Fielding, Joy – Träume süß, mein Mädchen

Jamie Kelloggs Leben steckt in einer handfesten Krise. Die junge Frau aus Floria hat bisher nur Pech mit Männern gehabt, eine überstürzte Ehe ging rasch in die Brüche. Auch das Verhältnis zu ihrer Schwester ist schlecht, sie ist unglücklich in ihrem Job und sie leidet immer noch unter der herrischen Erziehung ihrer kürzlich verstorbenen Mutter. Gerade hat sich herausgestellt, dass ihr neuer Freund bereits verheiratet ist. Mitten in dieser Misere lernt sie in einer Bar den charmanten Brad Fisher kennen. Bereits am ersten Abend gehen sie miteinander ins Bett. Zu Jamies ungläubiger Freude scheint Brad tatsächlich auf eine Beziehung aus zu sein.

Kurz darauf überredet Brad sie zu einer Autoreise nach Ohio. Er will dort seinen Sohn aus geschiedener Ehe treffen. Jamie lässt sich auf dieses Abenteuer ein, ohne zu ahnen, dass Brad ein mörderischer Psychopath ist. In Wahrheit hat seine Exfrau ihn verlassen, nachdem sie um ihr Leben fürchten musste, und lebt nun unter neuem Namen in Dayton, Ohio, in der Hoffnung, dass Brad sie dort nicht findet.

Währenddessen lernt Jamie auf der Autofahrt langsam die negativen Seiten ihres neuen Freundes kennen. Brad entpuppt sich zunehmend als dominant und brutal. Je näher sie ihrem Ziel kommen, desto bedrohlicher werden seine Ausfälle. Erst jetzt ahnt Jamie allmählich, worauf sie sich eingelassen hat – doch für eine Flucht ist es bereits zu spät …

Frauen in Lebenskrise sind Joy Fieldings Spezialgebiet, fast immer eingebunden in eine mörderische Bedrohung.

|Drei verwobene Schicksale|

Im Mittelpunkt stehen diesmal gleich mehrere Frauenfiguren, die zwar unterschiedliche Charaktere besitzen, aber alle eines gemeinsam haben: die unglückliche Vergangenheit, was Männer betrifft. Gut kann man nachvollziehen, dass sich Jamie vom attraktiven Brad Fisher schnell um den Finger wickeln lässt. Ihr fehlt der Halt im Leben, weder Familie noch Freunde, noch Arbeit können die deprimierende Leere füllen, und als sie per Zufall auf einmal der Ehefrau ihres neuen Liebhabers gegenübersteht, bricht auch die letzte Hoffnung auf Besserung zusammen.

Brad Fisher ist aufmerksamer als alle anderen Männer, denen sie begegnet ist. Nach der ersten gemeinsamen Nacht überrascht er sie mit Kaffee und Bagels und gibt ihr bei jeder Gelegenheit das Gefühl, eine besondere Frau zu sein. Die Fahrt nach Ohio mit ihrem geliebten Thunderbird ist ein Abenteuer, dem Jamie nicht widerstehen kann, zu groß ist die Versuchung, aus ihrem eingefahrenen Leben auszubrechen. Allerdings ist Jamie zu naiv gezeichnet. Sie ignoriert die ersten Anzeichen, dass Brad nicht der unkomplizierte Traummann ist, den sie sich erhofft hat. Gerade eine Frau mit solch schlechten Erfahrungen sollte durch seine Unberechenbarkeit gewarnt sein. Jamie erscheint weniger als erwachse Frau in den Dreißigern als vielmehr wie ein verzückter Teenager, der sich durch Oberflächlichkeiten blenden lässt. Mehr als einmal wünscht man sich, Jamie würde sich nicht ganz so stark von Brads Fassade blenden lassen und mehr auf ihren Verstand hören; ausgerechnet sie ist allerdings die Hauptfigur des Romans, der am meisten Raum gewidmet wird.

In Ohio leben derweil Emma und Lily, zwei Frauen mit einer geheimen Vergangenheit und zwei kleinen Söhnen, die zaghaft Freundschaft schließen. Emma leidet unter der ständigen Furcht, jemand könne herausfinden, dass in Wirklichkeit anders heißt, und unter den Entbehrungen ihres Sohnes. Für Dylan, wie sie ihn nun aus Sicherheitsgründen nennt, ist unverständlich, warum er von heute auf morgen sein Zuhause und seine Freunde verlassen musste, warum er seine Haare färben und auf den neuen Namen hören muss, warum er seinen Daddy nicht mehr sehen darf. Dazu kommt der steigende Druck durch das Lügengebilde, das sich Emma aufbaut und das vorm Zusammenbrechen zu bewahren zunehmend schwerer wird. Die Bekanntschaft mit Lily Rogers bedeutet eine angenehme Abwechslung, gleichzeitig aber auch Stress, da Dylan sich mehr denn je an seine Mutter klammert und immer aggressiver reagiert.

