Henkel-Waidhofer, Johanna / Marx, André / Minninger, André – Die drei ??? – Flammen des Bösen (Sammelband)

Eine Serie begleitet und fasziniert heutige Thirtysomethings schon seit ihrer Kindheit. Die Rede ist vom Klassiker „Drei Fragezeichen“ oder auch „Die drei Detektive“ genannt. Letzteres kommt dabei näher an den amerikanischen Originaltitel „The Three Investigators“ heran. Hierzulande haben sich die drei verschiedenfarbigen Fragezeichen (weiß, rot, blau) auf schwarzem Cover längst als Aushängeschild und weithin bekanntes Markenzeichen der Serie etabliert. Eine weitere Vorstellung erübrigt sich eigentlich, denn DDF kennt wirklich fast jedes Kind.

Seit den Siebzigerjahren hat sich das Cover-Design jedenfalls kaum verändert. Früher firmierte man noch unter |Franckh’sche Verlagsgesellschaft|, heute ist das geändert in |Franckh-Kosmos|. Das Aussehen der Bücher blieb weitgehend gleich. Seit das Haus zur |Bertelsmann|-Gruppe gehört, verlegten diese die DDF auch mal als Taschenbuchausgaben unter ihrem Ableger „Omnibus“. Mit alternativen Titelbildern. Igitt. Diverse Sammelbände sind auch im Umlauf. Richtigen Kultstatus genießen jedoch bei Sammlern nur die Franckh-(Kosmos-)Hardcover, was anderes kommt nicht ins Regal. Wenn möglich, sogar nur Erstausgaben.

Ihren anhaltenden Erfolg in Deutschland hat die Serie im Besonderen der inzwischen berühmten Hörspielumsetzung zu verdanken, bei der bislang 120 Fälle der Jungs veröffentlicht wurden – und weiter neue Storys geschrieben und vertont werden, obwohl die ausgelaufene „Hitchcock-Lizenz“ ein geändertes Marketing des gesamten ???-bezogenen Produktkatalogs erfordert. Im Moment stehen daher die Zeichen nicht nur in den |EUROPA|-Tonstudios, sondern bei Konzernmutter Bertelsmann insgesamt auf „kreative Pause“. Derzeit sind die Bücherveröffentlichungen (125 Fälle) den Hörspielen um einige Bände voraus. Doch das nur am Rande.

_Zur Serie_

„Die drei Fragezeichen“, das sind kalifornische Jugendliche aus dem fiktiven Kaff Rocky Beach – irgendwo zwischen L.A. und Santa Monica gelegen. DDF, das ist vor allem das übergewichtige Superhirn Justus „Klugscheißer“ Jonas, der irgendwann mal mit seinen Kumpels Peter „Angsthase“ Shaw und Bob „Bücherwurm“ Andrews eine kleine Privat-Detektei eröffnet hat. Erwachsene, die darüber milde lächeln und die Ernsthaftigkeit der Jungs anzweifeln, werden stets eines Besseren belehrt. Das Trio wird nicht müde, seine berüchtigte Visitenkarte zu zücken und jedem, der es wissen will (oder auch nicht), die Bedeutung der drei großen Fragezeichen darauf zu erläutern.

Wenn man eines jedoch nicht tun darf, dann ist es, ihren kriminologischen Spürsinn sowie ihre Hartnäckigkeit zu unterschätzen. Die Jungs bearbeiten Fälle, die vielen Erwachsenen (respektive den Cops) meist zu banal oder grenzwertig erscheinen, sich aber nicht selten zu handfesten Verbrechen entwickeln. Egal ob angeblicher Geisterspuk, marodierende Urzeitwesen oder auch vermeintliche Werwölfe – Ihr Motto lautet stets: „Wir übernehmen jeden Fall“. Mag er auch noch so unglaubwürdig und abgedreht klingen. Ihre Erfolgsquote ist hoch und sie nehmen grundsätzlich kein Honorar für ihre Dienste.

_Zum Buch_

Da dies eine aktuelle 2005er Veröffentlichung ist, erscheint das Buch bereits ohne Namen und Logo von Alfred Hitchcock. Ein Anblick, an den man sich als langjähriger Fan erst einmal gewöhnen muss. Das heißt, eigentlich ist der Sammelband eine Wiederveröffentlichung, denn er enthält nicht mehr ganz taufrische Geschichten aus den 90ern – sie stehen inhaltlich in keinem Zusammenhang zueinander und sind (wie überhaupt alle ???-Storys) in sich abgeschlossen – mit Ausnahme eines „spezialgelagerten Sonderfalls“, nämlich der Nummer 100 – „Die Toteninsel“, welche aus drei einzelnen Büchern besteht, die untrennbar als Fortsetzungsgeschichte zusammengehören. Warum aber ausgerechnet hier nun diese Auswahl von Geschichten vom Bertelsmännischen DDF-Haus-und-Hof-Verlag |Frankh-Kosmos| ausgewählt wurden, ist dagegen nicht überliefert. Ist auch nicht wichtig, kümmern wir uns lieber mal detaillierter um deren Inhalte.

