Kornbichler, Sabine – Gefährliche Täuschung

Die eher trockene Volkswirtschaftslehre und die Belletristik haben auf den ersten Blick nicht viel gemein. Sabine Kornbichler verbindet die beiden Ungleichen allerdings, denn die studierte Volkswirtin arbeitet mittlerweile als Autorin. Dabei geht es alles andere als wirtschaftlich zu: „Gefährliche Täuschung“ ist ein Thriller im Chiemgau, der von Kornbichlers Studium nicht weiter entfernt sein könnte.

Die Kinderbuchillustratorin Emma wird während einer Fahrradtour von einem Unbekannten niedergeschlagen und entführt. Fünf Tage hält er sie in einer Hütte im Wald fest und behauptet, dass Laurenz, Emmas Mann, die Geldübergabe herauszögern und Emma nicht wirklich lieben würde. Als er sie endlich freilässt, haben die bangen Stunden selbstverständlich Spuren hinterlassen. Emma ist schreckhaft und anfangs sehr misstrauisch gegenüber ihrem Mann. Sie sieht überall Gespenster und ist dem Entführer, der ihr nur maskiert gegenübergetreten war, so dankbar, dass er sie freigelassen hat, dass sie ihn noch nicht mal anzeigen möchte.

Doch dieses Verhalten wird ihr zum Verhängnis, denn auf einmal wird sie nicht mehr als Zeugin, sondern als Beschuldigte vernommen. Mit ihrer Kreditkarte ist ein Flug gebucht und ein Auto gemietet worden und Zeugen haben geschildert, dass die Person, die dies tat, Emma war. Emma ist verzweifelt. Wie soll sie entführt in einer Holzhütte liegen und gleichzeitig ein Auto mieten? Es muss eine Person geben, die ihr ähnlich sieht. Emma macht sich selbst auf die Suche, doch diese erweist sich als nicht besonders einfach …

„Gefährliche Täuschung“ erinnert stark an die Romane von Petra Hammesfahr. Im Mittelpunkt steht eine starke, aber gleichzeitig verletzliche Frau, der Unrecht angetan wird und die dagegen ankämpft. In diesem Fall heißt sie Emma. Leider unterscheidet sie sich nicht merklich von anderen derartigen Frauenfiguren. Sie versteht sich gut mit ihren Eltern, führt eine funktionierende Ehe und hat in Verena eine beste Freundin gefunden. Ihre Charakterzüge weisen nur wenig Originelles auf. Allerdings kann man Kornbichler nicht vorhalten, sie hätte ihre Figuren nicht gut gezeichnet. Alle Personen sind gut ausgearbeitet und wirken wie Menschen, die jeder in seinem Freundeskreis hat. Sie passen in die Geschichte, aber sie tragen nur wenig Interessantes dazu bei. Dafür wirken sie einfach zu normal.

Ähnliches gilt für die Handlung, die solide Spannung aufbaut, mehr aber leider auch nicht. Kornbichlers Geschichte ist sauber konstruiert und hat die eine oder andere überraschende Wendung zu bieten. Dennoch bleibt sie in der Spur und begibt sich nur selten in wirklich reißerische Gefilde. So widersprüchlich es klingt, aber „Gefährliche Täuschung“ lässt sich tatsächlich als ruhiger Thriller etikettieren. Es passiert nichts Außerordentliches, nichts Gefährliches, aber trotzdem ist die Geschichte stimmig und regt zum Nachdenken an. Der Leser stellt nämlich genau wie Emma fest, wie ambivalent ihre Situation doch ist. Was sie als Indiz für ihre Entführung ansieht, wird durch die Kripo ganz einfach umgedreht und gegen sie verwendet. Es ist erschreckend, wie dem Kriminalfall, der für den Leser, der Emma während der Entführung begleitet hat, klar zu sein scheint, die Basis so einfach entzogen werden kann.

Mit dem Schreibstil verhält es sich ähnlich wie mit Personen und Handlungen: Auch er ragt nicht durch besondere rhetorische Stilmittel oder wiederkehrende Eigenschaften heraus. Kornbichler erzählt flüssig und dicht. Es gibt kaum unnötige Sätze, alles ist zweckmäßig darauf ausgerichtet, die Handlung zu transportieren. Die Autorin schafft es außerdem, die Ich-Erzählerin Emma vor dem Auge des Lesers lebendig werden zu lassen, auch wenn sie wegen der Figurenzeichnung etwas eindimensional wirkt.

Wägt man das Positive gegen das Negative ab, ist „Gefährliche Täuschung“ ein recht solider Thriller, der vor allem Leute anspricht, denen eine Frauenfigur als Hauptperson wichtiger ist als eine hochspannende Handlung. Mit Letzterem kann Kornbichlers Roman nämlich nicht unbedingt dienen. Es geht sehr ruhig zu in dem Buch, auch wenn Emmas Suche ihre Höhepunkte hat. Das wird dem einen gefallen, dem anderen vielleicht nicht. „Gefährliche Täuschung“ ist demnach Geschmackssache.

http://www.knaur.de
http://www.sabine-kornbichler.de

_Sabine Kornbichler bei |Buchwurm.info|:_
[„Annas Entscheidung“ 2549
[„Im Angesicht der Schuld“ 2561
[„Der gestohlene Engel“ 4680

Schreibe einen Kommentar