Die hübsche, leicht mollige Lily ist eine zurückhaltende Frau, die von ihrem früheren Leben nur preisgibt, dass sie verwitwet sei und sich danach sehnt, einen neuen Mann in ihrem Leben zu finden. Bei ihrer Arbeit im Fitnessstudio lernt sie den attraktiven Detektive Jeff Dawson kennen, der hinter seiner rauen Schale eine sensible Ader besitzt.

|Spannung und Wendungen|

Gleich doppelte Spannung versprechen die parallel verlaufenden Handlungsstränge in Florida und Ohio. Über Jamies Leben wird früh und umfassend informiert und auch Brads düsterer Charakter wird bereits zeitig angedeutet, sodass seine Brutalität nur für Jamie, nicht aber für für den Leser überraschend kommt. Spannend bleibt die Handlungsebene dennoch, da nicht absehbar ist, welches Ende die gefährliche Odyssee mit Brad für Jamie nehmen wird – gelingt es ihr, in einem passenden Moment zu fliehen, kann sie zumindest den Agriff auf Brads Exfrau verhindern oder wird sie gar selbst zum Opfer? Eine zusätzliche Bedrohung liegt in dem Mord, den Brad auf der Fahrt begeht. Es gelingt ihm, am Tatort Spuren zu hinterlassen, die auf Jamie als mögliche Täterin hindeuten, sodass sie nicht nur seine Gefangene ist, sondern für Außenstehende sogar als Komplizin gesehen werden kann.

Noch ungewisser ist das Schicksal von Emma und Lily. Vor allem bei Emma weiß man zwar, dass sie ein großes Geheimnis verbirgt, doch die genauen Umstände werden erst am Ende offenkundig und warten mit einer kleinen Überraschung auf. Lily hält man lange Zeit für den unauffälligsten Charakter der drei, doch ihre Rolle ist nicht weniger bedeutsam. Man darf nicht nur gespannt sein, wie das Zusammentreffen mit Brad verläuft, der sich unaufhaltsam Ohio nähert, sondern auch auf die Enthüllungen von Emmas und Lilys Vergangenheit, die man vorher höchstens erahnen kann.

|Ein paar Schwächen|

Es ist Geschmackssache, inwieweit die überraschende Wendung am Schluss der Autorin gelungen ist. Einerseits gelingt es ihr damit, den Leser auf eine falsche Fährte zu führen, andererseits werden hier bewusst Informationen vorenthalten, sodass man sich als Rezipient leicht beschwindelt fühlen kann, wenn schließlich die Katze aus dem Sack gelassen wird. Das Finale im Haus einer der Frauen ist zwar spektakulär gestaltet, dafür sind die Zusammenhänge und die zeitlichen Abläufe, die alle Personen fast gleichzeitig zusammenführen, konstruiert. Letztlich wird eines der Schicksale nur sehr vage angedeutet. Sehr spät erfährt man erst die wahren Hintergründe und die weitere Entwicklung bleibt der Phantasie des Lesers überlassen; man vermisst einen kurzen Epilog oder eine kleine Andeutung in den zukünftigen Verlauf.

Cineasten wird sicher aufstoßen, dass es hier im erwähnten Filmtitel „Das Haus der Lady Alquist“ fälschlicherweise „Almquist“ heißt und dort nicht Joseph Cotton, sondern Charles Boyer die angesprochenen Rolle des Ehemannes spielte. Es bleibt offen, ob hier ein Fehler der Autorin vorliegt oder sich die Figur, die den Film erwähnt, absichtlich zum Amüsement der Leser irren soll, darauf gibt es allerdings keinen Hinweis.

Für langjährige Joy-Fielding-Leser sind gerade die Charaktere natürlich nicht mehr sonderlich originell. In fast allen Büchern stehen krisengeplagte Frauen im Vordergrund, die zerrüttete Beziehungen hinter sich haben und/oder sich durch einen neuen Mann in ihrem Leben bedroht fühlen. Je mehr man von ihren Büchern gelesen hat, desto bekannter erscheinen einem die Charakterzüge. Lange bleibt dieses Werk nicht im Gedächtnis, dafür ist es, abgesehen von einer überraschenden Wendung, zu konventionell gezeichnet und das Schema zu abgenutzt.

_Als Fazit_ bleibt ein unterhaltsamer Frauenthriller im üblichen Joy-Fielding-Schema, der ziemlich spannend ist, aber nicht lange im Gedächtnis bleibt.

_Die Autorin_ Joy Fielding, geboren 1945 in Toronto, Kanada, hatte bereits in ihrer Kindheit großes Interesse am Schreiben. Vor ihrer Karriere als Schriftstellerin studierte sie englische Literatur und arbeitete eine Weile als Schauspielerin. 1991 gelang ihr mit dem Roman „Lauf Jane, lauf“ der internationale Durchbruch. Seitdem landen ihre Frauenthriller regelmäßig auf den Spitzenpositionen der Bestsellerlisten. Weitere Werke sind u. a. „Sag Mammi goodbye“, „Ein mörderischer Sommer“, [„Schlaf nicht, wenn es dunkel wird“ 556 und „Tanz Püppchen, tanz“. Ihr aktuelles Werk ist „Nur der Tod kann dich retten“.

http://www.joyfielding.com/
http://www.randomhouse.de/goldmann/

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