_Die Storys_

|“Spuk im Hotel“|
Erzählt von Johanna Henkel-Waidhofer
Erstveröffentlichung 1994

Justs Freundin Lys de Kerk bittet die drei Fragezeichen, sich doch mal bitte im „Old Star“ Hotel umzutun, ihre alte Schauspiellehrerin Armanda Black – der das ehrenwerte Haus gehört – steckt in Schwierigkeiten. Lys hat die drei Jungs wärmstens empfohlen. Die stolze Dame und Ex-Actrice hat ein Problem mit Gegenständen, die verschwinden und an höchst seltsamen Stellen wieder auftauchen. Eine Wanduhr im Swimmingpool zum Beispiel. Justus und Bob verdingen sich offiziell als Bedienstete, Peter hingegen darf sich aufgrund seines Losglückes als Gast im Hotel einmieten und die Augen offen halten. Vollkommen inkognito. Das Verschwinden betrifft zunächst nur Armandas persönlichen Dinge und Memorabilia ihrer Schauspielkarriere, später weiten sich die geheimnisvollen Übergriffe auch auf die Gäste aus. Diese sind zu Recht natürlich sauer und verunsichert. Will jemand Mrs Black in den Wahnsinn oder den Ruin treiben? Oder vielleicht sogar beides?

|Kurzkritik|
Ich persönlich mag die von JHW erdachten Geschichten generell nicht so sehr, wenngleich ihr das Verdienst zukommt, die Serie unbeirrt fast im Alleingang vorangetrieben zu haben, als sie Anfang der 90er leicht schwächelte. Allerdings gehört diese Story hier definitiv zu ihren besseren. Die Handlung schlägt einige interessante Haken, ist nachvollziehbar-logisch aufgebaut und gar einigermaßen spannend zu lesen. Auch wenn das Motiv – wie so oft bei ihr – zu schnell zu deutlich wird, so sind die wahre Täterschaft sowie die exakten Umstände dem Leser lange Zeit ein ziemliches Rätsel. Gewürzt ist das Ganze mit kleinen Rangeleien der Jungs untereinander, was die Erzählung deutlich auflockert. Natürlich darf Schlaumeier Justus am Ende wieder mal im Fast-Alleingag scharfsinnig vom Leder ziehen. Alles in allem ein guter und auch lesenswerter Mittelklasse-Fall der drei ???.

|“… und das brennende Schwert“|
Erzählt von André Marx
Erstveröffentlichung 1997

Onkel Titus macht eine sehr seltsame Erbschaft. Ein sehr flüchtiger Bekannter von vor über 20 Jahren ist kürzlich verstorben und hat ihm unerwartet einen bemerkenswerten Glasstein vermacht, den er laut Testament nicht mal behalten darf, sondern an einen ominösen „Beany“ weitergeben soll. Titus kennt aber niemanden diesen Namens und beauftragt die drei Detektive damit, diesen Beany zu finden. Zwei weitere Erben gibt es und sollen es ihm gleichtun und ihre vererbten (ebenfalls seltsame) Gegenstände weitergeben. Diese beiden kennt Titus aber auch nicht. Keine üppige Ausgangslage für die Satzzeichen, die aber nach zähen Ermittlungen herausfinden, dass die insgesamt drei Teile zusammengesetzt das sagenumwobene und lange verschollene „brennende Schwert“ ergeben – das ultimative Heiligtum einer nicht gerade als zimperlich verschrienen Sekte. Es sind einige krumme Gestalten hinter dem Kultgegenstand her – Verspricht er doch die uneingeschränkte Macht über die Bruderschaft des Schwertes.

