sind die anderen Charaktere beschrieben, die sich wohl nicht entschließen können, auf welcher Seite sie denn jetzt kämpfen sollen und wollen. Immer dem eigenen Vorteil als Ziel folgend, sind diese Nebenfiguren leider nur Schemen. Bernard Cornwell hätte sich viel mehr auf historische Persönlichkeiten stützen sollen, anstatt sein ganzes literarisches Talent auf die Figuren des Thomas von Hookton und den „Harlekin“ zu konzentrieren.

Auf historischer Ebene hat mich „Der Wanderer“ enttäuscht. Ich hätte gerne mehr vom Glauben der Katharer erfahren, mehr über die politischen Interessen der Kontrahenten Frankreich und England gelesen. Das bleibt Cornwell leider seinen Lesern schuldig, und selbst im Nachwort konzentriert er sich nur auf den Verlauf der Schlachten und auf Waffentechnik und Taktik. Auch die Inquisition und ihre brutalen Methoden bleiben nebulös und werden schlechthin als die „Bösen“ dargestellt.

„Der Wanderer“ soll ebenso wie sein Vorgänger dem Anspruch gerecht werden, ein historischer Roman zu sein. Diese beiden Romane sind jedoch zweifelsfrei zu abenteuerlich, um in dieses Genre eingeordnet werden zu können. Wer aber eine blutige und brutale Handlung in allen Details lesen möchte, dem seien „Der Bogenschütze“ und „Der Wanderer“ empfohlen. Interessierte Leser, die ihre Motivation eher im gesellschaftlichen und politischen Leben des ausgehenden Mittelalters suchen, wird die Erzählung rund um den Hundertjährigen Krieg dagegen schnell langweilen.

|Originaltitel: Vagabond
Gebunden, 464 Seiten|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteinhc/

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[„Die Galgenfrist“ 277
[„Stonehenge“ 113

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