David, Peter – Herr Apropos von Nichten

Schelmenroman: |aus Spanien stammende Romangattung, die im Ggs. zum Ritterroman das Leben spitzbübischer Schelme, Landstreicher und Glücksritter schildert. Die S. sind meist in der Ich-Form erzählt und tragen häufig satir. und sozialkrit. Züge| – so informiert uns der Brockhaus, und so kann man Peter Davids kleinen Geniestreich „Herr Apropos von Nichten“ kurz charakterisieren, mit dieser Ergänzung: Es ist ein Buch voll von Einfällen, Verwirrungen, Wendungen und Sarkasmen aller Art, es bringt einen zum Schmunzeln, zum Lachen, zum Mitfühlen und zum Lesen mit angehaltenem Atem; spöttisch zerstört es Illusionen über die Gerechtigkeit der Welt oder den Wert des Heldentums, und es präsentiert einen Anti-Helden reinsten Wassers.

Apropos hat’s aber auch nicht leicht. Seine Mutter schlägt sich als Kellnerin in einer heruntergekommenen Spelunke durch. Da sie einmal der Geburt eines Phönix zugesehen hat, glaubt sie, zu Wichtigem bestimmt zu sein – und als sechs Ritter sowie ein Mann im Umhang (vielleicht ein Magier) sie vergewaltigen und sie schwanger wird, glaubt sie um so heftiger daran: Ihr Sohn wird einmal … Sie geht ihrem Beruf weiterhin nach, arbeitet nebenbei auch als Hure und spart, was sie kann, um ihrem Sohn eine Zukunft zu verschaffen. Leider ist der lahm geboren, zum Glück jedoch auch mit einem scharfen Verstand gesegnet; außerdem hilft ihm Tacit, ein junger Robin Hood und Held von echtem Schrot und Korn. Aber gerade diese Freundschaft führt Apropos seine Unzulänglichkeit vor Augen, der Vergleich mit Tacit wird für ihn zur Manie.

Schlüsselstelle des Romans ist die Szene, in der aufgehetzte Bauern die junge Magierin Schari verbrennen wollen. Tacit stürzt los, sie zu retten; Apropos findet das schwachsinnig und überlegt, wie er sich aus der Sache heraushalten kann. Doch als Tacits Versuch scheitert und dieser zusammen mit der Magierin verbrannt werden soll, gibt sich der selbsternannte Egoist („Lieber zehn Minuten lang feige als ein Leben lang tot.“) einen Ruck und kauft die beiden mit Gold und einer List los; woraufhin die Gerettete dem guten Tacit erklärt, wie dämlich sie seine „Rettungstat“ fand. Trotzdem findet Apropos seine eigene Rolle erbärmlich. Und Schari, offensichtlich eine verwandte Seele, verschwindet bald wieder aus seinem Leben.

Kurze Zeit später wird Apropos’ Mutter umgebracht, was den Jungen endgültig aus der „heimischen“ Spelunke forttreibt, an den Königshof, um Gerechtigkeit zu verlangen – Ausgangspunkt einer Kette von Abenteuern, die ihn mal in die Nähe des Todes, dann wieder bis knapp vor den Thron führen … aber keine Sorge: Der Schelm bleibt ein Schelm, und das ist gut, denn von diesem Schelm lebt das Buch. Peter David schildert Apropos’ Innenleben einfühlsam und komisch zugleich, mit viel Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung. Selbst wenn der junge Mann mitten im Geschehen (lies: im Schlamassel) steckt, bleibt er scharfsichtiger Beobachter und scharfzüngiger Spötter: „Unsere Rösser donnerten über die Lichtung, und wir Ritter müssen einen beeindruckenden Anblick geboten haben. Nichts erregt einen wohl so sehr, wie einer Schar Ritter ansichtig zu werden, welche, wenn auch zu spät, zur Rettung heraneilen.“ Er verschont sich selbst ebenso wenig wie seine Umwelt; als er einen Mitknappen als gewissenlos charakterisiert, setzt er hinzu: „Nun gut, schlechtes Gewissen und dergleichen plagten auch mich nur selten bis nie. Aber das ließ sich doch nicht vergleichen. Bei mir stand eine bewusste Entscheidung dahinter, wohingegen Keule einfach zu dumm dafür war.“ Dergleichen bekommt man laufend zu lesen. Was Wunder, ist der Ich-Erzähler doch einer, dem das Leben meist übel mitspielt – besonders immer dann, wenn er seine erste Regel vergisst: sich niemals auf jemanden oder etwas zu verlassen. Natürlich auch nicht auf höhere Mächte. Apropos glaubt zwar an Götter, aber er kommentiert deren Walten in seinem Leben zum Beispiel so: „Ich konnte mir nur einen Grund denken, warum Runzibel mich nicht hatte hinrichten lassen: Die Götter wollten mich noch ein Weilchen länger quälen.“

Eindeutig ist Apropos kein moralisch einwandfreier, positiver Held (er ist ja nicht mal ein Held). Doch David schafft es, ihm alle Sympathie des Lesers zuzuschanzen, selbst wenn er feige oder hundsgemein handelt (was so oft nun auch wieder nicht vorkommt). Ich habe lange kein Fantasy-Buch mit einer so wirklichen Hauptfigur gelesen, und ich hoffe nur, dass der Autor seiner halben Ankündigung im Vorwort noch einen solchen Roman folgen lässt!

© _Peter Schünemann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

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