|Kurzkritik|
André Marx hat nicht nur mehr Geschichten verfasst als alle anderen Autoren der Serie, er ist auch immer für besonders aktuelle, zeitgeistige Themen gut. Diesmal sind es Gefahren des Sektentums respektive der Geheimbündelei, welche er dreifragezeichenpädagogisch aufbereitet. Das war und ist allerdings nicht ganz neu, das hatten wir schon bei der „singenden Schlange“ und dem „magischen Kreis“, zwei absoluten Klassikern. Das „flammende Schwert“ ist jedoch kein Abklatsch davon, zwar mit ähnlichem Charme ausgestattet, dabei aber naturgegeben moderner sowie psychologisch und erzählerisch ausgefeilter geraten als seine doch eher naiv anmutenden Serien-Vettern aus den Sechziger- und Siebzigerjahren. Der heutigen (zumeist jugendlichen) Leserschaft kann man eben nicht so platte Geschichten vorsetzen wie damals. Das flammende Schwert gilt zu Recht als eine der besten Geschichten der Serie – sowohl als Buch als auch als Hörspiel.

|“Stimmen aus dem Nichts“|
Erzählt von André Minninger
Erstveröffentlichung 1997

Justus wird bei einem Arztbesuch Zeuge, wie die alte Mrs Holligan beinahe zusammenbricht. Auf der Praxis-Damentoilette ertönte angeblich die drohende Stimme ihrer Schwester. Die Sache hat einen klitzekleinen Haken: Abigails Schwester Tesla weilt seit drei Monaten nicht mehr unter den Lebenden. Dennoch terrorisiert sie Abigail weiter, wie schon zu Lebzeiten. Kurzerhand bietet Justus ihr die Dienste der Detektive an, denn obwohl die nervlich arg angeschlagene Dame sich wegen dieser quälenden Stimme aus dem Nichts in psychologischer Behandlung befindet, glaubt Just, dass Mrs Holligan alles andere als verrückt ist. Trotz der zunächst erteilten Zustimmung, ihr helfen zu dürfen, gebärdet sie sich den Dreien gegenüber plötzlich sehr seltsam und abweisend. Ist sie doch reif für die Klapse? Rationale Erklärungen für die Geisterstimme weist sie jedenfalls entschieden zurück und die drei Detektive müssen sich ganz schön reinknien, wenn sie den offensichtlich oberfaulen Zauber auch als solchen entlarven wollen.

|Kurzkritik|
André Minninger zeichnet sich seit einigen Jahren in erster Linie als Drehbuchautor der Hörspielserie aus, wobei er in H.G. Francis‘ große Fußstapfen steppte und dabei bis heute eine sehr gute Figur abgab und -gibt. Vielleicht liegt es daran, dass die ausgeklügelte, tiefsinnige Geschichte eher in der audiblen Darreichungsform zündet. Die Dramaturgie der ansonsten sehr gut durchdachten und spannenden Psycho-Story scheint nämlich irgendwie von vornherein gleich darauf ausgelegt zu sein, später leichter vertont werden zu können – dort kann man mit Soundeffekten und anderen Tricks arbeiten, was im Buch schlechterdings unmöglich ist. Das muss naturgegeben ohne solche Kunstgriffe auskommen und hat es dementsprechend schwerer. das nötige Flair zu schaffen. Und tatsächlich liegt die atmosphärische Dichte des Kopfkinos eine Nasenlänge hinter der des Hörspiels, was man ja doch eher selten antrifft. Dennoch ein sehr guter unter den ???-Fällen.

_Fazit_

Ob nun mit oder ohne Hitchcock-Label: Diese Zusammenstellung leistet sich, anders als der 25-Jahre-Jubiläums-Sammelband „Schrecken der Nacht“ (zusammengestellt von Konzernmutter |Bertelsmann|) aus dem Jahr 2004, keine wirkliche Schwächen. Alle drei Geschichten gehören durchweg zur gehobenen Ausstattung der Serie. Unangefochtener Top-Star ist „Das flammende Schwert“, dicht gefolgt von den zunächst nicht verstummen wollenden „Stimmen aus dem Nichts“ und dem immerhin noch überdurchschnittlichen faulen Zauber beim „Spuk im Hotel“. Die moderate 9,95 Euro teure Compilation kann man ruhigen Gewissens weiterempfehlen. Auch – und gerade – Einsteiger in die Serie bekommen hier einen repräsentativen Blick in die Welt der drei sympathischen Junior-Schnüffler. Bibliophile Sammler und eingefleischte Fans werden auch diesen 3er-Band, obwohl preislich sicherlich sehr attraktiv, höchstwahrscheinlich wieder mit Nichtachtung strafen.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
„Die drei ???® – Flammen des Bösen“
basierend auf den Charakteren von Robert Arthur
Random House, New York
Franckh-Kosmos, Stuttgart / Bertelsmann Gruppe
Erstauflage 02/2005
380 Seiten, Hardcover, ISBN: 3-440-10206-8

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